Den Landwirten sollte am meisten am Klimaschutz liegen, denn sie spüren die Veränderungen am stärksten. Interview mit Zbigniew Karaczun

Barbara Rogala spricht mit Zbigniew Karaczun

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Barbara Rogala: Wie wird die Landwirtschaft eigentlich vom Klimawandel bedroht?

Zbigniew Karaczun: Die Hauptbedrohung ist in Polen die Trockenheit. Die zweite Gefahr ist das, was wir zurzeit beobachten, es fehlt der Winter und dadurch der Kältereiz für die Wintersaat. Das bewirkt, dass die Ernte der Wintersaat kleiner ausfallen wird. Bei der Wintersaat reden wir vor allem von Getreide, das im Herbst gesät wird, um es früh im Jahr ernten zu können. Eine weitere Gefahr sind neue Krankheiten sowie mehr Krankheiten und Schädlinge, denn sie werden im Winter nicht erfrieren. Außerdem die größere Gefährdung der Ernte infolge von Frösten im späten Frühjahr, denn die Pflanzen treten früher in die Wachstumsphase ein und Fröste im Mai setzen die Pflanzen einem Kältestress aus.

Mit allen diesen Faktoren wird die Instabilität der Produktion einhergehen. Schauen Sie, vor zwei Jahren hatten wir eine enorme Überproduktion im Obstanbau, weshalb es sich nicht auszahlte, das Obst zu ernten. In den Obstplantagen verkam damals ungefähr eine Million Tonnen Obst. Vor drei Jahren dagegen begann die Wachstumsphase ähnlich früh, aber dann kam Frost und die Ernte war dreimal kleiner als im langjährigen Durchschnitt. Das gefährdet sowohl die Preise der landwirtschaftlichen Produkte als auch die Produzenten, denn sie bekommen die investierten Gelder, zum Beispiel im Falle einer Dürre, nicht zurück, und bei Überproduktion können sie wiederum die Ernte nicht verkaufen.

Und welchen Einfluss übt die Landwirtschaft auf die Umwelt aus?

Der Einfluss der Landwirtschaft ist die Bodenzerstörung und die Wasserverschmutzung. Die Landwirtschaft ist im Grunde die größte Quelle für biogene Verbindungen, die ins Wasser geschwemmt werden. Es handelt sich um Phosphor- und Stickstoffverbindungen, die durch den sogenannten Oberflächenabfluss ins Wasser gelangen. […] Das ist eine wesentliche Verschmutzungsquelle.

Man muss insbesondere deshalb darüber sprechen, weil es wirksame Methoden gibt, die man in der Landwirtschaft und in der Flächenplanung einführen kann und die den negativen Einfluss der Landwirtschaft auf das Wasser verringern würden. Vor allem geht es darum, die Streifen mit Baumbestand und Buschwerk entlang der Wasserläufe und an den Uferlinien von Seen stehen zu lassen. Das ist eine sehr wirksame geochemische Barriere, die den Gehalt der Biogene verringert, indem sie das abfließende Wasser reinigt.

Wenn es Methoden gibt, warum werden diese Lösungen gegenwärtig nicht massenhaft in der Landwirtschaft umgesetzt?

Dies erfordert Veränderungen in der Landwirtschaftspolitik sowohl in der Europäischen Union als auch in Polen. Die sehr starke Zerstörung der Böden ist eine der Folgen der bisherigen Politik. Der ökonomische Druck auf die Bauern bewirkt, dass sie auf eine nicht vollständig angemessene Art und Weise produzieren.

Beispielsweise verkürzen sie extrem die Fruchtfolge oder verzichten auf sie, was zur Folge hat, dass der Boden nicht ausruht, sich nicht regeneriert und seine Eigenschaften verliert. Insbesondere, wenn er nicht natürlich gedüngt wird, das heißt mit organischem Dünger oder Kompost. Außerdem der Druck, die landwirtschaftliche Produktion zu trennen – Pflanzen und Tiere –, das hat ebenfalls einen sehr negativen Einfluss auf den Boden, denn wir verlieren den Mist als natürlichen Dünger.

Im Rahmen des europäischen »Green Deal« führt die Europäische Union eine ganze Strategie für die Landwirtschaft ein, und zwar »vom Feld bis auf den Tisch«. Worauf wird sie beruhen?

