Ein Museum des Einvernehmens und der öffentlichen Diplomatie: das »Museum für die Polen, die während des Zweiten Weltkrieges Juden gerettet haben – Museum für die Familie Ulma«

Von Piotr Forecki (Adam-Mickiewicz-Universität, Posen)

Zusammenfassung
Der Autor beschreibt den öffentlichen Diskurs über die Rettung von Juden durch die polnische Mehrheitsbevölkerung im von Deutschen besetzten und terrorisierten Polen während des Zweiten Weltkrieges als Geschichte einer Instrumentalisierung. Die begann demnach unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und wird seit einigen Jahren intensiviert. Die polnischen Institutionen vermitteln das Bild einer weitverbreiteten Sympathie und Unterstützung für die Judenrettung in der polnischen Zivilbevölkerung und sehen es als ihre Aufgabe an, dem Bild eines in Polen verbreiteten Antisemitismus mit unterschiedlichen Mitteln entgegenzutreten. Das im März 2016 von Präsident Andrzej Duda eröffnete »Museum für die Polen, die während des Zweiten Weltkrieges Juden gerettet haben – Museum für die Familie Ulma« sieht er als ein »Museum der öffentlichem Diplomatie«, das die Vielfalt der Haltungen der ihrerseits von den Deutschen terrorisierten polnischen Nachbarn gegenüber ihren jüdischen Nachbarn nicht thematisiert.

Die Geschichte des öffentlichen Diskurses über die Judenrettung durch Polen in der Zeit des Holocaust ist im Grunde die Erzählung über ihre Instrumentalisierung. Die begann tatsächlich bereits unmittelbar nach dem Krieg; sodann wurde das Thema jedes Mal aufgerufen, sobald es zu einer Eskalation des Antisemitismus kam oder die Gleichgültigkeit der Polen und ihre Beteiligung am Holocaust beklagt wurden. Aber nach der Debatte, die das Buch »Nachbarn« (poln.: Sąsiedzi, 2000) von Jan Tomasz Gross in Polen hervorrief, entstand ein eigentümlicher Kult um die Polen, die Juden gerettet haben. Es bildete sich ein eigener Zweig in der Erinnerungsindustrie heraus, und im Rahmen verschiedener Initiativen wurde geforscht, um im Scheinwerferlicht die These des verstorbenen Historikers Tomasz Strzembosz zu beweisen, dass die Anzahl der Polen, die vom Institut Yad Vashem in Jerusalem mit der Auszeichnung »Gerechte unter den Völkern« geehrt wurden, gerade mal »die Spitze der Spitze des Eisberges« sei.

Das Ausmaß aller dieser Unternehmungen, die dem Gedenken der Polen dienen, die Juden gerettet haben, mag die Vielzahl der beteiligten Institutionen veranschaulichen: die Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen, das Außenministerium, das Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej – IPN), das Institut für Strategische Studien (Instytut Studiów Strategicznych), das Nationale Kulturzentrum (Narodowe Centrum Kultury), die Polnische Nationalbank (Narodowy Bank Polski), das Komitee für das Gedenken der Polen, die Juden gerettet haben (Komitet dla Upamiętnienia Polaków Ratujących Żydów), die Bildungsstiftung Jan Karski (Fundacja Edukacyjna Jana Karskiego) und die Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung (Fundacja Polsko-Niemieckie Pojednanie). Zusätzlich schlossen sich diesem Engagement usurpatorisch verschiedene rechtskonservative und kirchliche Initiativen an, mit dem Medienimperium von Pater Tadeusz Rydzyk (Thorn/Toruń) an der Spitze, auf dessen Initiative in Thorn eine diesen Polen geweihte Gedenkkapelle entstand. Diese Aufzählung ist mit Sicherheit nicht vollständig, aber sie zeigt bereits, dass arbeitswillige Hände kontinuierlich hinzukommen und die Konkurrenz schon heute groß ist, um nicht zu sagen, dass es ganz einfach voll wird. Doch auf der Landkarte der Initiativen, die den Polen gewidmet sind, die Juden gerettet haben, nehmen zweifellos die Museen eine sehr wichtige Rolle ein, und unter ihnen an erster Stelle das Museum in Markowa, das allein ihnen gewidmet ist.

