Die "Polnische Ordnung". Das sozio-ökonomische Programm der Regierung 2021 (Auszüge)

Einführung

[…]

Fünf Jahre Sanierung des Staates

Der wirksame Kampf gegen die Folgen der COVID-19-Krise wäre ohne die vorangegangene Sanierung der öffentlichen Finanzlage nicht möglich gewesen. Vor fünf Jahren begann Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) als Anführer des Lagers der Vereinigten Rechten (Zjednoczona Prawica) einen grundlegenden Reformprozess des Staates. Dessen Herzstück war die »Strategie für eine verantwortungsvolle Entwicklung« – der erste derart umfassende Plan in der Geschichte der Dritten Republik.

Polen hat sich über 25 Jahre lang ungleich entwickelt und die Früchte des Wachstums gelangten nur zu wenigen. Wir haben das geändert. Wir haben auf gerechte und ausgewogene Entwicklung gesetzt.

Wir haben die Fehler der Politik der Dritten Republik korrigiert. Eine ambitionierte Sozialpolitik haben wir mit einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik verbunden.

Den polnischen Familien haben wir beispiellose Hilfe in Form des Programms »500+« [Kindergeldprogramm, 500 Zloty monatlich, d. Übers.] zukommen lassen. Den Senioren haben wir begonnen, die 13. Monatsrente zu zahlen, und bereits in diesem Jahr zahlen wir den Bedürftigsten auch eine 14. Rente. Der Mindestlohn stieg um ganze 50 Prozent, und die Gehälter in der Gesamtwirtschaft um knapp 20 Prozent. Wir haben die Steuern für Arbeitnehmer und Unternehmen gesenkt. Für die jungen Menschen haben wir die Einkommensteuer in Höhe von null Prozent eingeführt.

Obgleich viele prophezeiten, dass eine mutige pro-soziale Politik zu einer Haushaltskatastrophe führen wird, verbesserte sich der Zustand der öffentlichen Finanzen von Jahr zu Jahr. Wir haben die Einkommensverluste des Haushaltes, die sich aus den Schlupflöchern bei der Mehrwertsteuer ergaben, um die Hälfte verringert. Dank der besseren Beseitigung von Lücken und eines gerechteren Steuersystems stiegen die Haushaltseinnahmen in den Jahren 2016 bis 2019 konsequent an: die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer um 47 Prozent, aus der Einkommensteuer um 46,7 Prozent und aus der Körperschaftsteuer um 54,7 Prozent. Das erlaubte uns, den ersten schuldenfreien Haushalt in der Geschichte der Dritten Republik zu planen. Polen wurde in den letzten fünf Jahren die Lokomotive für Entwicklung in Europa und das Lebensniveau der Polen, dargestellt als BIP per capita, stieg im Vergleich zur Europäischen Union.

Warum die »Polnische Ordnung«?

Die Corona-Pandemie hat die wirtschaftliche Entwicklung gebremst, aber nicht die Ambitionen der Polen verändert.

Wir wollen den Aufbau eines Wohlfahrtsstaates fortsetzen, der nicht von den europäischen Standards abweicht. Wir träumen weiter von Polen, in dem alle sicher leben und für eine anständige Bezahlung arbeiten können. Deshalb muss die Antwort auf die Herausforderungen, die die COVID-19-Krise uns gestellt hat, eine neue Handlungsstrategie sein.

Die Geschichte der globalen Krisen lehrt eines. In unsicheren Zeiten muss der Staat die Initiative ergreifen und die Verantwortung übernehmen. So war es in den 1930er Jahren, als der New Deal als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise entstand. So war es nach dem Krieg, als Europa dank des Marshallplans wieder aufgebaut wurde. So muss es auch jetzt sein.

Die »Polnische Ordnung« ist unsere Antwort auf die größte Krise in unserer Nachkriegsgeschichte. Wir wollen so schnell wie möglich unseren Wiederaufbau nach den pandemiebedingten Verlusten und wollen auf den Pfad der Entwicklung zurückkehren, auf dem wir vor zwei bis drei Jahren waren. In dem Wissen, dass jede Krise auch eine Chance ist, planen wir unsere Tätigkeiten für eine langfristige Perspektive. Ihr solides Fundament ist das EU-Rekordbudget für Polen in Höhe von 770 Milliarden Zloty. Auch wenn es ein bedeutender Verhandlungserfolg der polnischen Regierung war, es zu erkämpfen, brauchen wir noch eines: eine ambitionierte und kluge Ausgabestrategie. Eine solche, die uns die Verringerung des Abstands gegenüber dem Westen schneller als jemals ermöglicht. Eine wirksame Realisierung der »Polnischen Ordnung« wird den Polen erlauben, bereits im kommenden Jahrzehnt größere Einkommen zu erzielen als in Italien, Portugal oder Spanien.

Die »Polnische Ordnung« ist mehr als ein Aufbauplan, sie ist eine Strategie für eine zivilisatorische Veränderung.

Wir haben sie mit Blick auf das tatsächliche Vorankommen der polnischen Familien und polnischen Firmen entwickelt. Heute wieder – so wie vor Jahren Eugeniusz Kwiatkowski [Wirtschafts- und Finanzminister der Zweiten Republik, d. Übers.] schrieb – »stehen wir vor einem Wegweiser«. Vor uns liegt die Wahl, auf welchem Weg wir weitergehen wollen. Wir wissen genau, dass die kommenden Jahre über die Zukunft Polens, Europas und der Welt für Jahrzehnte entscheiden. Deshalb muss das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts für Polen ein Jahrzehnt der Entwicklung werden. Uns erwarten historische Herausforderungen, aber wir werden uns mit ihnen messen, »unserer Schwierigkeiten und unseres Zieles bewusst«. Zum ersten Mal in der modernen Geschichte haben wir die Chance, Akteur zu sein und nicht nur passiver Beobachter der Veränderungen, die das neue Gesicht der Welt gestalten. Die »Polnische Ordnung« erlaubt uns, dieses Ziel zu realisieren.

[…]

Zusammenfassung

Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Jahrzehnt. In der neuen, postpandemischen wirtschaftlichen Realität hat Polen die Chance, einer der europäischen Anführer zu werden. Die Reformen der »Polnischen Ordnung« bereiten uns besser darauf vor, diese Herausforderung anzunehmen und zu bewältigen und sie öffnen den Polen den Weg zu besseren Einkommen sowie einem höheren Lebensniveau.Die Jahre nach der COVID-19-Krise werden das Kräfteverhältnis in der europäischen Wirtschaft bestimmen. Polen hat die Chance, zu dem Kreis der bestentwickelten Staaten der EU aufzuschließen.

Eine kompetente Regulierungs-, Fiskal-, Finanz- und Geldpolitik müssen miteinander harmonieren und ein gutes Umfeld für Wachstum, Effizienz und Produktivität schaffen. Das ist die Bedingung dafür, dass wir endlich – nach langen Jahren – die EU-Spitze einholen.

Eine wirksame Entwicklung ist nur möglich dank Investitionen in den Anstieg der Produktivität; sie sind der Motor für Wachstum in der gegenwärtigen globalen Lage und insbesondere der Situation der europäischen Wirtschaft.

Ein effektives Steuersystem und die Bewirtschaftung der Staatsfinanzen ist die Bedingung sine qua non, um sich auf den globalen Finanzmärkten zu halten. Insbesondere in der Zeit einer Krise.

Die Krise ist eine Bedrohung und gleichzeitig eine große Chance für Polen. Wir glauben, dass dies der Zeitpunkt ist, den Aufbau desjenigen Polen zu beginnen, von dem wir seit Generationen geträumt haben. Wir müssen nicht nur die Wirtschaft wieder aufbauen, sondern auch ihre Fundamente umbauen. Die »Polnische Ordnung« ist der Hebel, der es ermöglicht, die Bedeutung unseres Vaterlandes in der wirtschaftlichen und politischen Landschaft Europas zu erhöhen.

Hervorhebungen im Original.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: PiS, Solidarna Polska: Polski Ład [Die »Polnische Ordnung«]. [Warszawa, 2021]. http://pis.org.pl/dokumenty (abgerufen am 11.11.2021).

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Analyse

Konsum, Konservatismus und Staats-Kapitalismus – die PiS beschließt die sozio-ökonomische "Polnische Ordnung"

Von Michael Martin Richter
Die »Polnische Ordnung« (Polski Ład), das neue Programm von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) zum Umbau von Staat und Wirtschaft, wird von der Regierung als bahnbrechende Konzeption betrachtet. Kritiker sehen in ihm dagegen in erster Linie eine Mogelpackung, die der Wählerschaft der PiS dient und den Einfluss des Staates ausweiten soll. Dabei stellt das neue Programm einen klaren Bruch mit der vormals teilweise wirtschaftsliberalen Einstellung sowohl der Programmatik der PiS als auch des Regierungspersonals dar. Auch wurden die in einem früheren Wirtschaftsprogramm festgesetzten, auf Zukunftstechnologien orientierten Elemente durch kurzfristige, konsumstützende Maßnahmen ersetzt. Politische Instrumentalisierung und Zentralisierung von mehr und mehr Bereichen schreiten voran. (…)
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Analyse

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