Die Geste Willy Brandts
Als Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Dezember 1970 Polens Hauptstadt Warschau besuchte, war der Anlass die Unterzeichnung eines Abkommens, das den langen Titel »Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen« trug und mit dem beide Staaten nicht nur erstmals diplomatische Beziehungen aufnahmen, sondern die Bundesrepublik auch die Grenze an Oder und Neiße anerkannte. Bevor Brandt jedoch gemeinsam mit Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz das lange verhandelte Vertragswerk unterzeichnete, wollte er symbolische Zeichen setzen. Zunächst besuchte er das Grabmal des Unbekannten Soldaten unter den erhalten gebliebenen Arkaden des Sächsischen Palais, das im Dezember 1944 von den Deutschen gesprengt worden war. Dann ließ er sich mit seinen Begleitern zum Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos fahren. Es erinnerte seit 1948 an den Aufstand der Jüdinnen und Juden fünf Jahre zuvor im zynisch »jüdischer Wohnbezirk« genannten, abgeriegelten und ausgehungerten Stadtteil. Hier legte er einen Kranz nieder. Was dann geschah, ist seither unzählige Male erzählt worden: Der Kanzler fiel auf die Knie und senkte den Kopf. Alle, die mit ihm zum Denkmal gekommen waren, verstummten, so unerwartet, so unerhört war diese Geste. Fotos und Filmaufnahmen von diesem Kniefall gingen um die Welt. Eine Bildikone war entstanden, ein Symbol von größter Wirksamkeit, das gleich mehrere Leerstellen im bundesdeutschen Erinnern füllte, weil es gleich für zwei Annäherungsprozesse stand oder hätte stehen können – für die deutsch-polnischen und für die deutsch-jüdischen Beziehungen.
Natürlich, auch der Warschauer Vertrag war wichtig. Er regelte die Beziehungen zwischen Westdeutschland und Polen und ermöglichte den Übergang in eine Phase, die nun »Normalisierung« genannt wurde. Noch am selben Tag sagte Brandt in einer Rundfunk- und Fernsehansprache aus der polnischen Hauptstadt: »Der Vertrag von Warschau soll einen Schlussstrich setzen unter Leiden und Opfer einer bösen Vergangenheit. Er soll eine Brücke schlagen zwischen den beiden Staaten und den beiden Völkern.«
Tatsächlich schlug der Vertrag viele Brücken und stärkte die bereits bestehenden Verbindungen zwischen den beiden Gesellschaften. Er führte zu einer Intensivierung offizieller Kontakte und zu verstärkten gesellschaftlichen Beziehungen. Doch im Bildgedächtnis blieb der Kniefall. Die New York Times berichtete noch am selben Tag: “The drama of the signing of the Polish–West Germany treaty today was almost overshadowed earlier in a touching incident at a memorial to the Jews who died in the Warsaw ghetto under the Nazi occupation.” Eigentlich kein Wunder, denn die Fotos von der Vertragsunterzeichnung, auf denen viele ältere Herren in schwarzen Anzügen zu sehen waren, ähnelten anderen Vertragsunterzeichnungen jener Jahre zum Verwechseln.
Die Außerordentlichkeit von Brandts Geste am Ghetto-Denkmal schrieb sich in das Bildgedächtnis Deutschlands und der deutsch-polnischen Beziehungen ein. Der vor dem Denkmal kniende Kanzler ist quasi selbst zum Denkmal geworden, zu einem viel beschworenen Symbol für einen epochalen Umbruch im bilateralen Verhältnis, für den neuen Respekt, den Deutschland Polen zollte.
Willy Brandts Kniefall vor einem Denkmal ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte vielfach erinnert worden, bis er sogar selbst ein Denkmal erhielt: Eine drei Meter hohe, ausgesprochen schlichte Ziegelwand mit einem Bronzerelief wurde am 6. Dezember 2000 von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsident Jerzy Buzek unweit des damaligen Schauplatzes enthüllt. Doch damit nicht genug: Bereits 1997 war in Dortmund Gerhard Rosenfelds Oper Kniefall in Warschau uraufgeführt worden (Brandt singt im Bariton), und zum 50. Jahrestag folgen nun, 2020, zwei weitere offizielle Zeichensetzungen. Im Oktober ist eine bundesdeutsche 2-Euro-Sondermünze erschienen, auf der Brandt vor dem Denkmal kniend zu erkennen ist. Im Vordergrund ist deutlich eine Menora zu sehen, die tatsächlich zum Denkmalensemble in Warschau gehört, auf den Fotos von 1970 aber – anders als in den Filmaufnahmen – nicht zu sehen ist. Damit wird das der Brandtschen Geste immanente deutsch-polnisch-jüdische Dreiecksverhältnis stärker betont, als es von vielen Zeitgenossen gesehen worden ist. Dagegen zeigt die im Dezember 2020 erscheinende deutsche 110-Cent-Sonderbriefmarke lediglich Willy Brandt auf regennassen Steinplatten und einen Teil des von ihm abgelegten Kranzes.
Gesten der deutsch-polnischen Beziehungen
Nur wenige Bildmotive haben sich als ikonische Gesten in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen etabliert. In beiden Ländern bekannt sind vor allem Darstellungen aus dem Zweiten Weltkrieg: Deutsche Soldaten am Grenz-Schlagbaum bei Danzig im September 1939 – ein bekanntlich nachgestelltes Foto – oder das Schulschiff »Schleswig-Holstein« mit seinen Schüssen auf die Westerplatte. In Polen kennt man noch viel mehr kanonische Bilder aus dem Krieg, aber nur die wenigsten sind in Deutschland ebenso ins Zentrum der Erinnerung gerückt, noch sind sie Pflicht-Bebilderung aller Schulbücher geworden. Aus der Zeit nach dem Krieg bleibt neben Brandts Kniefall allenfalls die Versöhnungsmesse im Kopf, die Helmut Kohl und Tadeusz Mazowiecki im November 1989 im niederschlesischen Krzyżowa (dt. Kreisau) feierten. Kohls unbeholfene Umarmung seines polnischen Amtskollegen während des Gottesdienstes gilt als Symbol größter Empathie, die deutsche Staatsmänner jemals Polen entgegengebracht haben.
In späteren Jahrzehnten wurden die Bilder beliebiger: Entweder waren die Anlässe dramaturgisch nicht für das »besondere Foto« geeignet, nämlich die Unterzeichnungen der Grundlagenverträge von 1990 (Grenzvertrag) und 1991 (Nachbarschaftsvertrag), oder die Gesten ähnelten sich aufgrund der begrenzten zur Verfügung stehenden symbolischen Formensprache: Kranzniederlegungen, Ansprachen, Besuche an Orten deutscher Verbrechen. Bei aller Relevanz, die die Akkumulation solcher Handlungen dafür hat, bilaterale Beziehungen zu festigen und medial zu verankern – große, unvergleichliche Gesten sind offensichtlich nur schwer planbar oder verdanken sich, wie jener berühmte Händedruck Helmut Kohls und François Mitterands in Verdun 1984, besonderen historischen Umständen. Oder sie entziehen sich, wie der Brief der polnischen Bischöfe von 1965 an ihre deutschen Amtsbrüder, jeder bildlichen Darstellung.
Es ist tatsächlich interessant, dass der vielbeschworene Versöhnungsprozess zwischen Deutschland und Polen kaum zentrale Gedenkorte hervorgebracht hat, die für beide Seiten von vergleichbarer emotionaler Relevanz sind. Selbst das ästhetisch wenig bemerkenswerte Kniefall-Denkmal in Warschau bezieht seine Bedeutung letztlich aus dem in Deutschland ungleich bekannter gewordenen Bildmotiv und hat auch aufgrund der Tatsache, dass Brandt vor einem Denkmal für jüdische Opfer kniete, nicht für alle Bürgerinnen und Bürger des heutigen Polen eine identitätsrelevante Rolle. Ein anderer vielfach mit symbolischer Bedeutung aufgeladener Ort, die Jugendbegegnungsstätte Kreisau, ist zu allererst ein Ort deutscher Geschichte, der seit 1945 in Polen liegt und heute der Völkerverständigung dient. Die KZ-Gedenkstätten wiederum lassen zwar weder Polen noch Deutsche unberührt, sind aber nur selten Orte, an denen sich die Erinnerungskulturen und -bedürfnisse beider Gesellschaften harmonisch ergänzen.
Doch wenn man eine Ebene tiefer sucht, so findet man zahlreiche Orte, an denen deutsch-polnischer Geschichte gedacht wird: Es gibt sie in Deutschland und in Polen zu Hunderten. In Polen sind es insbesondere Gedenksteine oder Tafeln, die an das einstige Zusammenleben von Deutschen und Polen erinnern oder an die einstigen deutschen Bewohner heute polnischer Orte. So gibt es zum Beispiel im pommerschen Drawno (dt. Neuwedell) einen »Stein der deutsch-polnischen Versöhnung«, der von den ehemaligen deutschen Einwohnern gemeinsam mit der polnischen Stadtverwaltung 1999 eingeweiht wurde, wobei das alte Kriegerdenkmal für den Ersten Weltkrieg einfach eine neue Tafel erhielt. In Nieszawa (dt. Nessau) an der Weichsel steht seit 2004 ein Denkmal für die polnischen und deutschen Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, mit der zweisprachigen Aufschrift »Wir vergeben und bitten um Vergebung«. Neben dem Denkmal wächst ein »Freundschaftsbaum«, eine von einem deutschen Mädchen und einem polnischen Jungen gemeinsam gepflanzte Eiche.