Die offizielle Eröffnung des »Museums für die Polen, die während des Zweiten Weltkrieges Juden gerettet haben – Museum für die Familie Ulma« fand am 17. März 2016 statt und war ein spektakuläres Medienereignis. Berichtet wurde darüber sowohl in der überregionalen als auch in der lokalen Presse und die Eröffnungsfeier wurde live im Radio und Fernsehen übertragen. Die Initiative, ein solches Museum ins Leben zu rufen, trat bereits im Jahr 2007 in Erscheinung und ging von den lokalen Behörden aus. Sehr schnell allerdings wandelte es sich zu einem führenden Projekt der polnischen Geschichtspolitik, die auf staatlicher Ebene betrieben wird. Die Wahl des Ortes Markowa war kein Zufall. Während des Zweiten Weltkrieges hatte eben in diesem Dorf das Ehepaar Wiktoria und Józef Ulma acht Rettung suchende Juden in sein Haus aufgenommen, und zwar fünf Männer, zwei Frauen und ein Kind. Infolge der Anzeige des polnischen Polizisten Włodzimierz Leś, der der sogenannten blauen Polizei, der polnischen Polizei im Generalgouvernement, angehörte und wahrscheinlich Sachen dieser Juden versteckt hatte und die Aufforderung, sie wieder zurückzugeben, fürchtete, erfuhren die deutschen Militärpolizisten von dem Versteck. In der Nacht des 24. März 1944 kamen sie mit »blauen Polizisten« nach Markowa und ermordeten alle Anwesenden. Gemeinsam mit den versteckten Juden kamen Józef Ulma, seine hochschwangere Frau und ihre sechs Kinder ums Leben. Die Familie Ulma wurde posthum als »Gerechte der Völker« ausgezeichnet. Zurzeit läuft ein Seligsprechungsverfahren, und ihr Todestag wurde in den Kalender der staatlichen Feiertage aufgenommen und wird seit 2018 als »Nationaler Gedenktag für die Polen, die Juden während der deutschen Besatzung gerettet haben«, begangen. Vor allem aber wurde infolge verschiedener, nicht nur diskursiver Aktivitäten aus der Familie Ulma eine symbolische Repräsentation der heroischen Haltung der polnischen Gesellschaft angesichts des Holocaust gemacht. Als angeblich typisch behandelt, eignete sich diese polnische Familie hervorragend für diese Rollenbesetzung, und ihre Familienfotos wurden zum kollektiven Selbstporträt der polnischen Nation.

Es gab Tausende Ulmas

Vor allem Zahlen sollen der polnischen nationalen Gemeinschaft ein gutes Gefühl geben. Bei der Eröffnung des Museums in Markowa, dessen Name bereits darauf hinweist, dass es nicht nur der Familie Ulma oder den Gerechten der Region Vorkarpaten gewidmet ist, sondern den polnischen Judenrettern insgesamt, wurde die Gesamtzahl mehrfach hervorgehoben. Präsident Andrzej Duda sprach in seinem offiziellen Auftritt bei der Eröffnungsfeier unter anderem davon, dass es »Dutzende, Hunderte solcher Familien, Tausende solcher Menschen [gab], die ihr Leben gaben, um ihren Mitbrüdern, Mitbürgern zu helfen«, trotz des präzedenzlosen Todesrisikos »fanden sich Tausende Polen, die der Aufgabe gewachsen waren, Bruder und Mitbürger zu sein. Barmherzige Menschen, aufmerksam gegenüber der Lehre, die uns allen die christliche Religion verkündet: die Lehre der Nächstenliebe«. Das Museum sei »ihrer aller Denkmal«. Die vom Präsidenten genannten Zahlen wurden in der Presse in Schlagzeilen und Texten verbreitet, obgleich auch andere Schätzungen veröffentlicht und mit der Stimme von Experten unterstützt wurden. Über eine deutlich höhere Anzahl als eine Million polnischer anonymer Gerechter, darüber, dass »es nicht weniger als eine Million dieser Polen gab« oder dass die Historiker darin »übereinstimmen, dass die Liste von über 6.500 Polen, die vom Institut Yad Vashem geehrt wurden, natürlich nur die Spitze des Eisberges ist« sprach in einigen Interviews der Historiker und Senator aus der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), Jan Żaryn. Über Tausende solcher Orte in Polen wie Markowa schrieb die Tageszeitung »Nasz Dziennik« und dass es »Tausende Ulmas gab«, verkündete die Wochenzeitung »Gość Niedzielny«. Die Ulmas wurden folglich nicht nur zum »Stolz Markowas« oder »Ruhm der Vorkarpaten«, sondern auch zum »Stolz der Nation« und »Symbol der Aufopferung der Polen«. Die ausgewählten Zitate zeigen bereits deutlich, dass die Familie Ulma in Polen eine Ikone des Diskurses über die Juden rettenden Polen geworden ist und bis heute diese Funktion einnimmt.

