Wehretat und Personalstärke
Wie schon 2023 steht Polen auch in diesem Jahr an der Spitze der NATO-Staaten, wenn es um den Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) geht, für die bekanntlich seit 2014 ein empfohlener Richtwert von mindestens zwei Prozent besteht. Für 2024 gab die NATO in einem (geschätzten) vergleichenden Überblick den polnischen Wehretat mit 4,12 Prozent des BIP an, gefolgt von Estland mit 3,43 Prozent und den USA mit 3,38 Prozent. In absoluten Zahlen betrugen die polnischen Militärausgaben 2024 ca. 151 Milliarden Zloty (also ca. 35 Milliarden Euro). Bemerkenswert ist überdies, dass Polen mit 51,1 Prozent auch den höchsten Wert für den Anteil der Ausrüstungsbeschaffung an den Gesamtausgaben aufweist; im Vergleich dazu betrug dieser Wert für Deutschland nur 28,7 Prozent (bei einem NATO-Richtwert von 20 Prozent). Laut einer Ankündigung von Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz während einer Pressekonferenz am 4. Oktober 2024 sollen die Militärausgaben 2025 auf 4,7 Prozent des zu erwartenden BIP bzw. auf 186,6 Milliarden Zloty (ca. 43,5 Milliarden Euro) ansteigen. Dabei ist allerdings die geschätzte Kofinanzierung aus dem »Fonds zur Unterstützung der Streitkräfte« (Fundusz Wsparcia Sił Zbrojnych) hinzugerechnet; der Anteil aus dem Staatshaushalt – Titel 29: »Nationale Verteidigung« – wird nur ca. 124,3 Milliarden Zloty (ca. 29 Milliarden Euro) betragen.
Kritische Pressestimmen haben überdies darauf hingewiesen, dass trotz des relativen Wachstums des Militärbudgets in den Vorjahren die geplanten Ausgaben – und damit die ›NATO-Rekorde‹ – nie ganz erreicht worden seien, zum einen, weil das BIP am Jahresende regelmäßig höher ausgefallen sei als die dem Haushaltsentwurf zugrundeliegende Schätzung, und zum anderen, weil teilweise (ähnlich wie in Deutschland) andere Ausgaben wie z. B. Zinszahlungen oder Verwaltungskosten in Form »kreativer Buchführung« einbezogen worden seien, die nichts zur Erhöhung der militärischen Einsatzbereitschaft beigetragen hätten. Außerdem hatte der Verteidigungsminister schon im August mitgeteilt, durch Versäumnisse der Vorgängerregierung sei für die nächsten zehn Jahre allein für die militärische Infrastruktur eine Finanzierungslücke von 46 Milliarden Zloty (ca. 10,7 Milliarden Euro) entstanden. Trotz dieser Detailfragen ist aber die generelle Aufwärtstendenz bei den finanziellen Aufwendungen für Sicherheit und Verteidigung in Polen eine Tatsache. Ein positiver Nebeneffekt dieser Entwicklung ist die kürzlich erlangte Bereitschaft der Europäischen Kommission, unter ausdrücklichem Hinweis auf die von Polen im Sinne der europäischen und ukrainischen Sicherheit getätigten Rüstungsausgaben bei der Umsetzung des von ihr akzeptierten Plans der polnischen Regierung zur Reduzierung des Haushaltsdefizits auf unter drei Prozent ein flexibles Vorgehen – d. h. unterschiedlich hohe jährliche Einsparungen – zu akzeptieren.
