Über das Museum
Die Idee, in Markowa ein »Museum für die Polen, die während des Zweiten Weltkrieges Juden gerettet haben – Museum für die Familie Ulma« einzurichten, entstand Ende des Jahres 2007. Am 30. Juni 2008 fasste der Landtag der Woiwodschaft Vorkarpaten (województwo podkarpackie) einstimmig den Beschluss für diese Einrichtung. Im Jahr 2009 wurde beschlossen, dass die Schirmherrschaft für den Bau des Museums das Museum-Schloss Łańcut übernimmt. Das Gelände für den Bau wurde ihm von der Selbstverwaltung der Gemeinde Markowa übergeben. Der Architekt ist Mirosław Nizio. Der Bau des Museums, ausgeführt von der Firma Skanska, dauerte von Oktober 2013 bis Oktober 2015. Das Museum wurde am 17. März 2016 eröffnet.
Das grundlegende Ziel des Museums ist, die heldenhaften Haltungen der Polen zu zeigen, die während der Zeit der deutschen Besatzung Juden halfen und dabei ihr Leben und das ihrer Familien riskierten.
Es ist die in Polen erste Museumseinrichtung, die sich der Thematik der Rettung der jüdischen Bevölkerung in den besetzten polnischen Gebieten während des Holocaust widmet. Die Hauptausstellung zeigt die festgestellten und dokumentierten Fälle der Juden zuteil gewordenen Hilfe auf dem Gebiet der heutigen Woiwodschaft Vorkarpaten. In der Zukunft wird das Museum sein Interesse auch auf andere Gebiete des besetzten Polen richten.
Während der Schwerpunkt auf der mitfühlenden und aufopferungsvollen Haltung der Polen gegenüber dem Leiden der Juden während des Zweiten Weltkrieges liegt, werden unrühmliche Aspekte in den polnisch-jüdischen Beziehungen während der deutschen Besatzung nicht vergessen. Das Museum ist eine wichtige Stimme in der Diskussion über die Einstellungen der Polen gegenüber dem Holocaust.
Die Ausstellung ist allen gewidmet, denen am Dialog und an gegenseitiger Wertschätzung gelegen ist, jedem, der einen kleinen Teil seiner Lokalgeschichte kennen lernen will, die vor dem Hintergrund der tragischen Ereignisse erzählt wird, die Polen und Europa währen des Zweiten Weltkrieges erlebt haben.
Quelle: Muzeum Polaków Ratujących Żydów podczas II wojny światowej im. Rodziny Ulmów. https://muzeumulmow.pl/pl/muzeum/o-muzeum/ (abgerufen am 02.07.2019)
Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate
Die Familie Ulma
Józef und Wiktoria Ulma waren Einwohner des viereinhalbtausend Einwohner zählenden Dorfes Markowa in der Vorkriegswoiwodschaft Lemberg (Lwów) und heutigen Woiwodschaft Vorkarpaten (województwo podkarpackie).
Während der deutschen Besatzung, wohl Ende 1942, gewährten die Ulmas trotz Armut und Gefahr acht Juden Unterschlupf: Saul Goldman und seinen vier Söhnen, deren Vornamen nicht bekannt sind (in Łańcut wurden sie Szall genannt), außerdem zwei Töchtern sowie der Enkelin von Chaim Goldman aus Markowa: Lei (Layce) Didner mit Tochter, deren Vorname nicht bekannt ist, und Geni (Gołda) Grünfeld. Józef und die Männer, die sich bei ihm versteckten, gerbten Häute. Die Tatsache, dass von der Familie Ulma Juden versteckt wurden, teilte den Deutschen wahrscheinlich Włodzimierz Leś mit, ein »blauer Polizist« [Angehöriger der Polizei im Generalgouvernement, d. Übers.] aus Łańcut. Am frühen Morgen des 24. März 1944 kamen fünf deutsche Militärpolizisten sowie einige »blaue Polizisten« zu ihrem Haus. Sie wurden von dem Oberleutnant Eilert Dieken angeführt. Zuerst wurden die Juden ermordet, anschließend Józef und Wiktoria (die im siebten Monat schwanger war). Dann entschloss sich Dieken, die Kinder zu töten.