Allerdings bestätigt gerade die Fetischisierung der Anzahl der polnischen Gerechten hervorragend ihre politische Instrumentalisierung. Die von dem eisernen Prinzip »je mehr, desto besser« diktierte Logik dient dem nationalen Ego hervorragend, trifft aber gleichzeitig unmittelbar die Gerechten selbst. Die Erzählung vom massenhaften Ausmaß der Hilfe entwertet nicht nur ihr Heldentum, sondern ersetzt auch die individuellen Geschichten durch die trügerische große Erzählung vom kollektiven Heldentum. In dieser Narration werden gewöhnlich die Motive dieses Heroismus übergangen. Damit konfrontiert, sagte Mateusz Szpytma, erster Direktor des Museums in Markowa und aktuell Vizepräses des Instituts für Nationales Gedenken sowie Autor mehrerer Publikationen über die Familie Ulma: »Die Motivationen der einzelnen Menschen waren sehr unterschiedlich, aber meistens hat es sich um uneigennützige Hilfe gehandelt. Nachbarn halfen Nachbarn, Bekannte Bekannten.« Während nur dieses Narrativ im polnischen öffentlichen Diskurs erscheint, kann man auch erfahren, dass auf die Entscheidung, Hilfe zu leisten, auch der tiefverwurzelte polnische Katholizismus, das Gebot der Nächstenliebe wie auch die Tradition der polnischen Konspiration und die Appelle des polnischen Untergrundstaates [während des Zweiten Weltkrieges; d. Übers] Einfluss hatten. Darüber hinaus sei es einfach ein natürlicher Impuls gewesen, Menschen in Not Hilfe zu leisten.

In allen Texten und Kommentaren zu dem Museum in Markowa wird das Phänomen der kostenpflichtigen Hilfsleistungen in ihren zahlreichen Varianten bagatellisiert und werden beschämende und kompromittierende Verhaltensweisen verschwiegen. Mit keinem Wort wurde das Schicksal der Juden erwähnt, deren Mittel verbraucht waren, mit denen sie ihr Versteck bezahlten. Übergangen wurde auch, dass es Kollaborateure, Denunzianten, Erpresser und eine feindselige Umgebung gab. Mit anderen Worten, es wurde fast der gesamte gesellschaftliche Kontext ignoriert, in dem die Juden rettenden Polen handelt mussten. Eine Ausnahme von dieser Regel wurde allerdings für die Figur des »blauen Polizisten« gemacht, der die Familie Ulma an die Deutschen verriet und daraufhin auf Befehl des polnischen Untergrunds erschossen wurde. Ihn hat man allerdings allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur »blauen Polizei« geschickt aus der polnischen nationalen Gemeinschaft ausgeschlossen und außerdem unterstrichen, dass er ukrainischer Herkunft war.