Der Personalbestand der Polnischen Armee betrug am 28. Juni 2024 nach offiziellen Angaben des Verteidigungsministeriums (MON) rund 199.000 Mann, was eine Zunahme von ca. 30.000 Mann seit Mitte 2022 bedeutete. Im Juli des Jahres schätzte die NATO die Mannschaftsstärke der Polnischen Armee bereits auf rund 216.000, was diese zur drittgrößten NATO-Armee machen würde (hinter den USA und der Türkei) sowie – sofern man die Türkei nicht Europa zuordnet – zur größten europäischen, knapp vor der französischen. Dies kann als relativer Erfolg der fortlaufenden Bemühungen der Polnischen Armee zur Gewinnung neuer (Berufs-)Soldaten gewertet werden. Im Idealfall, wie ihn das seit März 2022 gültige Gesetz über die Vaterlandsverteidigung (Ustawa o obronie Ojczyzny) anstrebt, sollen die Streitkräfte in ihren verschiedenen Teilen in einigen Jahren ca. 300.000 Soldaten umfassen. Da aber diese Vergrößerung und Professionalisierung absehbar ein langwieriger Prozess ist und um im Verteidigungsfall einen schnellen Aufwuchs zu gewährleisten, betreibt das Verteidigungsministerium zusätzlich seit längerem die Erfassung und Reaktivierung der Reservisten, die dank der bis zu ihrer Aussetzung 2009 fast vollständig – d. h. für Männer – durchgeführten Wehrpflicht noch in relativ hoher Zahl zur Verfügung stehen. Die meisten gedienten Angehörigen der von dieser Pflicht betroffenen Altersgruppe (18–60 Jahre für Mannschaften bzw. 18–63 Jahre für Offiziere und Unteroffiziere) haben, sofern keine triftigen Ausschlussgründe vorlagen, in den vergangenen Jahren entsprechende Gestellungsbefehle erhalten und werden nach und nach, bei möglichst geringer Beeinträchtigung ihrer zivilen Berufstätigkeit, zu Wehrübungen einberufen.
Hierbei besteht eine gesetzliche Gestellungspflicht, bei Verweigerung würde eine Geld- oder Gefängnisstrafe verhängt werden. Allerdings sind solche Fälle augenscheinlich selten; auch die Arbeitgeber sperren sich offenbar nicht gegen die zumindest in bestimmten Fällen (wenn die Übungen nicht ausschließlich an den Wochenenden stattfinden können) notwendige Freistellung ihrer Mitarbeiter. Auf der Habenseite erhalten die Reservisten für die Zeit der Übungen Lohnausgleich sowie volle Verpflegung und medizinische Versorgung seitens ihrer militärischen Einheit. Im Oktober 2024 beschloss die Regierung, im kommenden Jahr insgesamt maximal 329.700 Soldaten zu aktivieren, davon ca. 200.000 Reservisten sowie andere Gruppen, nämlich zum einen freiwillig Grundwehrdienstleistende (max. 39.700, davon 4.700 in Ausbildung befindliche Fähnriche und Kadetten) und zum anderen die Truppen der Territorialverteidigung (Wojska Obrony Terytorialnej – WOT; max. 44.000 Mann). Alle diese Zahlenangaben stellen theoretische Höchstwerte dar. Das dient zum einen der Geheimhaltung der genauen Daten, liegt aber vermutlich auch daran, dass die benötigte Infrastruktur mit den wachsenden Zahlen Schritt halten muss.
Neben den ›normalen‹ Reservisten – der sogenannten Passiven Reserve – sollen auch maximal 30.000 Soldaten der Aktiven Reserve aktiviert werden, deren Angehörige im Unterschied zur denen der ›klassischen‹ passiven Reserve vereidigt und danach regelmäßig zu Übungen einberufen werden. Dies wären 10.000 mehr als im laufenden Jahr. Langfristig soll die Aktive Reserve bis zu 150.000 Mitglieder haben. Diese jüngste Komponente der Streitkräfte – deren Angehörige eine deutlich höhere Kampfbereitschaft als diejenigen der Passiven Reserve aufweisen und dauernd aufrechterhalten sollen – stellt laut dem Chef des polnischen Generalstabs, General Wiesław Kukuła, das Kernelement der polnischen Variante des »Total Force Concept« dar. Dieses Konzept wurde vor allem in den USA und den skandinavischen Staaten entwickelt und dient der möglichst effizienten und logischen Integration der verschiedenen militärischen Teilkräfte, die wiederum im Ernstfall schnell mobilisiert werden und leicht in verschiedenen Situationen eingesetzt werden sollen. Ein wesentliches Element dieses Konzepts ist die Optimierung der Einsatzoptionen für jeden einzelnen Soldaten, wobei dessen individuelle Fähigkeiten analysiert und spezifisch gefördert werden sollen. In gewissem Sinne kann hier von einem modularen Ansatz gesprochen werden, der einerseits Einflüsse der (zivilen) Organisationswissenschaften zeigt und andererseits auf Grundsätze des Milizsystems zurückgeht.
Durch diese u. U. recht aufwendige Ausbildung sollen die Einheiten der Aktiven Reserve dann im Einsatz einen hohen Grad an Selbständigkeit und Flexibilität erreichen; das schließt auch Einsätze im Frieden ein wie etwa jüngst die Katastrophenhilfe bei der Flut in Südwestpolen. Ein wichtiges Vorbild für die Polnische Armee ist dabei das finnische Wehrsystem, das 31.500 aktive Soldaten, aber außerdem 280.000 »aktive« Reservisten umfasst (bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 5,6 Millionen). In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das aktuelle polnische Wehrgesetz – wie im Prinzip schon das Vorgängergesetz aus kommunistischen Zeiten, aber mit größerem Nachdruck – auch den Frauen die Pflicht zur Landesverteidigung auferlegt, auch wenn es dabei verschiedene Ausnahmeregelungen gibt. Tatsächlich setzt die Armeeführung aber darauf, dass gerade der weibliche Teil der Bevölkerung in Zukunft zur Vergrößerung der Streitkräfte beitragen wird, etwa durch die Gewinnung von Studentinnen für studienbegleitende Ausbildungsgänge, aber ebenso durch eine Erhöhung der Zahl der weiblichen Reservisten. Im Geiste des in Polen herrschenden ›positiven Militarismus‹ funktionieren weitere Ansätze zur Popularisierung militärischer Kenntnisse und potenziellen (zukünftigen) Nachwuchsgewinnung:
- • die schon seit längerem bestehende Akademische Legion (Legia Akademicka), die freiwillige militärische Schulungen für Studenten und Absolventen durchführt, wobei diese für den Zeitraum ihrer Teilnahme als Angehörige des freiwilligen Grundwehrdienstes gelten;
- • die seit 2020 über mehrere Wochen im Sommer auf dem Gelände und in der Regie mehrerer militärischer Einheiten stattfindende Aktion »Trainiere mit der Armee« (Trenuj z wojskiem) für alle interessierten polnischen Staatsbürger zwischen 15 und 65 Jahren. In diesen achtstündigen Kursen erläutern Militärausbilder den Zivilisten Themen wie Waffenbedienung, Überlebenstechniken, Nahkampf, Handgranatenwurf, Sanitätsdienst und Alarmverhalten. Bisher, einschließlich 2024, haben ca. 25.000 Polen von diesem Angebot Gebrauch gemacht;
- • als jüngstes Segment das seit Mai 2024 laufende, gemeinsam vom Bildungs- und Verteidigungsministerium betriebene Programm »Bildung mit der Armee« (Edukacja z wojskiem), in dessen Rahmen 800 Soldaten der Polnischen Armee ca. 3.000 Grund- und weiterführenden Schulen besuchen werden, um dort 60.000 Schülern – der jeweiligen Altersgruppe angepasste – Grundkenntnisse auf den Gebieten der Ersten Hilfe sowie der Evakuierung im Bedrohungsfall beizubringen.
Unterstützung für die Ukraine
In der Frühphase des Krieges hatte Polen, ähnlich anderen NATO-Staaten, der Ukraine vor allem entbehrliche ältere Waffensysteme überlassen, die zum Teil noch aus den Zeiten des Warschauer Pakts stammten, wie etwa T-72-Panzer oder Schützenpanzer des Typs BWP-1 (analog dazu hatten Deutschland und andere Staaten z. B. ältere Leopard-I-Panzer abgegeben). In der Folgezeit hatte die polnische Regierung aus Geheimhaltungsgründen keine detaillierten Daten über weiteres an die Ukraine übergebenes Kriegsgerät veröffentlicht, so dass zum jetzigen Zeitpunkt nur ungefähre Angaben über Umfang und Wert dieser Lieferungen gemacht werden können. Das online-Fachportal für Verteidigungsfragen defence24.pl hat Anfang November den Versuch einer solchen Auflistung vorgenommen; dabei werden gegen Bezahlung gelieferte Güter von kostenfreien Überlassungen unterschieden.