Zirka zwanzig Juden, die in Markowa versteckt wurden, überlebten.
Im Jahr 1995 wurden Józef und Wiktoria Ulma posthum mit dem Titel Gerechte unter den Völkern ausgezeichnet. Im Jahr 2010 verlieh ihnen der Präsident der Republik Polen, Lech Kaczyński, das Kommandeurskreuz des Ordens der Wiedergeburt Polens. Im Jahr 2003 begann in der Diözese Przemyśl der Prozess der Seligsprechung der Familie Ulma, der gegenwärtig im Vatikan weitergeführt wird.
Quelle: Muzeum Polaków Ratujących Żydów podczas II wojny światowej im. Rodziny Ulmów. https://muzeumulmow.pl/pl/muzeum/historia-rodziny-ulmow/ (abgerufen am 02.07.2019)
Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate
Der Obstbaumgarten des Gedenkens
In unmittelbarer Nähe des Museums in Markowa wurde ein Obstbaumgarten des Gedenkens angelegt, der den Polen gewidmet ist, die in Städten, Kleinstädten und Dörfern auf dem Gebiet des Polen der Vorkriegszeit während der Zeit der deutschen Besatzung unter Einsatz ihres Lebens Juden retteten, die durch den Holocaust zum Tode verurteilt waren. Damit erhielt das Museum für die Polen, die Juden gerettet haben, das ursprünglich als Regionalmuseum geplant war und dessen Ausstellung daher ausschließlich auf Beispiele aus der Region Vorkarpaten beschränkt ist, ein vollständigere Perspektive, die an seinen aktuellen gesamtpolnischen Charakter anknüpft.
Der Obstbaumgarten in Markowa, der nach dem Entwurf von Nizio Design International als integraler Bestandteil des Museums angelegt wurde, knüpft einerseits an die gärtnerische Leidenschaft des Namenspatrons des Museums, Józef Ulma, an und andererseits an den Garten der Gerechten an den Hängen des Bergs des Gedenkens des Instituts Yad Vashem in Jerusalem. Dort wurden unter immergrünen Bäumen Tafeln mit den Namen der Retter und dem ihres Herkunftslandes angebracht. Im Obstbaumgarten in Markowa liegt der Fokus auf der Lokalisierung der Hilfsleistung selbst. Auf den angestrahlten Tafeln stehen eineinhalbtausend Ortsnamen des Gebietes der Zweiten Republik Polen, in denen insgesamt fast siebentausend polnische Gerechte unter den Völkern wirkten. Die Schreibweise der Ortsnamen entspricht der Schreibweise kurz vor Kriegsausbruch. Die Folge ist u. a., dass auf der Liste Ortsnamen auftauchen, die man auf aktuellen Landkarten vergeblich suchen wird. Beispielsweise wird auf einer Tafel der Ort Mokrzyszów genannt, einst ein Dorf und heute bereits ein Stadtteil der Stadt Tarnobrzeg.
Mit der Entscheidung, nur die Orte auszuwählen, in denen polnische Gerechte unter den Völkern gewirkt hatten, wurde bewusst auf viele Orte verzichtet, in denen während der Zeit der Besatzung Menschen Hilfe geleistet hatten, die nicht mit diesem Titel ausgezeichnet worden sind. Dieser reduzierende Eingriff wurde vor allem von praktischen Gründen diktiert, die mit dem Ausmaß der Investition zu tun haben. Außerdem sind die polnischen Gerechten unter den Völkern eine erkennbare, repräsentative und zählbare Gruppe; es war daher relativ leicht, gestützt auf das Material des Museums der Geschichte der Polnischen Juden POLIN, der Botschaft Israels in Polen sowie des Instituts Yad Vashem, eine fundierte, aktuelle Liste für dieses Vorhaben zu erstellen. Deutlich komplizierter in zeitlicher, wissenschaftlicher und räumlicher Hinsicht wäre es, alle Beispiele der polnischen Hilfe für das jüdische Volk zu sammeln. Dies bedeutet nicht im Geringsten, dass die übrigen Helden vergessen wurden. Ihnen ist ebenfalls der Obstbaumgarten des Gedenkens gewidmet, worüber die Einführung auf einer der Tafeln informiert.