Das, was anlässlich der Eröffnung des Museums in Markowa gesagt wurde, ist im Wesentlichen nicht neu und überraschend. Der Literaturhistoriker und Holocaustforscher Jacek Leociak stellt richtig fest, dass der Diskurs über solche Rettungen zwei Gesichter hat – ein helles und ein dunkles. Das erste ist »die Geschichte über das Heldentum, die Aufopferung, den Altruismus«. Das zweite die »über die Angst vor dem Verrat durch die Nachbarn, über Erpressung, über Gemeinheit«. Und obgleich das eine mit dem anderen eng verknüpft ist, gar unauflöslich, ist es wirksam gelungen, in der dominierenden Narration über die Juden rettenden Polen die dunkle Seite auszulöschen und mit Stolz die ausschließlich helle Seite auszuspinnen. Jeglicher Versuch, beide Seiten zu integrieren, wird in Polen als Missbrauch, Übertretung oder Anschlag wahrgenommen, obwohl das im Grunde am meisten den Gerechten dient. Es erlaubt, zu verstehen und sich vorzustellen, unter welchen Umständen die Hilfe für die Juden erbracht werden musste. Dies steigert und unterstreicht das Heldentum der Polen, ähnlich wie die unbequeme Wahrheit, dass viele Juden »aufgrund individueller Anstrengungen gerettet wurden, gewissermaßen gegen die Gesellschaft, die sich heute rühmt«. Diese Rückseite findet allerdings keinen Platz im polnischen Identitätsimaginarium. Die künstlich herausdestillierte helle Seite des Diskurses über die erteilte Hilfe in Kombination mit der weiter wachsenden Zahl der polnischen Gerechten erlaubt dagegen die herzerfreuende Feststellung, die Präsident Andrzej Duda während der Museumseröffnung so ausgedrückt hat: Wir »Polen können Würde empfinden«. Solange die beiden Gesichter des Diskurses über die Hilfe nicht komplementär werden, bleibt die Geschichte der Gerechten ausschließlich ein Teil des heimischen Märtyrertums und ein handliches Instrument aus dem Bereich des nationalen »Aufbaus einer Marke«.

Dieser eigentümlichen Konstruktion des polnischen Diskurses über die Rettung der Juden ist auch das Museum in Markowa untergeordnet, dessen grundlegendes Ziel es laut offizieller Internetseite ist, »die heldenhaften Haltungen der Polen zu zeigen, die während der Zeit der deutschen Besatzung Juden halfen und dabei ihr Leben und das ihrer Familien riskierten«. Auf der Webseite erfährt man auch: »Das Museum ist eine wichtige Stimme in der Diskussion über die Einstellungen der Polen gegenüber dem Holocaust«.

Das Museumsgebäude wurde von Nizio Design International entworfen und hat die Gestalt eines Klotzes, was an die Bauweise eines Dorfhauses anknüpft. Man kann sich allerdings nicht des Eindrucks erwehren, dass es auch an eine Scheune erinnert. Es sei daran erinnert, dass es in einer Scheune in Jedwabne war, in der im Juli 1941 die polnischen Nachbarn ihre jüdischen Nachbarn angezündet hatten, was Jan Tomasz Gross beschrieb. Im post-Jedwabne-Diskurs symbolisiert die Scheune also mitnichten ein sicheres Versteck und kann vollkommen andere Bedeutungen evozieren. Im Ausstellungssaal nimmt ein gläserner Kubus den zentralen Platz ein, dieser ist ein Modell des Hauses der Familie Ulma im Maßstab 1:1. Es wurden zwei Kammern des Hauses nachgestellt. Ein Wirtschaftsraum, in dem u. a. Werkzeuge zum Gerben gezeigt werden, die Tätigkeit, die Józef Ulma während des Krieges ausübte, und ein Wohnraum, in dem verschiedene Gegenstände der Familie ausgestellt sind, zum Beispiel eine Bibel, Bücher, ein Fotoapparat und ein Schulheft einer der Töchter. Irgendwelche Erinnerungsstücke an die ermordeten Juden bekommt der Besucher allerdings nicht zu sehen. Das ist vielleicht nicht verwunderlich, denn sicherlich erhielten alle ihre Sachen nach ihrem Tod neue Besitzer – die polnischen Nachbarn. Allerdings haben die Autoren der Ausstellung nicht einmal dafür gesorgt, den Dachboden zumindest symbolisch darzustellen, auf dem sich die Familie von Saul Goldman versteckt hatte und wo sie ermordet wurden. Über die jüdischen Erfahrungen des Lebens im Versteck herrscht Stille.