Diesen Schätzungen nach verkaufte Polen der Ukraine im Zeitraum 2022/2023 u. a.
- • 60 gepanzerte Mannschaftstransportwagen MT-LB;
- • 49 gepanzerte Fahrzeuge Oncilla;
- • 19 gepanzerte Fahrzeuge SCAM SM T63/Dzik II;
- • 36 Selbstfahrhaubitzen Kaliber 155 mm Krab (plus weitere 18 im Jahre 2024);
- • 70 Selbstfahrhaubitzen Kaliber 122 mm 2S1 Goździk;
- • 22 Mörser Kaliber 120 mm;
- • 89 Mörser Kaliber 82 mm;
- • 4 Mehrfachraketenwerfer Kaliber 122 mm BM-21 Grad;
- • 34 tragbare Luftabwehrsysteme Pioruń;
- • 39.280 ungelenkte Luftabwehrraketen S-8.
Kostenfrei überlassen wurden der Ukraine hingegen
- • ca. 14 Jagdflugzeuge MiG-29;
- • ca. 11 Kampfhubschrauber Mi-24;
- • ca. 30 Panzer PT-91 Twardy;
- • 50 gepanzerte Mannschaftstransportwagen Rosomak mit Turm Hitfist-30;
- • ca. 400 Schützenpanzer BWP-1;
- • mehrere gepanzerte Fahrzeuge Dzik;
- • 54 Selbstfahrhaubitzen Kaliber 155 mm Krab;
- • ca. 30 Selbstfahrhaubitzen Kaliber 122 mm 2S1 Goździk;
- • 8 Selbstfahrmörser Kaliber 120 mm Rak;
- • 4 Kommando-Stabsfahrzeuge AWD für den Mörser Rak;
- • ca. 70 Mörser Kaliber 120 mm;
- • 4 automatische Mörser Kaliber 82 mm 2B9M Wasilok;
- • leichte Mörser Kaliber 60 mm LM-60;
- • ca. 35 Mehrfachraketenwerfer Kaliber 122 mm BM-21 Grad;
- • Luftabwehrraketenwerfer Newa-M;
- • Luftabwehrraketenwerfer Osa-AK/AKM;
- • tragbare Luftabwehrraketenwerfer (Basisgruppe) Pioruń;
- • selbstfahrende Luftabwehrsysteme ZSU-23-4 Szyłka;
- • Luftabwehrkanonen Kaliber 57 mm S-60;
- • Luftabwehrkanonen Kaliber 23 mm ZU-23-2;
- • Panzerabwehr-Handgranaten RPG-76 Komar;
- • Handwaffen, z. B. Karabiner Grot;
- • ungelenkte Raketen Kaliber 122 mm für den Raketenwerfer BM-21 Grad.
Militärische Rüstungsbeschaffung im Inland
Nicht nur und nicht in erster Linie zum Ausgleich dieser abgegebenen Waffensysteme verfolgt Polen seit 2021 ein intensives Programm der Aufrüstung und Modernisierung seiner Streitkräfte. In bedeutendem Maße trägt dazu die einheimische Rüstungsindustrie bei, die sich schon seit Jahren, aber gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine technisch und finanziell stark entwickelt. Die größten Unternehmen in diesem Sektor sind:
- a) die 2013 gegründete Polnische Rüstungsgruppe (Polska Grupa Zbrojeniowa – PGZ), ein aus 50 Einzelfirmen bestehender Staatsbetrieb, der die meisten Domänen umfasst (Land, Luft, See, Elektronik, Cyberraum etc.) und dessen erklärte Aufgabe der Aufbau eines konkurrenzfähigen nationalen Rüstungssektors ist. Sein im Moment wohl bekanntestes Produkt ist die Selbstfahrhaubitze Krab, die in der Ukraine erfolgreich zum Einsatz kommt; hierauf wiederum gründet sich eine bedeutende Nachfrage nach diesen und anderen Produkten im Ausland.
- b) die Polnischen Luftfahrtbetriebe Mielec und Świdnik (Polskie Zakłady Lotnicze Mielec i Świdnik), die im »Tal der Luftfahrt« (Dolina Lotnicza) im Südosten Polens angesiedelt sind.
