Exposé des Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki vor dem Sejm am 19. November 2019

[Auszüge]

[…]

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds zogen in den Jahren 1990 bis 2016 fast 20 Millionen Menschen aus Ostmitteleuropa in die reichen, europäischen, westlichen Länder. Dieser Trend beschleunigte sich nach dem Beitritt unserer Länder zur Union. Nach Meinung des Fonds bewirkte dieser Wechsel, dass den Ländern Ostmitteleuropas, darunter Polen, Einnahmen verloren gingen. Unser pro-Kopf-Einkommen ist mindestens fünf Prozent niedriger infolge dieser Migration. Das ist ein großer Tribut, den Polen den reichen Ländern des Westens gezahlt hat. Ein solcher Tribut der Armen an die Reichen ist nicht normal. Ein Staat mit hohen Standards muss dies beenden. (Beifall) Aber das Jahr 2018 war das erste Jahr, in dem die Anzahl der Landsleute in der Emigration deutlich zurückging. Nach Polen kehrten zirka 100.000 Menschen zurück. (Beifall)

(Stimme aus dem Saal: Bravo!)

Die Polen packen endlich ihre Koffer aus, anstatt sie zu packen.

Hohes Haus! Ich möchte, dass in der kommenden Regierungsperiode eine große Demographiestrategie entwickelt wird und in Kraft tritt. Wir können in 20 Jahren eine deutlich größere Nation sein.

(Abgeordneter Jan Rutnicki: Genau.)

Die Demographiestrategie und die Strategie der großen Rückkehr, der Rückkehr der Polen ins Vaterland. Aller Polen. Der dramatisch geprüften in früheren Generationen, derjenigen aus dem Osten und derjenigen aus dem Westen. Sie bereichern Polen.

[…]

Zum Schluss einige Sätze über den Stolz auf die Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft und auf die polnische Kultur. Generationen von Polen wurden im Geiste des »Leuchtturmwärters« [poln. Latarnik, d. Übers.] von [Henryk, d. Übers.] Sienkiewicz erzogen, der Novelle über das bittere Los des Emigranten und die Liebe zum Vaterland. Der ständige Blutverlust, Migrationswellen, eine nach der anderen, das ist Polens Drama. Heutzutage kehren die Polen wieder ins Vaterland zurück. Heute endlich kann Polen für Generationen von Emigranten Zukunft und Hoffnung sein, ein Ort der Rückkehr. (Beifall)

(Abgeordneter Dominik Tarczyński: Stolz.)

Und wie sieht man Polen heute von außen? Wir könnten das jeden der 20 Millionen Touristen fragen, die Polen dieses Jahr besuchen. Das ist ein Rekord, der bezeugt, welche Anziehungskraft unser Vaterland hat. Sie nehmen das wahr, was wir allzu oft vergessen. Polen ist ein schönes, interessantes, kulturell reiches Land. Ein Land, auf das wir stolz sein können. Wir wollen auch unsere Landsleute aus der ganzen Welt anziehen. Mit diesem Ziel entstehen Sommerschulen für die Kinder und Jugendlichen der Auslandspolen, damit die kommenden Generationen der Polen, die im Ausland geboren wurden, auf die Frage, wo Polen liege, nicht nur die Stelle auf der Landkarte zeigen können, sondern damit Polen auch in ihren Herzen liegt und in ihren Plänen. (Beifall)

(Abgeordneter Dominik Tarczyński: Bravo.)

[…]

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: Sejm Rzeczypospolitej Polskiej Kadencja IX [Sejm der Republik Polen IX. Wahlperiode]: Sprawozdanie Stenograficzne z 1. posiedzenia Sejmu Rzeczypospolitej Polskiej w dniu 19 listopada 2019 r. (trzeci dzień obrad). Przedstawienie przez prezesa Rady Ministrów programu działania Rady Ministrów z wnioskiem o udzielenie jej wotum zaufania [Stenografisches Protokoll der 1. Sitzung des Sejm der Republik Polen am 19. November 2019 (Dritter Sitzungstag). Vorstellung des Tätigkeitsprogramms des Ministerrates durch den Präses des Ministerrates mit dem Antrag auf Erteilung des Vertrauensvotums]. Warszawa 2019. http://orka2.sejm.gov.pl/StenoInter9.nsf/0/65E0AEB97E76894EC12584B800149932/%24File/01_c_ksiazka.pdf (abgerufen am 28.11.2019).

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Analyse

Die polnischen Migranten in Großbritannien im Kontext des Brexit

Von Michał P. Garapich
Die Entscheidung der britischen Bevölkerung für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union in einem Referendum am 23. Juni 2016 (52 Prozent Ja-Stimmen, 48 Prozent Nein-Stimmen) wurde zu einer der größten politischen Herausforderungen der letzten Jahrzehnte für das Land – manche behaupten sogar seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Kompliziertheit dieser Aufgabe, sowohl der Austrittsbedingungen als auch der Festlegung neuer Regeln für die künftige Zusammenarbeit mit der EU, verschlang auf jeder Seite eine gigantische Menge an Energie, Geld und politischem Atem, und die vorliegende Analyse ist nicht der Versuch, dieses zu rekapitulieren. Vielmehr ist ihr Hauptziel, die polnische Migration und die Situation dieser Minderheit in den Kontext der Ursachen einzuordnen, die zum Brexit geführt haben, und ihre gegenwärtige politisch-rechtliche Situation sowie Zukunftsperspektiven darzustellen. Allerdings lehrt die Erfahrung mit der »Brexit-Story«, dass man mit Zukunftsprognosen vorsichtig sein muss. (…)
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Der Umbau der polnischen Justiz

Von Marta Bucholc, Maciej Komornik
Die seit Ende 2015 in Polen amtierende nationalkonservative Regierungspartei PiS hat faktisch die Gewaltenteilung aufgehoben. Mit einer Welle neuer Gesetze hat sie erst das Verfassungsgericht ausgeschaltet und dann wider die Verfassung nahezu die gesamte Justiz unter die Kontrolle der Exekutive gestellt. Sie hat die Institutionen des Rechtsstaats diskreditiert, ihr nicht genehme Richter aller Instanzen und Gerichtszweige als Mitglieder eines post-kommunistischen Klüngels diffamiert und auf der Basis der neuen Gesetze die Unfolgsamen entlassen. Bei der Berufung der Nachfolger spielt die Regierungspartei erstmals seit 1989 wieder eine zentrale Rolle. Ganz im Sinne der Ideologie der PiS ist an die Stelle pluralistischer Machtverteilung ein starker Staat getreten, der vorgibt, im Namen des Volks zu handeln.
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