Die ständige Ausstellung baut vor allem auf verschiedenen Quellen und Archivmaterialien auf, das sind Fotografien, Formulare, Dokumente, Zeugnisse und Dokumentarfilme. Die Ausstellungsmacher hatten sich aber nicht entschlossen, jüdische persönliche Zeugnisse einzubringen, die nicht vom polnischen Heldentum, der Opferbereitschaft und Barmherzigkeit zeugen. Solche wiederum fehlen im Museum in Markowa nicht. Die Historiker Jan Grabowski und Dariusz Libionka zeigten akribisch, dass das Problem darin besteht, dass die Ausstellungsmacher wesentliche Dokumente übergingen, beispielsweise den Bericht von Moshe Weltz oder die Aussagen von Jakub Einhorn, Yehudy Ehrlich und Józef Riesenbach. Diesen könnte der Besucher allerdings entnehmen, mit welcher Gefahr vonseiten der ortsansässigen Landsleute es verbunden war, Juden zu verstecken, oder dass die lokale Bevölkerung widerrechtlich Jagd auf Juden machte, die in Markowa und Umgebung Zuflucht suchten, die Juden selbst ermordete oder anderweitig zu ihrem Tod durch die Nationalsozialisten beitrug. Andererseits ist diese bedeutsame Ignoranz auch nicht verwunderlich, denn schließlich soll das Museum in Markowa ja auch nicht der Wahrheit über jene Zeit dienen. Aber wozu soll es dann dienen?

Ein Museum der öffentlichen Diplomatie

Welche Funktionen das Museum in Markowa erfüllen soll und an wen es sich im Wesentlichen richtet, darüber sagt der Sonderbeschluss des Sejm viel aus, der am Vortag der Museumseröffnung per Akklamation verabschiedet wurde. Darin ist unter anderem zu lesen, dass die Abgeordneten die Hoffnung haben, dass das Museum »die staatlichen und Selbstverwaltungsorgane inspirieren wird, weiter der Taten der die Juden rettenden Polen zu gedenken, und dass dieses Wissen auch außerhalb Polens propagiert werden wird«. Dies sei schlicht und einfach geboten, da »die Welt die Realien, wie sie auf polnischem Gebiet während der tragischen Kriegsjahre von 1939 bis 1945 herrschten, nicht kennt und die historische Ignoranz, die wir im Ausland antreffen, den guten Namen unseres Vaterlandes beschädigt«. Im Beschluss steht, dass »die Ehrerbietung für die gerechten Polen gleichzeitig eine deutliche Erinnerung für alle Welt ist, dass im Unterschied zum besetzten Westeuropa auf polnischem Gebiet die Todesstrafe sogar für die geringste Hilfe, die Juden erteilt wurde, drohte«. Es wurde auch nicht versäumt daran zu erinnern, dass »die unwahren Formulierungen ›polnische Vernichtungslager‹ oder ›polnische SS‹ größte Empörung hervorrufen und angeprangert werden müssen«. Gerade deshalb »ist es notwendig, den Kampf mit den negativen Stereotypen und der Verleumdung Polens zu verstärken, wobei die neue Institution helfen wird«.

Dankbarkeit für das »außergewöhnlich berührende Museum« brachte Präsident Andrzej Duda während der feierlichen Eröffnung im Namen der Republik sowie aller seiner Landsleute zum Ausdruck und fügte hinzu, dass Polen, aber auch die historische Gerechtigkeit ein solches Denkmal dringend gebraucht hätten. Der vollständige Text seines Auftritts ist in polnischer, deutscher, englischer und hebräischer Sprache auf der offiziellen Webseite der Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen zugänglich (siehe Dokumentation auf Seite 9–11). Außerdem wurden die Feierlichkeiten anlässlich der Eröffnung des Museums an 18 diplomatische und kulturelle Vertretungen der Republik Polen übertragen, die in 14 Ländern auf vier Kontinenten tätig sind.