Auch Protagonisten von Annäherung und Versöhnung können zu Erinnerungsträgern werden, etwa Kardinal Bolesław Kominek, Initiator des Bischofsbriefs von 1965, an den seit 2005 auf der Breslauer Sandinsel ein Denkmal erinnert, ebenfalls mit der zweisprachigen Aufschrift: »Wir vergeben und bitten um Vergebung.«
In Deutschland wiederum gibt es mehr als Tausend Denkmäler und Gedenkorte, die an Polinnen und Polen und ihr Leid im Zweiten Weltkrieg erinnern. Teils entstanden sie schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Gedenken an die ermordeten und gestorbenen Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge, wobei meist polnische Überlebende selbst die Urheber waren. Dazu gehören beispielsweise das polnische Ehrenmal auf dem Dortmunder Hauptfriedhof oder das polnische Denkmal auf dem Friedhof an der Wollhaustraße in Heilbronn. Teils sind es später entstandene Gräberfelder, etwa im hessischen Brandau, für deren Entstehen oft der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge verantwortlich war. Vielfach wird auch in Zusammenhang mit der Vertreibung und Ermordung von Jüdinnen und Juden an polnische Opfer erinnert, zum Beispiel in Hamburg Altona, wo seit 1987 ein Denkmal für die 800 Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit steht, die im Oktober 1938 im Zuge der »Polenaktion« von NS-Deutschland nach Polen deportiert wurden. Schließlich hat die DDR für eine Reihe großer Denkmalanlagen gesorgt, die im Geist sozialistischer Verbundenheit an gefallene Polen erinnern. Am bekanntesten ist das 1972 von Erich Honecker eingeweihte Denkmal des polnischen Soldaten und des deutschen Antifaschisten in Berlin-Friedrichshain.
Auch wenn an manchen dieser Denkmäler und Gedenkorte Versöhnungsgesten stattfinden und Deutsche und Polen sich begegnen, fehlt bislang an zentraler Stelle in Deutschland und Polen ein Ort, der prominent an Geschichte, Verständigung und Versöhnung zwischen beiden Ländern erinnern würde. In Berlin könnte ein solcher in den nächsten Jahren entstehen, nachdem nun der Bundestag nach langen Diskussionen im Vorfeld am 30. Oktober 2020 einen »Ort des Erinnerns und des Gedenkens« beschlossen hat. Er soll nicht nur eine symbolische Geste sein, sondern auch ein Ort der Dokumentation, Begegnung und Bildung. Auf der symbolischen Landkarte Warschaus gibt es bislang nur die »Deutsch-polnischen Gärten« am Weichselufer im Stadtteil Praga-Süd, eine Initiative, die ihren Ausgang in der deutschen Botschaft nahm und mittlerweile zahlreiche Freunde und Förderer hat. Außerdem möchte die Krefelder Adalbert-Stiftung, wie sie im Sommer 2020 mitteilte, in Warschau ein schlankes Denkmal errichten, das an den polnischen Beitrag zum Fall der Berliner Mauer erinnert.
Der Journalist und Publizist Adam Krzemiński hat nun einen weiteren Vorschlag gemacht: Ihm schwebt ein symbolischer »Bogen der Erinnerung« vor: Neben dem geplanten »polnischen Ort« in Berlin solle in Warschau ein Museum der deutsch-polnischen Beziehungen entstehen, um so die beiden Städte auf ähnliche Weise zu verbinden wie die Luftbrückendenkmäler die Flughäfen in Frankfurt am Main und Berlin-Tempelhof.
Polens bilaterale Beziehungen in Gesten, Ritualen und Gedenkorten
Insgesamt gilt Polen als ein Land, das Denkmälern eine wichtige Rolle in der Erinnerungslandschaft zuweist. So sind seit dem Tod von Johannes Paul II. im ganzen Land mehr als 700 Denkmäler und Gedenktafeln für den »polnischen Papst« entstanden. Und 2018 wurden in Polen bereits rund 40 Denkmäler für die Opfer des Flugzeugabsturzes bei Smolensk im Jahr 2010 gezählt sowie zusätzlich mehr als 400 Gedenksteine, -tafeln, -obelisken, -bäume und -kreuze, die an die Katastrophe mit knapp einhundert tödlich verunglückten Personen des öffentlichen und politischen Lebens erinnern.
Auf welche Weise sind in Polen aber andere Nachbarländer als Deutschland symbolisch präsent, und welche Versöhnungsgesten haben sich dem kollektiven Gedächtnis eingeprägt?
Polen hat mit fast allen seinen Nachbarländern historisch mehr oder weniger stark belastete Beziehungen. Deshalb nimmt die Symbolpolitik bis heute eine wichtige Rolle ein. Während man in der sozialistischen Zeit etliche geschichtlich begründete Streitfelder nicht offen thematisieren konnte, waren es vielfach polnische Exilkreise gewesen, die sich am intellektuellen und symbolischen Brückenschlag in Länder wie Litauen oder der Ukraine versuchten. Nach der Systemtransformation folgten in der Regel rasch bilaterale Verträge, welche die Beziehungen zu den alten oder neuen Nachbarstaaten auf neue Grundlagen stellten. So verhielt es sich zum Beispiel im Fall der polnisch-litauischen Beziehungen.
Litauen: gemeinsame Geschichte, die Überwindung von Konflikten und ein Denkmal in Sejny
Der Vertrag über freundschaftliche Beziehungen und gut-nachbarschaftliche Zusammenarbeit wurde am 26. April 1994 vom polnischen Präsidenten Lech Wałęsa bei einem Besuch in Wilna unterzeichnet. Es folgten weitere symbolische Gesten, etwa die Tatsache, dass die erste Auslandsreise des gerade gewählten Präsidenten Aleksander Kwaśniewski 1996 in das kleine Nachbarland führte, mit dem Polen eine jahrhundertelange Geschichte teilt. Aus diesem Grund gibt es auch gemeinsame historische Ereignisse zu feiern. Mehrfach hat zum Beispiel das litauische Parlament den 3. Mai, den polnischen Nationalfeiertag, auch zu einem litauischen Feiertag erklärt, wurde an diesem Tag im Jahre 1791 doch eine Verfassung für den Polnisch-Litauischen Staat beschlossen. 2007 trafen sich aus diesem Anlass sogar beide Parlamente zu einer gemeinsamen Sitzung. Ein anderer gemeinsamer Erinnerungsort ist die Schlacht bei Tannenberg 1410, als es den vereinigten Heeren Polens und Litauens gelang, den Deutschen Orden zu schlagen. Runde Jahrestage dieser Schlacht sind immer wieder Anlass zu Feierlichkeiten, und so fanden sich am 15. Juli 2020 auf den Schlachtfeldern bei Grunwald (so der polnische Ortsname) die Präsidenten Litauens und Polens ein, um im Beisein des aktuellen Hochmeisters des Deutschen Ordens einen übermannshohen Gedenkstein mit der zweisprachigen polnisch-litauischen Inschrift »Von der litauischen Nation für den gemeinsamen Sieg« zu enthüllen. Bilder von großer Symbolwirkung und kanonischer Kraft sind allerdings bei all diesen Ereignissen nicht entstanden.
Wenn man nach Denkmälern sucht, die an die historischen Beziehungen und den Versöhnungsprozess zwischen Polen und Litauen erinnern, so gibt es zwar zahlreiche historische Orte, an denen gemeinsame Geschichte geschrieben wurde. In Lublin erinnert ein am Litauischen Platz (Plac Litewski) gelegenes Denkmal schon seit 1826 an die Lubliner Union, und hier empfing 2019 Präsident Andrzej Duda die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė zum 450. Jahrestag der Realunion zwischen Polen und Litauen. Doch der polnisch-litauischen Versöhnung an sich ist ein Denkmal gewidmet, das erst 2019 im polnischen, direkt an der Grenze zu Litauen gelegenen Sejny entstand. Anlass war der 100. Jahrestag des »Aufstands von Sejny« 1919, als Polen die litauische Besetzung der Gegend mit Waffengewalt beendeten. An diesen Konflikt, einen der vielen, die das Verhältnis zwischen beiden Staaten für Jahrzehnte vergiften sollten, erinnert nun auf dem Marktplatz des Städtchens eine Gedenktafel mit der zweisprachigen polnisch-litauischen Aufschrift »Versöhnung ist eine Entscheidung«.
Dennoch belasten die historischen Konflikte die Gegenwart nach wie vor. Hier sind kleine Schritte wichtig, die manchmal für viel Aufsehen sorgen und symbolisches Eis brechen lassen. Besonders wichtig war, dass 2004 auf Anregung des damaligen litauischen Präsidenten in Litauen lebende Veteranen der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) und solche der an deutscher Seite gegen die Heimatarmee kämpfenden litauischen Plechavičius-Einheiten und Schutzmannschaften eine gemeinsame Erklärung unterzeichneten: »Es sind 60 Jahre seit dem Moment vergangen, in dem wir Feinde waren. Heute stellen wir fest, dass die Geschichte die Probleme gelöst hat, deretwegen wir gegeneinander gekämpft haben.« Im Jahr darauf trafen sich Vertreter beider Verbände in zwei litauischen Dörfern, in denen jeweils Polen und Litauer Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen hatten.
Tatsächlich wird angesichts der vielen Kontakte und Gesten, die oft auf gemeinsame historische Erfahrungen zurückgreifen, der Versöhnungsprozess mit Litauen in der polnischen Politik kaum mehr in Frage gestellt, zumal dieser auch durch die Zusammenarbeit und ähnliche Interessen in der Europäischen Union und in der Politik gegenüber Russland und Belarus gestützt wird. Bilder und Gesten können diese Nachbarschaft weiter intensivieren, selbst wenn die Behandlung der polnischen Minderheit in Litauen immer noch ein gewisses Konfliktpotential birgt. Ganz anders verhält es sich in den Beziehungen zur Ukraine.
Ukraine: viele Reden, viele Gesten, immer wieder neue Anläufe zur Versöhnung
Der Vertrag zwischen Polen und der Ukraine über gute Nachbarschaft, freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit stammt bereits vom 18. Mai 1992. Doch lange blockierten die dramatischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts den Verständigungsprozess, insbesondere die blutige ethnische Säuberung Wolhyniens und Ostgaliziens durch ukrainische Nationalisten 1943/44 und die ebenfalls blutigen, wenn auch nicht so umfangreichen Gegenmaßnahmen durch die polnische Heimatarmee. Um den Fatalismus immer wieder erneuerter gegenseitiger Schuldzuweisungen zu durchbrechen, sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Versuche unternommen worden, durch symbolische Handlungen die Wunden der Geschichte zu heilen. Wenn man in der Google-Bildersuche mit den polnischen Worten für »Polen Ukraine Versöhnung« stöbert, so stößt man neben zahlreichen einander an der Hand haltenden Politikern beider Länder und niedergelegten Kränzen auf viele religiöse Ereignisse. Tatsächlich sind es mehrfach hohe Kirchenvertreter gewesen, die beide Nationen zur Versöhnung aufriefen. Als besonders wichtig in diesem Kontext gilt die Reise Johannes Pauls II. im Juni 2001 in die Ukraine, wo er bei einer Messe in Lemberg sagte: »Möge die erteilte und die erhaltene Vergebung sich wie ein wohltätiger Balsam in jedem Herzen verströmen. Mögen durch eine Reinigung des historischen Gedächtnisses alle bereit sein, das höher zu stellen, was vereint, als das, was teilt«. Großerzbischof Lubomyr Husar, das Oberhaupt der Griechisch-Katholischen Kirche in der Ukraine, erwiderte: »Möge die schreckliche Vergangenheit unser Leben nicht belasten und vergiften«.
Vier Jahre später nahmen sich die griechisch-katholischen Bischöfe der Ukraine und ihre römisch-katholischen Amtskollegen aus Polen ein Beispiel an der polnisch-deutschen Versöhnungsgeschichte und schrieben: »Damit unser Gebet über alle Maßen fruchtbar sein möge, lasst uns einander die Worte sagen: ›Wir vergeben und bitten um Vergebung‹ – schließlich haben sie bereits ihre historische Kraft im Werk der Völkerversöhnung (vgl. Brief der polnischen an die deutschen Bischöfe, Rom 1965).«
Dieser Aufruf erfolgte wenige Tage bevor am 24. Juni 2005 der renovierte Friedhof der Lemberger Adlerjungen (Cmentarz Orląt Lwowskich) neu eröffnet wurde: Nach jahrelangen Auseinandersetzungen um die Gestalt dieser pathetischen Anlage, die an die im Kampf um Lemberg 1918/19 gefallenen Polen erinnert, nahmen nun die Präsidenten Aleksander Kwaśniewski und Viktor Juschtschenko mit großem Gefolge an der Zeremonie teil. Kwaśniewski sagte bei dieser Gelegenheit: »Mögen Orte der Erinnerung und der Reflexion zu Orten der Hoffnung und der Verheißung werden. (…) Vor allem für die neuen, kommenden Generationen.«
Dennoch stellte sich die Geschichte auch in den kommenden Jahren als Belastung für die bilateralen Beziehungen heraus. Selbst wenn der frisch ins Amt gekommene polnische Präsident Lech Kaczyński und Juschtschenko wenige Monate später im polnischen Pawłokoma bei Rzeszów eine Gedenkstätte für die ukrainischen Opfer eines von Polen verübten Massakers einweihten. Selbst wenn sie im April 2007 in Warschau zum 60. Jahrestag der »Aktion Weichsel«, der Zwangsumsiedlung von Ukrainern im Nachkriegspolen, gemeinsam beteten. Die Gesten, Reden und Gebete wiederholten sich in den Folgejahren: 2012 eröffneten die Präsidenten Bronisław Komorowski und Viktor Janukowytsch gemeinsam bei Kiew einen polnischen Friedhof für die Katyn-Opfer; 2016 besuchte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko das Denkmal für die Toten des Wolhynien-Gemetzels in Warschau; und am 8. Juli 2018 gedachten die Präsidenten jeweils an unterschiedlichen Orten: Poroschenko im polnischen Sahryń bei Lublin, wo die polnische Heimatarmee 1944 Massaker an Ukrainern verübt hatte (Poroschenko rief in seiner Ansprache zu »christlicher Vergebung« auf), und Andrzej Duda in der Ukraine in Luzk und Olyka, Zentren der ukrainischen Verbrechen an Polen 1943. Er sagte hier u. a.: »Vor allem sollten wir unsere guten Beziehungen auf der historischen Wahrheit entstehen lassen. Das ist das Wichtigste! Wir sollten Freundschaft zwischen unseren Nationen errichten.« Ein gemeinsames Gedenken beider Präsidenten schien dennoch nicht mehr möglich zu sein, weshalb die polnische Tageszeitung »Gazeta Wyborcza« auch kommentierte, dass es um die polnisch-ukrainischen Beziehungen noch nie so schlecht bestellt gewesen sei. Auf diese Verstimmungen hatten sich auch wenige Monate zuvor mehrere ehemalige Präsidenten beider Länder in einem Appell bezogen, in dem sie »zur Verteidigung des Versöhnungsprozesses zwischen unseren Nationen« aufriefen.
Wenn man die Protokolle der Sejm-Sitzungen der letzten Jahre nach dem Stichwort »Versöhnung« durchforstet, stößt man am häufigsten genau in diesem polnisch-ukrainischen Kontext darauf, wobei oft betont wird, wie weit es zu einer Versöhnung eigentlich noch sei: »Auf Lügen lässt sich keine wahrhaftige Versöhnung bauen,« so Marek Ast von der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) 2013. »(…) Versöhnung erfordert, die Wahrheit zu sagen. Uns beunruhigt vor allem die fehlende Sensibilität der ukrainischen Seite bei der Bildungs-, Symbol- und Kulturpolitik sehr« – Jan Dziedziczak, Staatssekretär im Außenministerium, 2016. »Nie wird es eine polnisch-ukrainische Versöhnung geben, ohne die Wahrheit über den an den Polen verübten Völkermord zu sagen« – Andrzej Kobylarz, Vertreter der Partei Kukiz ‘15, 2016. Noch zahlreiche Beispiele könnten hinzugefügt werden. Derweil haben die Kirchen im September 2019 wieder versucht, sich in den Versöhnungsprozess einzuschalten.
Das Problem in den ukrainisch-polnischen Beziehungen besteht darin, dass die vielen Gesten der Versöhnung, die Schuldbekenntnisse, Denkmäler und Zeremonien fundamentale Unterschiede in der Interpretation der Geschichte nicht beseitigt haben. Insbesondere strahlen diese Gesten offenbar immer nur in eine Richtung aus – je nachdem, ob polnischer Opfer gedacht wird oder ukrainischer. Die Rolle, die die positiv konnotierte Erinnerung an die ukrainischen Nationalisten für Teile der ukrainischen Gesellschaft bis heute spielt, und die Erinnerungen an die traumatischen Erfahrungen polnischer Familien im polnisch-ukrainischen Konflikt, die insbesondere von regionalen Akteuren in Südostpolen sowie von rechten Parteien immerfort neu thematisiert werden, lassen trotz aller Anstrengungen bislang den Eindruck entstehen, als sei die Versöhnung noch längst nicht vollzogen. Eine wirkmächtige, dauerhafte Geste polnisch-ukrainischer Nachbarschaft fehlt bis heute. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass durch die seit wenigen Jahren andauernde große Arbeitsmigration von Ukrainerinnen und Ukrainern nach Polen ganz andere Themen Einzug in das polnisch-ukrainische Miteinander halten, was möglicherweise auch dazu beitragen wird, dass der erinnerungskulturelle und geschichtspolitische Dissens langsam seine Relevanz verliert.
Schweigen oder Normalität? Gesten in anderen Außenbeziehungen Polens
Sehr unterschiedlich sieht es in der polnischen Symbolpolitik gegenüber den übrigen Nachbarländern aus. Mit Belarus wurde bereits am 23. Juni 1992 ein Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit geschlossen. Nachdem diese Zusammenarbeit sich zunächst gut anließ, bedeutete die Machtübernahme von Alexander Lukaschenko eine dauerhafte Belastung für die Beziehungen – das letzte bilaterale Präsidententreffen fand im März 1996 im staatlichen Gästehaus im belarussischen Wiskuli im Białowieża-Nationalpark statt. Später ergriff Polen immer wieder Partei für die belarussische Opposition, etwa in einer Botschaft des polnischen Sejms an die belarusische Nation vom 22. Januar 1999. Durch die Einrichtung und Förderung von Medien für die Opposition im Nachbarland (Radyjo Racyja 1999, TV Belsat 2007) hat sich die polnische Regierung eindeutig positioniert.
Dazu kommt die Tatsache, dass es keine gravierenden historischen Streitpunkte zwischen Polen und Belarus gibt, sieht man einmal von einigen Untergrundaktivitäten am Ende des Zweiten Weltkriegs und anti-belarussischen Exzessen polnischer antikommunistischer Partisanen nach dem Krieg ab. Deshalb ist von der Notwendigkeit nach »Versöhnung« im bilateralen Verhältnis eigentlich kaum die Rede. Im Gegenteil, selbst die Regierung in Minsk legt – auf ihre Weise – durchaus Wert auf das gemeinsame Kulturerbe (siehe dazu Polen-Analyse Nr. 264, https://www.laender-analysen.de/polen-analysen/264/). 2018 durfte in seinem Geburtsort sogar ein Denkmal für den polnischen Nationalhelden Tadeusz Kościuszko enthüllt werden, allerdings mit der Aufschrift: »Tadeusz Kościuszko 1746–1817. Dem bedeutenden Sohn von Belarus von seinen dankbaren Landsleuten.« Eine nennenswerte Konkurrenz um nationale Symbolgestalten wie Kościuszko ist dennoch nicht entstanden. Umstritten ist hingegen bis heute die Behandlung der polnischen Minderheit, die von Minsk immer wieder instrumentalisiert wurde, etwa durch die Schaffung offiziell unterstützter Parallelstrukturen.
In den polnisch-tschechischen Beziehungen gab es im 20. Jahrhundert zwar einige Auseinandersetzungen, die jedoch seit der Systemtransformation kaum eine Rolle mehr spielen. Im Oktober 1991 schloss Polen einen »Vertrag über gute Nachbarschaft, Solidarität und freundschaftliche Zusammenarbeit« mit der Föderation aus Tschechischer und Slowakischer Republik, und schon seit Februar 1991 bestand die Visegrád-Gruppe aus Ungarn, Polen und der langsam zerfallenden Tschechoslowakei. Betrachtet man die Beziehungen zwischen Tschechien und Polen, sticht ein ikonisch gewordenes Bildmotiv hervor, welches das Bild vom Nachbarn bis heute maßgeblich positiv prägt – das konspirative Treffen tschechoslowakischer und polnischer Oppositioneller im Sommer 1978 direkt an der Grenze im Riesengebirge. Im September 2020 beschloss der Warschauer Stadtrat, den Platz in der Nähe der tschechischen Botschaft in Warschau nach dem tschechischen Dissidenten und späteren Präsidenten Václav Havel zu benennen. Es gibt einige bilaterale Denkmäler aus sozialistischer Zeit, so steht seit 1948 im pommerschen Goleniów (dt. Gollnow), wo im Krieg inhaftierte tschechoslowakische Widerstandskämpfer ums Leben kamen, ein Denkmal für die »polnisch-tschechoslowakische Freundschaft«. Und in der Grenzregion, insbesondere im Teschener Schlesien (1938 annektierte Polen das Olsa-Gebiet), zeugen mehrere Denkmäler und Gedenktafeln von dem Wunsch, gemeinsam und versöhnlich an die Vergangenheit zu erinnern. Mit der Slowakei bestehen in historischer Hinsicht keine fundamentalen Meinungsunterschiede, und so wird das gemeinsame Bildgedächtnis am ehesten durch die von beiden Staaten geteilte Hohe Tatra und den Anführer der Gebirgsräuber (Janosik/Jánošík) geprägt.
Ganz anders steht es schließlich zwischen Polen und Russland. Die symbolischen Beziehungen zwischen beiden Staaten können hier nicht ausführlicher behandelt werden, wobei sie allein mit Blick auf die jahrhundertelange Konflikt- und Verflechtungsgeschichte sehr komplex sind. Es genügt, sich die Karte der Gedenk- und Erinnerungsstätten in Polen anzuschauen und festzustellen, dass das ganze Land übersät ist mit sowjetischen Kriegsgräbern und (heute in der Regel umgewidmeten) Denkmälern der polnisch-sowjetischen Freundschaft. Auf Teile der polnischen Öffentlichkeit wirkt deren Gegenwart nach wie vor irritierend. So wurde zum Beispiel 2018 das Denkmal der Dankbarkeit für die Rote Armee aus dem Zentrum von Legnica (dt. Liegnitz) entfernt und auf den kommunalen Friedhof umgesetzt.
Um das Jahr 2010 sah es so aus, als würde ein Umbruch möglich werden: Wladimir Putin, damals russischer Ministerpräsident, hatte 2009 die Einladung seines polnischen Amtskollegen Donald Tusk angenommen, des 70. Jahrestags des Kriegsausbruchs auf der Danziger Westerplatte zu gedenken, was bereits damals vom rechten Lager in Polen heftig kritisiert wurde. Ein Spaziergang von Tusk und Putin auf dem Seesteg in Sopot (dt. Zoppot) ließ Bilder entstehen, die bis heute im innenpolitischen Kampf gegen Tusk (als »Verräter« nationaler Interessen) eingesetzt werden.
Ein symbolisch besonders wichtiger Streitpunkt war die Interpretation des Massakers von Katyn. Während Tusk und Putin sich am 7. April 2010 im Wald bei Smolensk erneut trafen, um der mehr als 22.000 im Frühjahr 1940 von den Sowjets ermordeten polnischen Offiziere zu gedenken und die Einsetzung einer polnisch-russischen Historikerkommission zur vollständigen Aufklärung des Verbrechens vereinbarten, wollte Präsident Lech Kaczyński drei Tage später vor dem Hintergrund der nahenden Präsidentschaftswahlen in Polen ein eigenes Zeichen setzen und in seiner Rede sagen: »Dauerhafte Beziehungen lassen sich nicht auf Lügen errichten. (…) Der Weg zur Versöhnung erfordert aber konkrete Zeichen. Auf diesem Weg benötigen wir Partnerschaft, Dialog von Gleichen mit Gleichen und keine imperialen Sehnsüchte.« Bekanntlich konnte Kaczyński diese Rede nicht mehr halten. Der Absturz der Präsidentenmaschine belastet seitdem nicht nur die polnisch-russischen Beziehungen, sondern hat auch die innenpolitische Polarisierung in Polen massiv verstärkt. Eine erneute geschichtspolitische Annäherung scheint auch aufgrund Wladimir Putins historischem Aufsatz vom Sommer 2020, in dem er Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gibt, vorerst ausgeschlossen. Angesichts dieser Konstellation ist der Weg »über Gesten zur Versöhnung« im Fall der polnisch-russischen Beziehungen derzeit versperrt.
Fazit
Die Betrachtung hat gezeigt, dass die Symbolpolitik in den Außenbeziehungen Polens unterschiedliche Ergebnisse gehabt hat. Während sie die polnisch-litauischen Beziehungen positiv fundiert hat, sind die Beziehungen zur Ukraine gewissermaßen in einen symbolischen Leerlauf geraten. Zwischen Deutschland und Polen ist die Bilanz ambivalent. Das schon seit langem kursierende Bonmot vom »Versöhnungskitsch« weist auf die prinzipiellen Probleme hin.
Deshalb sollte man sich aus der Perspektive der deutsch-polnischen Beziehungen betrachtet die Frage stellen, ob es 50 Jahre nach Willy Brandts Kniefall und einer mittlerweile großen Zahl wichtiger, sich aber letztlich wiederholender Staatsakte, Kranzniederlegungen und Ansprachen nicht an der Zeit wäre, ein neues Kapitel symbolischer Politik aufzuschlagen, ein Kapitel mit neuen Gesten. Wie wäre es denn, wenn Spitzenpolitikerinnen und -politiker beider Länder ihren Urlaub einmal nicht in der Toskana, auf Madeira oder in Südtirol verbringen, sondern im Nachbarland? Wie wäre es, wenn beide Länder tatsächlich eine symbolische Klammer schüfen, ein beide Gesellschaften deutlich sichtbar vereinendes Zeichen? Das könnten klassische Denkmäler oder Orte des Erinnerns und des Lernens sein, die – wie von Adam Krzemiński vorgeschlagen – einen Bogen von Warschau nach Berlin schlügen. Das könnte aber auch eine quer durch beide Länder verlaufende Straße der deutsch-polnischen Beziehungen sein, eine touristische Route, die zwischen Bremen und Zamość oder zwischen Dachau und Olsztyn (dt. Allenstein) Orte mit großer Relevanz für die gemeinsame Geschichte berührt.
Mit Sicherheit wird auch der vom Bundestag am 30. Oktober 2020 beschlossene »Ort des Erinnerns und der Begegnung« zu diesen neuen Gesten gehören, ein Ort, der in seiner Gedenk-Komponente die deutsche Gesellschaft nachhaltig mit der Erinnerung an deutsche Verbrechen in Polen konfrontieren soll, der aber als Ort der Bildung zugleich auch dazu beitragen wird, neue Wege in die deutsch-polnische Nachbarschaft zu entwickeln. Im besten Fall kann dieser Ort, im historischen Zentrum Berlins, auch Identitätsrelevanz für polnische Besucherinnen und Besucher entwickeln, schließlich ergingen von hier die Befehle an Wehrmacht, Gestapo und SS. Aber von hier aus strahlte auch die Aufklärung nach Polen aus, und Hunderttausende polnischsprachiger Zuwanderer fanden in Berlin eine neue Heimat. Und so könnte diese deutsche Geste für Polen vielleicht tatsächlich zu einem Ort werden, der Polen wie Deutsche gleichermaßen emotional berührt. Denn selbst wenn wir mittlerweile gar nicht einmal so wenig übereinander wissen – unsere emotionalen Bedürfnisse unterscheiden sich durchaus. Was man auch daran sieht, wie beliebt oder unbeliebt Denkmäler in beiden Staaten sind.