- c) die Stahlhütte Stalowa Wola (Huta Stalowa Wola), eine Tochter der PGZ, die vor allem Artillerieelemente und gepanzerte Raupenfahrzeuge herstellt.
Die polnische Regierung strebt nach Aussage von Verteidigungsminister Kosiniak-Kamysz eine Aufteilung der Rüstungsaufträge im Verhältnis 50:50 zwischen polnischen und ausländischen Unternehmen an. Im Jahre 2024 bestellte das Ministerium im Inland u. a.
- • 286 leichtgepanzerte Aufklärungstransporter vom Typ Kleszcz der Firma AMZ Kutno im Gesamtwert von 800 Millionen Zloty (ca. 186,3 Millionen Euro), die zwischen 2026 und 2028 geliefert werden sollen;
- • Logistik- und Trainingspakete im Wert von 1,4 Milliarden Zloty (ca. 0,3 Milliarden Euro) für 21 Luftabwehr-Raketenartilleriegruppen PILICA+ der PGZ zur Auslieferung zwischen 2024 und 2029;
- • 58 Radschützenpanzer Rosomak im Wert von 2,6 Milliarden Zloty (ca. 0,6 Milliarden Euro) zur Auslieferung 2026/27;
- • 53, evtl. bis zu 90 Kranwagen mit großer Tragkraft HIAB 855 EP-5 auf Lastwagen 862D.43 der Firma Jelcz für 228 bzw. 384 Millionen Zloty (ca. 53 bzw. 89 Millionen Euro);
- • 26 Drohnen FlyEye der Firma WB Electronics im Gesamtwert von ca. 222 Millionen Zloty (ca. 51,7 Millionen Euro).
Art und Umfang der Rüstungsimporte
Ähnlich der deutschen und anderen Rüstungsindustrien ist auch die polnische durch die zeitliche Dringlichkeit der geplanten Aufrüstung sehr herausgefordert und kann gegenwärtig die von der Polnischen Armee benötigten Waffensysteme noch nicht allein bereitstellen. Angesichts dessen spielt der Import solcher Güter eine Schlüsselrolle für die polnische Verteidigungsbereitschaft. Als Hauptlieferant hat sich dabei neben dem traditionellen Partner USA Südkorea etabliert, während Deutschland und andere europäische Verbündete eine eher geringe Rolle spielen.
Wichtige Bestellungen des laufenden Jahres im Ausland betrafen
- • ein Integrated Air and Missile Defense Battle Command System (IBCS) der Firma Northrop Grumman (USA) im Wert von 2,53 Milliarden Dollar (ca. 2,4 Milliarden Euro). Der Aufbau des Systems soll zwischen 2024 und 2031 erfolgen;
- • 96 Kampfhubschrauber Boeing AH-64E Apache mitsamt einem Schulungs- und Logistikpaket sowie Bewaffnung und Ersatzteilen (USA);
- • 72 Raketenwerfermodule K 239 Chunmoo (Homar-K) der Firma Hyundai Rotem (Südkorea) mitsamt einem Schulungs- und Logistikpaket sowie einem Vorrat von mehreren Tausend Lenkgeschossen CGR-08 und CTM-290 mit einem Wert von 1,6 Milliarden Dollar (ca. 1,5 Milliarden Euro). Davon sollen allerdings nur zwölf importiert werden; die übrigen 60 sollen auf Basis einer koreanischen Lizenz von der Huta Stalowa Wola produziert werden.
Gewisse Irritationen löste die polnische Regierung aus, als sie im September einen Kaufvertrag über 180 südkoreanische Panzer des Typs K2 Black Panther, der auf der alljährlich in Kielce stattfindenden Internationalen Messe der Verteidigungsindustrie (Międzynarodowy Salon Przemysłu Obronnego – MSPO) geschlossen werden sollte, nicht unterzeichnete. Der Rahmenvertrag über die Lieferung von insgesamt 1.000 K2 war im Juli 2022 von der Vorgängerregierung unter Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) unterzeichnet worden. Dabei sollten bis 2025 zunächst 180 K2 aus Korea geliefert werden (46 davon befinden sich seit März 2024 bereits in Polen), die übrigen 820 Stück aber – ähnlich wie die oben erwähnten Module K 239 – in Lizenz von polnischen Firmen gefertigt und dabei »polonisiert«, d. h. an die besonderen lokalen Anforderungen angepasst werden. Die amtierende Regierung betonte, diesen Rahmenvertrag in jedem Fall einhalten zu wollen; es müssten allerdings zuvor noch bestimmte Details der Finanzierung geklärt werden. Somit kann wohl in naher Zukunft mit der Unterzeichnung des Kaufvertrags gerechnet werden.
Ist-Zustand der polnischen Rüstungsbestände
Laut dem »Kiel Report Nr. 1« des Kieler Instituts für Weltwirtschaft vom September 2024 ist im Falle Deutschlands ein trotz der Ankündigungen der Bundesregierung vom Februar 2022 nur schleppendes Aufholen der jahrzehntelangen Versäumnisse (nicht nur) bei der militärischen Ausrüstung zu beobachten. Zur besseren Einordnung wurden den deutschen Daten diejenigen Großbritanniens, Frankreichs und auch Polens gegenübergestellt. Hieraus ergibt sich z. B., dass Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges seinen Bestand an Kampfpanzern von mindestens 4.200 (1992) auf nur noch 339 Stück (2021) reduziert hat, während sich Polen zwar auch weit vom Bestand von 2.880 Panzern im Jahre 1992 entfernt hat, aber 2021 immer noch über 797 Stück verfügte – und damit über mehr als Deutschland, Großbritannien und Frankreich zusammen. An Schützenpanzern hielt Polen 2021 1.611 Stück und damit sogar mehr als 1992 (1.471). Deutschland, das 1992 mit 3.250 noch mehr als doppelt so viele Exemplare besaß wie Polen, hatte 2021 gerade noch 674 davon. Bei den Haubitzen schließlich haben beide Nachbarn stark abgerüstet, aber auch hier konnte Polen im Jahre 2021 mit 410 Stück deutlich mehr vorweisen als Deutschland mit gerade noch 121 (1992: Deutschland 3.214, Polen 2.222). Bei der Luftabwehr sah es 2021 für alle vier Länder sehr schlecht aus.
Die nach dem Februar 2022 unternommenen Rüstungsanstrengungen sind in diesen Zahlen noch nicht enthalten, und obwohl auch Polen mehrere Schwachstellen aufweist, scheinen seine Aussichten auf eine deutliche Verbesserung der Lage besser zu sein als die Deutschlands und auch anderer westeuropäischer Länder.
Internationale strategische Integration
Auf der strategischen Ebene ist Polen wie alle europäischen NATO-Staaten auf die Allianz und besonders die USA angewiesen. Im Rahmen der verstärkten US-Präsenz in Polen wurde am 13. November 2024 das zur NATO gehörige, von den US-amerikanischen Streitkräften betriebene Aegis Ashore Ballistic Missile Defense System (Luftabwehrstation Aegis Ashore) in Redzikowo in Nordpolen eröffnet, nachdem die Station schon seit dem Juli betriebsbereit war. Dieser Standort war bereits 2009 im Kontext eines geplanten Raketenschilds zur Abwehr ballistischer Raketen (aus dem Iran) diskutiert worden, der Bau wurde aber erst nach dem Warschauer NATO-Gipfel 2016 tatsächlich angegangen. Das jetzige System entspricht weitgehend jenen älteren Planungen und ist gemeinsam mit einer Radarstation in Rumänien Teil des NATO-Raketenabwehrprogramms. Der Standort Redzikowo (dt. Reitz) war 1935 von der deutschen Luftwaffe als Flugfeld und Ausbildungszentrum angelegt worden. 1945–50 war er von der sowjetischen und 1950–99 von der polnischen Luftwaffe genutzt worden.