Über die Bedeutung des Museums in Markowa und seine Rolle für die Tätigkeit des Außenministeriums sagte der stellvertretende Außenminister Jan Dziedziczak: »Sehr wichtig ist, dass die Wahrheit gefördert wird, denn die wird sich immer verteidigen. Das Museum stellt die wahren Beziehungen zwischen den Polen und den Juden während des Zweiten Weltkrieges dar […]. Das Außenministerium hat sich entschlossen, ein Projekt der öffentlichen Diplomatie in einem vorher nicht bekannten Ausmaß zu realisieren. Dies hat zur Folge, dass die heutige Einweihungsfeier in fast 40 Vertretungen in der ganzen Welt übertragen wurde bzw. auf ein Echo stieß.« Die Fürsorge, die Welt zu informieren, teilte auch der damalige stellvertretende Kulturminister Jarosław Sellin, der seine Anerkennung mit den Worten zum Ausdruck brachte: »Wir haben endlich das erste Museum in Polen, das an die Polen erinnert, die Juden gerettet haben. Manche Historiker schätzen, dass, um so viele Juden zu retten, wie in Polen während der Zeit der deutschen Besetzung gerettet wurden, zirka eine Million Polen in unterschiedlicher Form beteiligt gewesen sein mussten. Die Welt weiß immer noch zu wenig darüber«.

Ähnlich äußerten sich die Lokalpolitiker, die sich für die Eröffnung eines solchen Museums in Markowa engagiert hatten. Alle diese Aussagen, wie auch zahlreiche andere, benennen die Hauptadressaten dieses »Projektes der Politik der öffentlichen Diplomatie« und seine Schlüsselfunktion. Im Gespräch mit der Journalistin des meinungsbildenden Wochenmagazins »Polityka« ließ auch Museumsdirektor Mateusz Szpytma keine Zweifel aufkommen, der sagte, dass es die Aufgabe der von ihm geführten Institution sei, »den falschen Blick im Westen auf Polen als antisemitisches Land« zu verändern.

Seit der Eröffnung des Museums in Markowa wurde in der lokalen und überregionalen Presse laufend über weitere tausende Besucher, die es besichtigten, berichtet und jedes Mal ihre internationale Herkunft unterstrichen. In der Wochenzeitung »Tygodnik Solidarność« wurde zum Beispiel geschrieben, dass infolge ihres Besuches im Museum junge Israelis ihr Verhältnis zu den Polen verändert hätten.

Eine eigens erstellte Version der Ausstellung als Wanderausstellung über die Familie Ulma unter dem Titel »Samariter aus Markowa« war bereits in einigen Städten Polens und auch im Ausland gezeigt worden, bevor das Museum eröffnet wurde, sowie auch noch danach. Im Museum in Markowa wurden in den vergangenen Jahren außerdem verschiedene Sonderausstellungen gezeigt, wobei alle einen gemeinsamen Nenner haben, was bereits ihre Titel ankündigen: »›Vor dem Bösen schrecke ich nicht zurück…‹ Polen, die Juden in der Region Kielce während des Zweiten Weltkrieges geholfen haben«, »Taten, für die es keinen Lohn gibt. Die Gerechten aus Westpommern«. Die unlängst in Polen veranstaltete Nacht der Museen war in Markowa der »Berner Gruppe« gewidmet, das heißt einer Gruppe polnischer Diplomaten in der Schweiz, die während des Zweiten Weltkrieges Juden retteten, indem sie sie mit falschen Pässen ausstatteten. Am effektivsten wurde das Museum über die Familie Ulma als Instrument der Geschichtspolitik im wörtlichen Sinne allerdings während des internationalen Skandals ausgenutzt, der durch den Versuch, das sogenannte IPN-Gesetz zu novellieren (2018), hervorgerufen wurde. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki lud damals ausländische Journalisten nach Markowa ein, um ihnen den polnischen Standpunkt in dieser Angelegenheit zu erläutern. Ungefähr zur selben Zeit kam die Idee auf, eine Filiale des Museums über die Ulmas in New York einzurichten.

