Das Außenministerium der Republik Polen: Ostpolitik

»Die Ostpolitik gehört zu den wichtigsten Bereichen der Außenpolitik der Republik Polen. (…) Es liegt im Interesse Polens, dass sich die Nationen seiner östlichen Nachbarschaft der Unabhängigkeit und Sicherheit erfreuen, auf dass (…) ihr Recht auf die souveräne Wahl des Entwicklungsweges, des politischen Systems und der Verbündeten respektiert werde. Diejenigen unter ihnen, die eine Entscheidung über ihre proeuropäische und prowestliche Option treffen werden, können auf die dauerhafte Hilfe Polens für die Realisierung des von ihnen gewählten Zieles zählen« – Außenminister Jacek Czaputowicz.

Polen liegt an einem neuralgischen Punkt, genau zwischen den Ländern Westeuropas und dem Gebiet Osteuropas. Wir sind Mitglied der Europäischen Union und der NATO, die das institutionelle Gesicht der Länder des Westens sind, und gleichzeitig haben wir eine besondere Verbindung mit dem Osten in Anbetracht der gemeinsamen Geschichte des autoritären kommunistischen Regimes. Diese Lage schafft die einzigartige Chance, die internationale Position unseres Landes zu stärken.

Wir unterstützen die Souveränität der Länder des Ostens und sind bereit, ihnen mit unserer Erfahrung der Systemtransformation zu dienen. Unserer Meinung nach sind tiefgehende Reformen und die Modernisierung, die an das europäische Entwicklungsmodell anknüpft, das beste Mittel für eine dauerhafte Stabilisierung des Gebietes der ehemaligen UdSSR. Daher nimmt die Unterstützung der proeuropäischen und transatlantischen Strömungen in diesen Ländern einen so wichtigen Platz in unserer Außenpolitik ein. Ein Ausdruck der Unterstützung Polens für die Reformen des postsowjetischen Gebietes ist die Aktivität Polens in der Initiative der Östlichen Partnerschaft. Wir unterhalten auch aktive Kontakte zur Polonia, die in diesen Gebieten lebt.

Eine große Herausforderung ist für uns der Rückgang der Vorhersehbarkeit und der Stabilität in manchen postsowjetischen Ländern, den wir in den vergangenen Jahren beobachtet haben. Diese Prozesse sind das Ergebnis u. a. des destabilisierenden Einflusses der Russischen Föderation, ihrer bewaffneten Aggression und hybriden Aktivitäten, wie z. B. die Desinformation. Die Kriege in Georgien und der Ukraine, die illegale Annexion der Krim, die Unterstützung des Separatismus im Donbass, in Transnistrien, Südossetien und Abchasien oder Einmischungsversuche in demokratische Wahlen und Referenden in Europa und Amerika – das sind nur einige Beispiele für die beunruhigenden Aktivitäten der Machthaber im Kreml. Unsere Antwort ist die konsequente Unterstützung einer kohärenten EU- und transatlantischen Politik gegenüber Russland.

Gleichzeitig erklären wir die Bereitschaft zum Dialog mit Russland in solchen Bereichen wie zwischenmenschliche, kulturelle Zusammenarbeit, Studentenaustausch und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Wir unterstützen die russische Zivilgesellschaft und protestieren gegen die Verletzung der Menschenrechte.

Die gemeinsame Geschichte, ähnliche Traditionen und eine verwandte Kultur verbinden uns mit der Ukraine und Belarus. Die polnisch-ukrainische Zusammenarbeit ist sehr intensiv und findet auf allen Ebenen statt – von der zentralen bis zu der Ebene der Kreise und Gemeinden. Außerordentlich lebhaft ist die Tätigkeit der polnischen und ukrainischen Nichtregierungsorganisationen, der wissenschaftliche und kulturelle Austausch. Polen tritt – auch im Rahmen der Europäischen Union – mit einer Reihe von Initiativen hervor, deren Ziel das Engagement Belarus’ in der Zusammenarbeit mit den Ländern der Region sowie mit der EU ist. Eine charakteristische Eigenschaft der polnisch-belarussischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist das große Engagement in der Zusammenarbeit mit Belarus’ kleinen und mittleren Betrieben.

Wir bemühen uns auch, die Zusammenarbeit mit Moldawien zu intensivieren – wir gewähren ihm Hilfe bei der Reformierung der administrativen Strukturen sowie der Wirtschaft und unterstützen das Streben nach Integration in die Europäische Union. Unverändert suchen wir Wege einer neuen Zusammenarbeit mit den Ländern des Südkaukasus – Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Aktiv sind wir auch in Zentralasien. Kasachstan ist mit Blick auf seine Position als leader in Zentralasien, sein großes wirtschaftliches Potential und seine wachsende Bedeutung auf der internationalen Bühne der Hauptpartner Polens in der Region.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: Ministerstwo Spraw Zagranicznych: Polityka wschodnia [Das Außenministerium: Ostpolitik]. https://www.gov.pl/web/dyplomacja/polityka-wschodnia (abgerufen am 14.05.2019).

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Analyse

Nationale Geschichtspolitik, restriktive Sicherheit und illiberale Demokratie – die polnische Ostpolitik unter der PiS-Regierung

Von Adam Balcer
In ihren knapp vier Jahren an der Regierung vollzog die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens radikale Veränderungen, u. a. in der polnischen Ostpolitik. In den Beziehungen zu den östlichen Nachbarn wird nun ein wesentlich größeres Gewicht auf die bilateralen Beziehungen als auf die EU-Perspektive gelegt, desgleichen auf die »nationale« Geschichtspolitik, auf eine sehr restriktive Sicherheitspolitik und die Marginalisierung von Fragen der Demokratisierung und der Menschenrechte. Diese Veränderungen ergeben sich aus der Ideologie der Regierungspartei.
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