Zählt die Stimme der jungen Generation?
Neueste Daten des Statistischen Hauptamtes (Główny Urząd Statystyczny – GUS) zeigen, dass die Gesellschaft in Polen immer älter wird. Mitte 2024 machten die 18–29-Jährigen nur zwölf Prozent (ca. 4,5 Millionen) der Gesamtbevölkerung aus. Die Altersgruppe 60+ stellte dagegen mit fast zehn Millionen einen mehr als doppelt so hohen Anteil. Das führt zu der Frage nach der Interessenvertretung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in einer demokratischen Gesellschaft, insbesondere mit Blick darauf, dass sich Werte, Bedürfnisse und politische Prioritäten in den verschiedenen Altersgruppen deutlich unterscheiden können. Untersuchungen zu den drängendsten Problemen in Polen, die das Institut für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych – ISP) im Jahr 2023 durchgeführt hat, zeigen, dass Fragen wie die steigenden Lebenshaltungskosten, der Zugang zum Gesundheitssystem oder Energiesicherheit zwar von der Mehrheit der befragten Polinnen und Polen als universelle Probleme benannt wurden, in der Altersgruppe der 17–29-Jährigen wurden jedoch höher als in den übrigen Altersgruppen die Bedeutung von Bildung, Umweltschutz sowie die Stimulierung der Wirtschaft bewertet. Das zeigt, dass sich die politischen Prioritäten in den verschiedenen Altersgruppen deutlich unterscheiden können und entsprechend andere Erwartungen an die Politik gerichtet werden.
Die ungünstige demografische Position der jungen Generation in Polen könnte darauf hinweisen, dass ihre Interessen zugunsten anderer Altersgruppen an den Rand gedrängt werden. Allerdings muss unterstrichen werden, dass die Aktivität und der zivilgesellschaftliche Einsatz der jungen Generation nach wie vor wesentlich sind, insbesondere in politischer Hinsicht. Bestätigt wird das z. B. durch die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen 2025, die im ersten und zweiten Wahlgang in der Altersgruppe der 18– 29-Jährigen 72,8 bzw. 76 Prozent betrug. Nur die Gruppe der 50–59-Jährigen wies eine höhere Beteiligung auf. Außerdem trugen die Stimmen der jungen Wähler, die sowohl Ausdruck der Enttäuschung über die bisherige Regierungspolitik als auch Zeichen des Protestes gegen die bisher regierenden Seilschaften waren, eindeutig zur Unterstützung extrem rechter Kandidaten im ersten Wahlgang und letztlich zum Wahlsieg des rechtskonservativen Karol Nawrocki im zweiten Wahlgang bei (hier stimmten 53,2 Prozent der 18–29-Jährigen für Nawrocki und für den von der Mitte-Links Regierungskoalition unterstützten Kandidaten Rafał Trzaskowski 46,8 Prozent). Das bestätigt, dass die junge Generation in Polen eine wichtige gesellschaftliche Gruppe ist, deren Stimme und Erwartungen gehört werden sollten, insbesondere weil auf sie auch Zukunftserwartungen projiziert werden. Daher sollten ihre Meinungen und Einstellungen zu öffentlichen Angelegenheiten und zur Demokratie sowie ihr zivilgesellschaftliches Engagement nicht nur als Forschungsfrage für gesellschaftliche Analysen betrachtet werden, sondern auch als Stimme einer wesentlichen Gruppe, die Einfluss auf öffentliche Fragen des Landes hat. Positiv ist auch die Tatsache, dass die jungen Menschen in Polen mehr als andere Altersgruppen an ihre Handlungsfähigkeit glauben. In einer im Oktober 2025 vom Meinungsforschungsinstitut CBOS durchgeführten Umfrage gaben nur 34 Prozent der Befragten an, dass sie glauben, Einfluss auf die Angelegenheiten im Land zu haben oder haben zu können. Unter den jüngsten Befragten (18–24 Jahre) waren es jedoch 47 Prozent, die an ihre politische Handlungsfähigkeit glaubten. Das lässt hoffen, dass die jüngsten Bürger auch in einer alternden Gesellschaft fortwährend eine politische Kraft mit Schlüsselbedeutung sind, die politische Angelegenheiten beeinflussen kann.