Wehrbereitschaft der polnischen Bevölkerung
Als Wermutstropfen für die verteidigungsbezogenen Bemühungen kann das Ergebnis einer im September 2024 vom Demoskopieinstitut IBRiS für die Tageszeitung Rzeczpospolita durchgeführten Umfrage angesehen werden. Dieser zufolge hielten nur 54,6 Prozent der befragten Bürger die Polnische Armee für abwehrbereit (davon nur 1,6 Prozent »definitiv«), während ca. 30 Prozent diese Bereitschaft als (noch) nicht gegeben ansahen. Bezeichnend mag sein, dass der höchste Zustimmungswert mit 65 Prozent bei den Anhängern der Fraktion des amtierenden Verteidigungsministers Kosiniak-Kamysz, Dritter Weg (Trzecia Droga), zu finden ist, während die geringste Zustimmung mit 52 Prozent von den Anhängern der Rechtsaußenpartei Konföderation (Konfederacja) kommt, die generell die proukrainische und prowestliche Linie der anderen Parteien ablehnt.
Andererseits hatten schon ein Jahr zuvor, d. h. im September 2023, in einer anderen von IBRiS im Auftrag der Akademie für Kriegskunst (Akademia Sztuki Wojennej) durchgeführten Umfrage unter ca. 1.000 Personen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren 57 Prozent der Befragten ihre grundsätzliche Bereitschaft zur aktiven Beteiligung an der militärischen Landesverteidigung im Falle eines russischen Angriffs erklärt. Für die befragten Männer betrug dieser Wert 72 Prozent, für die Frauen immerhin 42 Prozent. 80 Prozent der positiv Eingestellten gaben dafür als Motivation den Schutz ihrer Angehörigen an, 55 bzw. 56 Prozent (außerdem) die Liebe zu Nation und Staat. Jeweils über 60 Prozent befürworteten auch die Kernziele des neuen Verteidigungsgesetzes, nämlich die Vergrößerung der Armee auf 300.000 Mann, die Anhebung der Militärausgaben auf mindestens drei Prozent, die Vergrößerung der aktiven und passiven Reserve sowie den Ausbau der Wehrübungen für Reservisten und andere interessierte Gruppen. Bei letzterem Punkt wollten allerdings 67 Prozent der Befragten nur junge Männer bis 35 Jahre einbezogen sehen, 51 Prozent alle Männer im wehrfähigen Alter (also bis 60 Jahre), hingegen nur 35 Prozent »alle Bürger« einschließlich der Frauen. Ähnlich sprachen sich auf die Frage nach einer möglichen Reaktivierung der Wehrpflicht und eines neunmonatigen Grundwehrdienstes (wie bis 2009) 36 Prozent dafür aus, eine solchen Verpflichtung nur für junge Männer einzuführen, hingegen waren 30 Prozent dafür, auch junge Frauen einzubeziehen. In beiden Fällen sollten aber Studierende ausgenommen werden, die eher durch freiwillige Angebote gewonnen werden sollten. Diese Form der Privilegierung war schon in der Zweiten Polnischen Republik und im kommunistischen Volkspolen gepflegt worden.
Die nach dem russischen Angriff vom Februar 2022 feststellbare große Nachfrage nach einer Schießausbildung für Privatpersonen in Vereinen hat etwas nachgelassen, was eine gewisse konjunkturelle Abhängigkeit von der außen- und sicherheitspolitischen Lage widerspiegelt, bleibt aber gerade deshalb auf einem hohen Niveau. Auch hier ist ein zunehmender Anteil von Frauen an den Kursteilnehmern bzw. Vereinsmitgliedern zu beobachten. Einen verwandten Kontext bildet die wachsende Zahl gestellter Anträge auf Waffenbesitz durch Zivilisten: Ende 2023 besaßen polnische Bürger 324.000 Waffenerlaubnisscheine, von denen ca. 41.000 allein im Jahre 2023 ausgestellt wurden. Da eine Person mehrere Waffenscheine besitzen darf, ist die genaue Zahl der Nutzer unbekannt. Insgesamt wurden Ende 2023 in Polen 844.000 registrierte Waffen gezählt. Nach Aussage von Ausbildern und Vereinsleitern bestand hinsichtlich des Waffenbesitzes nach 1989 ein genereller ›Nachholbedarf‹, da unter dem kommunistischen Regime fast alle Waffen eingezogen worden waren. Aktuell werden für Polen 2,5 Feuerwaffen pro 100 Einwohner gezählt, während es in Finnland, Tschechien und der Slowakei ca. 30 sind.