Zögerlich reformbereit. Die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk

Von Reinhold Vetter

Zusammenfassung
Offenbar geht die Schonzeit für die neue polnische Regierung zu Ende. Der Rücktritt des renommierten Wirtschaftswissenschaftlers Stanisław Gomułka vom Posten des stellvertretenden Finanzministers symbolisiert eine wachsende Kritik von Experten an der zögerlichen Reformbereitschaft der Regierung. Anders als in der Außenpolitik, wo Regierungschef Donald Tusk und seine Minister mutig neue Wege gehen, ist die bisherige Bilanz des Kabinetts auf dem Gebiet der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik eher bescheiden. Zwar kommen nach und nach Gesetzentwürfe und Projekte auf den Tisch, doch fehlt beispielsweise ein überzeugendes Konzept für eine nachhaltige Sanierung der öffentlichen Finanzen. Naturgemäß sind Reformen gerade in diesen sensiblen Bereichen schwierig. In diesem Zusammenhang bestätigt sich der Eindruck, dass die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) im Herbst letzten Jahres kaum auf die Übernahme der Regierungsverantwortung vorbereitet war. Offenbar werden komplizierte Reformen auch deshalb nicht angepackt, weil Tusk mit Blick auf die Präsidentenwahl 2010 seine Popularität nicht gefährden will. Das ist bedauerlich, schaffen doch die exzellente wirtschaftliche Situation Polens und der große politische Rückhalt für die Regierung in der Bevölkerung gute Ausgangsbedingungen für innovative Arbeit.

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Analyse

Die polnische Verfassungsdebatte. Eine nützliche Übung

Von Fryderyk Zoll
Die in Polen geltende Verfassung vom 2. April 1997 stärkte die Rolle des Ministerpräsidenten mit der Absicht, die Kompetenzen des Staatspräsidenten im Vergleich zu der vorher gültigen sog. Kleinen Verfassung (vom 17. Oktober 1992) zu reduzieren. Damit sollte das Verhältnis zwischen beiden Ämtern stärker ausbalanciert werden. (…)
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Analyse

Polens Linke und alternative Milieus: Ansätze für ein Revirement der polnischen Sozialdemokraten?

Von Stefan Garsztecki
Polens Linke hatte es in den vergangenen Jahren schwer. Nach der Ablösung der von der Demokratischen Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD), der Nachfolgepartei der polnischen Kommunisten, geführten Regierung von Marek Belka waren Polens Linke jahrelang fast in der Bedeutungslosigkeit versunken. Der an Korruptionsaffären und internen Streitigkeiten fast zerbrochenen Partei, von der sich ein Erneuerungsflügel um Marek Borowski im Jahr 2004 abspaltete und mit Mitgliedern der Arbeitsunion (Unia Pracy – UP) die Polnische Sozialdemokratie (Socjaldemokracja Polska – SdPl) gründete, ohne bei Wahlen nennenswerte Erfolge erzielen zu können, gelang es erst im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen im Juni 2010 mit ihrem Kandidaten und Parteivorsitzenden Grzegorz Napieralski, der überraschend 13,7 % der Stimmen erzielte, wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Allerdings schien dieser Wahlerfolg eher durch die Wahlentscheidung solcher Menschen verursacht worden zu sein, die sich vom verbreiteten Pathos und den religiösen Gefühlen in Teilen der Bevölkerung nach der Flugzeugkatastrophe von Smolensk nicht mehr repräsentiert sahen. Das klare Bekenntnis von Napieralski zum säkularen Staat schien hier genau zu passen. (…)
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