Die Dilemmata im Zusammenhang mit der Erstellung der Liste von Orten für den Obstbaumgarten des Gedenkens in Markowa bestärken allein die Überzeugung, dass sich keine vollstände Landkarte zu der geleisteten Hilfe anfertigen lässt. Wir werden nie die Personalien aller Menschen, die Hilfe gewährt haben, kennen. Es bestehen einige Hindernisse, aber das primäre ist zweifellos, dass die Zeit vergeht und die Zeugen der Geschichte weniger werden. Das unvollständige Wissen resultiert vor allem aus der konspirativen Art und Weise der Hilfe; dies begünstigte nicht, die Personalien derer zu erfahren, die sich versteckten bzw. die diesen Hilfe leisteten. Ein anderer Grund für die fehlenden Daten liegt in der Beschränkung der menschlichen Natur begründet; gewöhnlich wird mit der Rettung nur ein Ort verbunden, zum Beispiel der des ständigen Asyls, wo sich die Geretteten aufhielten, oder der Ort, wo sie dem Tod entkamen. Ihre Rettung verknüpfen sie mit einer konkreten Person oder Familie sowie Ortschaft. In den Hintergrund rücken in ihren Erinnerungen andere Orte oder Menschen, die auch dazu beigetragen haben konnten, dass sie überlebten. Die Rolle dieser Dritten ist nicht wahrnehmbar, obgleich die erfolgreiche Rettung häufig die Beteiligung vieler Menschen erforderte – darunter Nachbarn und Bekannte. Ohne das Wohlwollen, zumindest ohne die Zustimmung häufig anonymer Menschen guten Willens wäre das Überleben nicht möglich gewesen. Gerade solche unauffälligen Gesten wie die nachlassende Aufmerksamkeit des Polizisten, der einen Abschnitt des Ghettos bewacht, die Beschaffung eines zusätzlichen Brotlaibes für die Nachbarfamilie, die sich plötzlich um ein Kind eines weitläufigen und niemand bekannten Verwandten vergrößert hat, oder nicht zuletzt, dass die »blaue Polizei« nicht darüber informiert wurde, dass von Zeit zu Zeit Gemüse aus der Scheune verschwindet, erlaubten zu überleben. Sogar diese Entscheidungen erforderten Mut und Aufopferung. Umso mehr, als die gegenteiligen Verhaltensweisen vom deutschen Besatzer prämiert oder erzwungen wurden. Die Folge war die Koexistenz, häufig nebeneinander, eines ganzen Spektrums menschlicher Haltungen – vom Heldentum über Gleichgültigkeit bis hin zu extrem negativen Beispielen für Verhaltensweisen.
Erst das Verständnis der Komplexität der Bedingungen, in denen die polnischen Retter zusammen mit den Geretteten funktionierten, aber auch der Vielschichtigkeit der Verifikations- und Erinnerungsprozesse der Hilfeleistungen erlaubt zu verstehen, was der Obstbaumgarten des Gedenkens in Markowa ist und was er ehrt.
Quelle: Muzeum Polaków Ratujących Żydów podczas II wojny światowej im. Rodziny Ulmów. https://muzeumulmow.pl/pl/muzeum/sad-pamieci/ (abgerufen am 02.07.2019).
Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate