Die IV. Republik und Deutschland: Eine Anatomie des Misstrauens

Von Piotr Buras

Zusammenfassung
Die aktuelle polnische Deutschlandpolitik resultiert weniger aus einem antideutschen Reflex als vielmehr aus politischen und gesellschaftlichen Veränderungen auf polnischer wie auf deutscher Seite. Tatsächlich war die Partnerschaft mit Deutschland für die Regierungen nach 1989 prioritär. Durch die Integration in NATO und EU ist für Polen jedoch eine neue außenpolitische Situation entstanden. Ziel ist es nun, Polen selbstständig in der EU zu etablieren und je nach Interessenlage Partner für eigene politische Positionen zu suchen. Deutschland wird in diesem Kontext vorgeworfen, dass es Polen nicht als Subjekt behandele und sein Bekenntnis zur Partnerschaft mit Polen nur den Charakter politischer Deklarationen habe. Zu der daraus entstandenen Enttäuschung gegenüber Deutschland kommt die Sorge über Veränderungen im deutschen kollektiven Gedächtnis. Die in Polen wahrgenommene zunehmende Diskussion über die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs weckt Befürchtungen, dass in Deutschland die Tendenz besteht, das Geschichtsbild zu revidieren. Darin scheint der Kern der heutigen deutsch-polnischen historisch-politischen Missverständnisse zu liegen. Während der „Geschichtsrevisionismus“ in Deutschland einer von vielen Beiträgen im pluralistischen historisch-politischen Diskurs ist, überwiegt in Polen die Einschätzung, dass es sich um eine dominierende Strömung handelt, die sich im „offiziellen“ Gedächtnis etabliert hat.

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Artikel

Zweieiige Zwillinge. PiS und Fidesz: Genotyp und Phänotyp

Von Kai-Olaf Lang
Die regierenden Parteien in Polen und Ungarn haben vieles gemeinsam. Beide streben einen neotraditionalistischen Umbau von Staat und Gesellschaft an. Demokratie verstehen sie als Mehrheitsherrschaft, das Mandat, das sie vom Volk an den Wahlurnen erhalten haben, soll nicht durch „checks and balances“ beschränkt werden. In der EU setzen PiS und Fidesz auf die Sicherung und den Ausbau nationalstaatlicher Hoheitsbereiche. Aufgrund außen- und europapolitischer Differenzen – insbesondere in der Sicherheits- und Russlandpolitik – ist allerdings keine nationalkonservative Achse in Ostmitteleuropa entstanden. (…)
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Analyse

Polen, der Ukraine-Konflikt und die Europäische Union

Von Piotr Buras
Die neue Regierung von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, die im Herbst nach der Wahl Donald Tusks zum Präsidenten des Europäischen Rates gebildet wurde, setzte keine neuen Akzente in der Politik zum Ukraine-Konflikt. In der Frage der Unterstützung der Ukraine bemüht sich Warschau, nicht aus der Argumentationslinie auszuscheren, dass die Einheit der Europäischen Union und des Westens wichtiger sei als Aktionismus. Polen war auch nicht bei den Hauptverhandlungen mit Russland dabei. Polen hat nur beschränkte Möglichkeiten, auf die Lösung des russisch-ukrainischen Konflikts Einfluss zu nehmen, legt aber Nachdruck auf die Stärkung der NATO und der EU sowie der eigenen Verteidigungsfähigkeit.
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