Ich hoffe, das wird der Anfang von Veränderungen in der Herangehensweise der Europäischen Union an die Landwirtschaft sein. Heute stellt sich heraus, dass die bisherigen Instrumente der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU bei der Lösung der Mehrheit der Probleme des europäischen ländlichen Raumes und der europäischen Landwirtschaft nicht wirksam waren.

Zurzeit sind der Hauptmechanismus zur Unterstützung der Landwirte die Direktzahlungen. Die Landwirte bekommen Geld allein dafür, dass sie landwirtschaftliche Nutzflächen besitzen. Die Folge ist, dass in Polen 74 Prozent der Zuzahlungen 20 Prozent der Landwirte erhalten. In der EU ist diese Diskrepanz noch größer – 80 Prozent der Bauern erhalten weniger als 20 Prozent aller Zuzahlungen.

In der gesamten EU dauert die Entwicklung an, dass kleine Höfe ihren landwirtschaftlichen Betrieb einstellen. Seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union [im Jahr 2004, d.Übers.] bis heute sind in Polen ungefähr eine halbe Million landwirtschaftlicher Betriebe verschwunden oder haben ihre Tätigkeit aufgegeben – das ist sehr viel. Im Ergebnis werden die Dörfer veröden, und es entwickelt sich etwas, was schwerlich Landwirtschaft genannt werden kann – die industrielle Produktion von Tieren und Pflanzen, bei der die Umwelt extrem zerstört wird.

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Ist die polnische Landwirtschaft auf die Klimaveränderungen vorbereitet?

Ich denke, nein. […] Wir fangen erst an, uns darüber Sorgen zu machen und darüber zu diskutieren. Polen hat jetzt ein Programm zur Anpassung an den Klimawandel, aber es ist nur für die großen Städte detaillierter ausgearbeitet, während uns ein strategischer Anpassungsplan für die Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete fehlt. Es fehlt auch ein strategischer Plan, wie die Landwirtschaft zu unterstützen und zu beeinflussen sei, damit sie ihre Emissionen reduziert und sich am Klimaschutz beteiligt.

Was die rechtliche Seite betrifft – die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ist notwendig, denn bisher wurden die Probleme von der EU nur wenig wahrgenommen und nicht wirksam gelöst. Gleichzeitig wächst das ökologische Bewusstsein der Bauern: Sie wissen, dass sie schon heute die Opfer der Folgen des Klimawandels sind und aus diesem Grund bereits leiden und dass ihre Einnahmen sinken.

Sollte das dann nicht von Polen prioritär behandelt werden?

Ja, das sollte ab jetzt Priorität haben. Manchmal wird davon gesprochen, dass eine Versicherung gegen Dürre eingeführt werden sollte, allerdings wird dies wohl kein Versicherungsunternehmen anbieten, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Dürre eintreten wird, liegt zurzeit bei 75 bis 90 Prozent. Die Landwirte müssen fordern, dass andere Lösungen gesucht werden.

Es wird viel darüber gesprochen, dass in Polen viele Dinge gemacht werden, die Trockenheit begünstigen. Ist das wirklich so?

Das stimmt, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine sehr intensive Bodenverbesserung betrieben. Nach dem Krieg war das Land ausgehungert, es musste ein größtmögliches Areal für die Produktion gewonnen werden, daher wurde trockengelegt, wo es nur ging. Leider wurde das in den vielen folgenden Jahrzehnten fortgesetzt. Eine Folge ist, dass sich der Wasserzufluss in die Ostsee stark beschleunigt hat. Das Niederschlagswasser geht sehr schnell in die Meliorationsgräben ein, mit diesen Gräben wird es den Flüssen zugeführt und fließt sehr schnell ins Meer.

Heute ist die Hauptherausforderung angesichts des Klimawandels, die Zeit zu verlängern, in der das Wasser im natürlichen Kreislauf gespeichert ist. Die Wichtigste ist jetzt, die natürlichen Feuchtgebiete, die trockengelegt wurden, wiederherzustellen, die Torfmoore zu erhalten und zu bewässern, denn das sind die größten Wasserspeicher, weil sie das Wasser über eine sehr lange Zeit halten. Wir müssen jetzt das Wasser auf den landwirtschaftlichen Flächen so lange wie möglich halten, um den Zeitpunkt seines Abflusses in die Ostsee hinauszuzögern. Denn wenn es dort hingelangt, verlieren wir es unumkehrbar für die Landwirtschaft und die Wirtschaft.

Aber wird denn der einzelne Landwirt nicht meinen, dass es sich für ihn nicht auszahlt, Feuchtwiesen zu schützen oder dem Wasser zu erlauben, auf seinem Feld in den Boden zu versickern?

Die Landwirte tragen zurzeit die größten Schäden gerade infolge von Dürre. Das Wasser im Boden zu halten, das Wasserniveau in den Meliorationsgräben zu heben, Anbaupraktiken einzuführen, die mehr Wasser im Nährboden halten, das sind Methoden, die auf landwirtschaftlichen Nutzflächen angewendet werden können und den Landwirten Nutzen bringen werden. Das wird die Widerstandsfähigkeit der Agrosysteme gegen die Folgen der Trockenheit stärken – und das ist momentan die wichtigste Herausforderung, denn Wasser gibt es zurzeit sehr wenig.

Es kann auch sein, dass der Bauer einen Teil des Feldes oder der Wiese ausgliedern muss, um einen Teich, ein Becken, ein Torfmoor oder ein Feuchtgebiet anzulegen. Der Ansatz wäre, dass er eine Entschädigung dafür bekäme, dass er diesen Teil des Feldes nicht bestellen kann. Es gibt in der Europäischen Union im Rahmen der Landwirtschafts-, Umwelt-, Wasserzahlungen ein solches Instrument – man kann dafür dem Landwirt etwas zahlen. Es geht allerdings darum, dass diese Zahlungen dem Eigentümer nicht nur den Einkommensverlust ausgleichen, sondern dass sie auch einen Anreiz geben – auch einen finanziellen –, dass er das macht. Denn dank einer solchen Maßnahme leistet er einen Dienst am Ökosystem, er vergrößert die Widerstandskraft Polens gegenüber der Trockenheit.

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Inwieweit wird die von der EU geplante Transformation der Landwirtschaft die Bauern unterstützen?

Ich erwarte nicht, dass im Rahmen dieser Reform bereits in den nächsten Jahren irgendwelche radikalen Tätigkeiten einsetzen werden, es ist aber eine Richtung, die unterstützt werden sollte. Auch wenn ein Teil der ökologischen Bewegungen und ein Teil der Wissenschaftler, der sich mit der Landwirtschaft befasst, sagen, dass die Landwirtschaftspolitik der Europäischen Union eine Revolution erfordert und nicht eine Evolution, fürchte ich, dass wir dafür politisch nicht bereit sind. Die Veränderungen werden sicherlich nicht so radikal sein, sie werden diese Richtung unterstützen, aber sie werden nicht bewirken, dass sich die Landwirtschaft in fünf Jahren komplett verändert haben wird.

Aber ist es nicht notwendig, die Landwirtschaft mit aller Kraft auf neue Gleise zu setzen?

Wir haben eine Lobby großer landwirtschaftlicher Produzenten, die jedwede Veränderungen massiv blockieren werden. Deshalb wird es schwierig werden, sie zu vollführen. Auch politisch ist das ein recht sensibler Sektor – daher denke ich, dass es eher eine langsame Evolution werden wird als eine radikale Veränderung.

Ist das aus der Perspektive der Klimaneutralität nicht zu langsam?

Ich fürchte, ja. Bedenken Sie, dass man die Landwirtschaft global betrachten muss. Diese Prozesse betreffen auch Landwirte, die in heißen oder tropischen Bereichen leben. Dort kann der Temperaturanstieg so stark werden, dass dort nichts mehr angebaut werden kann. Das kann die Zahl der Konflikte um Wasser, Ressourcen und Lebensmittel vergrößern. […]

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: To rolnikom powinno najbardziej zależeć na ochronie klimatu, bo najmocniej odczują zmiany – wywiad z dr Zbigniewem Karaczunem Barbara Rogala. http://300gospodarka.pl/300klimat/2020/02/14/to-rolnicy-najmocniej-ze-wszystkich-odczuja-skutki-zmian-klimatu-wywiad-z-dr-zbigniewem-karaczunem/ (abgerufen am 27.04.2020)

Erlaubnis für Übersetzung und Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Portals 300Gospodarka.pl.

Dr. habil. Zbigniew Karaczun ist Professor am Lehrstuhl für Umweltschutz an der Warsaw University of Life Sciences – SGGW (Szkoła Główna Gospodarstwa Wiejskiego w Warszawie). Seine Forschungsschwerpunkte sind Umweltschutzmanagement, die Politik der Nachhaltigkeit, die Europäisierung der ökologischen Politik Polens, die Einwirkungen der Industrie auf die Umwelt, insbesondere auf die Agrosysteme.

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