Es könnte so erscheinen, als sei bei der Eröffnung des Museums in Markowa alles ganz geradeheraus gesagt worden: Hunderttausende Polen retteten Juden, sie taten das im Allgemeinen uneigennützig, weil sie Katholiken waren, auf die Stimme ihres Herzens oder ihrer Pfarrer oder auf die Direktiven des Untergrundstaates hörten. Nachbarn halfen Nachbarn. – Das Museum in Markowa also als Institution der öffentlichen Diplomatie gegen die im Ausland auftauchenden Stereotype und Verleumdungen, die Polen schaden. Als jedoch ein Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) einen Artikel veröffentlichte und schon im Titel fragte »War die heldenhafte Familie Ulma etwa typisch?« und im Text wiederum die Einschätzung äußerte, dass man es bei der Eröffnung des Museums mit einem speziellen Spektakel unter Beteiligung der neuen Regierung zu tun gehabt habe, sowie die Befürchtung kundtat, dass die Gerechten der Geschichtspolitik untergeordnet würden, zum Schaden für sie selbst, brach ein Donnerwetter über ihn herein. »Finger weg von unseren Helden!«, antwortete ihm der damalige Präses des IPN, Łukasz Kamiński, in einem ebenfalls in der FAZ veröffentlichten Artikel. Über die Unverschämtheit des deutschen Journalisten, den deutschen Revisionismus, den antipolnischen Text wurde damals wahrlich viel in der polnischen Presse geschrieben.

Allerdings ist das, was aus der Ferne prägnant beschrieben wurde, auch ohne Vergrößerungsglas aus der Nähe hervorragend zu sehen. Aber es steht wohl ganz einfach im Einklang mit dem Willen der Mehrheit und ganz bestimmt mit der dominierenden polnischen Narration über die Gerechten, die zwar immer aus den gleichen Klischees zusammengesetzt ist, aber offenbar griffig und brauchbar. Als Reaktion auf noch so subtile Versuche ihrer Entzauberung kommt die Frage, ob denn nicht den Ulmas und anderen vergessenen polnischen Helden, die während des Krieges unter Einsatz ihres Lebens Juden gerettet haben, Ehre und Gedenken gebührten. Eine so gestellte Frage ist effektiv entwaffnend und verschließt den Mund, da sie eine Art moralischer Erpressung ist.

Das Thema der polnischen Gerechten wurde jedoch nicht erst in den letzten Jahren dem Schweigen entrissen, wie so oft zu hören ist. Schon seit langem werden sie in den Kampf um die Erinnerung und die Identität der Polen eingespannt, der – wie Agnieszka Haska darstellt – um die Frage entbrannte, welche Haltung die polnische Gesellschaft unter der Besatzung gegenüber den Juden eingenommen hatte. Die Gerechten dienen als »verpflichtendes Argument bei jeder möglichen Gelegenheit, wenn nur der Anschein eines Verdachts aufkommt, dass nicht alle Polen den Juden geholfen hätten und nicht alle einen blütenweißen Lebenslauf hätten«. Die Gerechten haben aufgehört, Menschen aus Fleisch und Blut mit unabhängigen Biographien zu sein, und wurden zu einer festen Figur im Diskurs über jüdische Themen, ein Argument »dafür« bzw. »dagegen«. Ein Schild und ein Schwert, ein Feigenblatt und ein Visier. Die dominierende Narration ist nichts anderes als ein aus erstarrten Klischees und Phantastereien gewebtes Hausmärchen, das zur moralischen Erbauung geschaffen wurde und seit Jahren erzählt wird. Ständig aktualisiert, dient es ebenfalls hervorragend der nach außen gerichteten Imagepolitik. Zweifellos wurden die Gerechten nach der Jedwabne-Debatte das Schlüsselinstrument der Gegenreaktion, eine griffige Antwort auf unterschiedliche Formen der Mitbeteiligung der Polen am Holocaust, insbesondere weil die Beweise immer mehr wurden. Sie traten gleichzeitig mit den neuen Publikationen von Jan Tomasz Gross, Joanna Tokarska-Bakir, Andrzej Żbikowski und vor allem der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Warschauer Zentrums für Forschungen zur Vernichtung der Juden (Centrum Badań nad Zagładą Żydów) auf. In Markowa ist ein Verteidigungswall errichtet worden. Dort wurde nicht nur das erste Museum – in Polen und weltweit – für die Polen, die Juden gerettet haben, eröffnet, was übrigens mehr als oft betont wurde. In Markowa wurde auch das in der neuesten Geschichte Polens erste Museum des nationalen Einvernehmens eröffnet, eine polnische Institution, auf die anscheinend alle lange gewartet hatten.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

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