Ansprache des Regierungschefs Donald Tusk nach der Präsidentschaftswahl 2025

2. Juni 2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

hinter uns liegen die Präsidentschaftswahlen. Es gab lange keine so großen Emotionen. Ich möchte Ihnen allen herzlich für Ihre Teilnahme an den Wahlen danken. Mehr als 20 Millionen Polen haben an der Wahl des neuen Präsidenten der Republik teilgenommen und damit ihre starke Verbundenheit mit der Demokratie und ihrem wichtigsten Grundsatz, den freien und allgemeinen Wahlen, gezeigt.

Wie auch immer wir den Wahlsieger beurteilen, gehört es sich, seinen Sieg anzuerkennen und seinen Wählern zu gratulieren, was ich hiermit mache. Ich danke auch dem Besiegten für die Entschlossenheit und den Kampf um jede Stimme bis zum Schluss. Ich will Ihnen allen heute kundtun, dass ich als Ministerpräsident der polnischen Regierung keinen Augenblick mit meiner Arbeit und in unserem gemeinsamen Kampf für Polen aufhören werde, für ein Polen, das wir an der Schwelle zur Unabhängigkeit so erträumt haben: frei, souverän, sicher und wohlhabend. Die Präsidentschaftswahlen haben hieran nichts geändert und werden nichts ändern.

Im Einklang mit der Verfassung und unserem eigenen Gewissen werden wir mit dem neuen Präsidenten überall da zusammenarbeiten, wo es notwendig und möglich ist. Ich bin mir dessen bewusst, dass das schwieriger sein kann, als viele von Ihnen dachten, als sie gestern zur Wahl gingen. Aber das ändert nicht im Geringsten meine Entschlossenheit und Willen, für die Verteidigung all dessen tätig zu werden, woran wir gemeinsam glauben. Ein Notfallplan, der von einer schwierigen Kohabitation ausgeht, ist vorbereitet. Es ist schwierig, im Vorhinein einzuschätzen, welche Haltung der neue Präsident einnehmen wird. Wenn er den Willen zur Zusammenarbeit zeigt, wird das eine positive Überraschung sein, auf die wir mit aller Offenheit antworten werden. Wenn nicht, gibt es keine Zeit zu verlieren. Wir machen unsere Arbeit, ohne Rücksicht auf die Umstände, denn dafür wurden wir gewählt.

Wir werden bereits vorbereitete Gesetzesentwürfe vorlegen und wenn es sein muss, werden wir führen und Entscheidungen treffen – auch bei einem Präsidenten, der gute Veränderungen zu blockieren versucht. Erfahrungen haben wir hiermit bereits gemacht.

Denn es ist zu viel zu tun. Angefangen bei den internationalen Angelegenheiten, dem Aufbau einer schlagkräftigen Armee und einer starken Wirtschaft sowie der Repolonisierung der Industrie über die soziale Sicherheit und die Dienstleistungen des Staates bis zur Abrechnung und dem Kampf gegen Verbrechen.

Dieser Plan wird die Einheit und den Mut der gesamten Koalition des 15. Oktober [aktuelle Regierungskoalition, benannt nach dem Datum der Parlamentswahlen 2023, in denen die drei Mitte-links Gruppierungen die Mehrheit der Wählerstimmen erhielten, Anm.d.Übers.] erfordern. Der erste Test wird die Vertrauensfrage sein, mit der ich mich in der nächsten Zeit an den Sejm wenden werde. Ich will, dass alle sehen, auch unsere Gegner, im Inland und im Ausland, dass wir für diese Situation bereit sind, dass wir den Ernst des Augenblicks begreifen und dass wir nicht die Absicht haben, auch nur einen Schritt zurückzuweichen.

Allen, die für Rafał Trzaskowski [Präsidentschaftskandidat des Regierungslagers, Anm.d.Übers.] gestimmt haben, sage ich heute: Wir machen weiter. Ich weiß, was ihr fühlt, aber lasst uns in Erinnerung rufen: Wir haben uns für eine große Sache verabredet, die Kraft kostet, Ausdauer und vielleicht mehr Zeit erfordert, als wir möchten. In der Demokratie hört der Kampf nie auf.

Ich glaube an euch, ich glaube an Polen.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: Kancelaria Prezesa Rady Ministrów [Büro des Ministerpräsidenten]: Wystąpienie Premiera Donalda Tuska [Ansprache des Ministerpräsidenten Donald Tusk]. https://www.gov.pl/web/premier/wystapienie-premiera-donalda-tuska (abgerufen am 26.08.2025)

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Analyse

Die innenpolitische Situation in Polen nach den Präsidentschaftswahlen 2025

Von Janusz A. Majcherek
Die Regierung von Donald Tusk hat Ende 2023 versprochen, die zahlreichen Reformen des nationalkonservativen Lagers zurückzunehmen und die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit zu betreiben. Dies war angesichts des Vetorechts des konservativen Staatspräsidenten Andrzej Duda nur teilweise möglich. Alle Hoffnungen der Mitte-links-Koalition konzentrierten sich somit auf die im Mai/Juni 2025 stattfindenden Präsidentschaftswahlen, von denen ein wichtiges Signal nach innen und nach außen gesendet werden sollte. Das Wahlergebnis war ein solches Signal, allerdings ein überraschendes, das den Hoffnungen der seit 2023 regierenden Mitte-links-Koalition zuwiderläuft.
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