Anerkennung demokratischer Werte
Sind demokratische Werte den jungen Polinnen und Polen wichtig? In Zeiten, in denen das demokratische politische System derart häufig infrage gestellt wird, ist es angezeigt zu ergründen, ob die demokratische Regierungsform von der Jugend immer noch unterstützt wird. Häufig wird der Demokratie vorgeworfen, bei dringenden gesellschaftlichen Fragen keine schnellen Entscheidungen zu treffen. Der demokratische Prozess ist letztendlich deutlich ausdifferenzierter als Entscheidungsprozesse in Systemen, wo der politische Wille nur von einem kleinen Personenkreis abhängt. In Befragungen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten vom September 2024 wurde ein demokratisches politisches System, in dem Entscheidungen mittels politischer Absprachen und öffentlicher Beteiligung getroffen werden, einem System gegenüber gestellt, das sich auf eine starke Führungsperson stützt, die weder die Meinung des Parlaments noch der Zivilgesellschaft einbeziehen muss (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafik 1). Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass das demokratische politische System immer noch für 74 Prozent der jungen Menschen in Polen eine gute Regierungsform ist, um die Angelegenheiten des Landes zu regeln. Dagegen fand ein System, das auf einer starken Führungsperson gründet, nur bei 13 Prozent Zustimmung, wobei nur zwei Prozent der jungen Befragten dieses als eine sehr gute Regierungsform für Polen benannten. Zwar ist dies eine gute Diagnose für das Land und seine demokratische Zukunft, allerdings stimmen nicht alle gleichermaßen dieser Ansicht zu. Das demokratische System wird mehr von jungen Frauen (77 Prozent) als von jungen Männern (70 Prozent) befürwortet. Zudem erklären mehr Wähler der aktuell regierenden liberal-konservativen Bürgerplattform (Platforma Obywatalska – PO) sowie von Die Linke (Lewica) ihre Unterstützung für die Demokratie, wohingegen die Anhänger der an Stärke gewinnenden extrem rechten Konföderation (Konfederacja) häufiger als die Wähler anderer Gruppierungen die Demokratie kritisch bewerten (21 Prozent) und die Regierung einer starken Führungsperson unterstützen (20 Prozent). Berücksichtigt man, dass die Wähler extrem rechter Parteien häufig junge Männer sind, ist die Sorge um die Zukunft des Vertrauens in das demokratische System nicht abwegig, zumal diese politischen Gruppierungen in Polen stärker werden (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafik 2).
Die Einstellung der jungen Generation stellt sich allerdings viel differenzierter dar, wenn es darum geht, was sie unter dem Stichwort »Demokratie« verstehen. 56 Prozent der jungen Menschen meinen, dass die Demokratie nur das bestmögliche politische System ist, wenn es den Menschen wirtschaftliche Sicherheit garantiert. Mehr als 34 Prozent der Befragten sagten, dass manchmal die Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten eingeschränkt werden müssen, um die Menschen besser vor Terrorismus und anderen Gefahren zu schützen. Hier finden sich die Meinungen der jungen Polinnen und Polen über die drängendsten Probleme des Landes wieder. In der o. g. Untersuchung benannten sie als aktuell größte Herausforderungen für Polen die steigenden Preise, die Lebenshaltungskosten, das Gesundheitssystem sowie die russische Aggression gegenüber benachbarten Staaten. Es wundert daher nicht, dass die Jugend will, dass die Demokratie auch auf die Probleme Antworten findet, die insbesondere die Sicherheit und Wirtschaft betreffen.
Die junge Generation und die Angelegenheiten des Landes
Die hohe Unterstützung der jungen Menschen für das demokratische System bedeutet allerdings nicht eine ebenso große Unterstützung für die Art und Weise, wie sie in Polen funktioniert. Untersuchungen von Eurobarometer im Frühjahr 2025 in den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union sehen bei der Frage nach der Zufriedenheit mit dem Funktionieren des demokratischen Systems im eigenen Land die Jugend in Polen auf Platz 18 (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafik 3).
Das geht auch mit der vorherrschenden Enttäuschung über die politische Situation in Polen einher. In den bereits angeführten Untersuchungen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten zeigt sich nur ein Viertel der jungen Generation mit ihr zufrieden. Der Anteil sinkt zudem seit 2018 beständig – damals gaben 41 Prozent an, zufrieden zu sein –, wobei erwähnt werden muss, dass das Stimmungsbild im Juni 2023 mit 80 Prozent Unzufriedenen noch schlechter war (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafik 4). Es ist nicht erstaunlich, dass die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit den politischen Präferenzen verknüpft ist. Menschen, welche die Parteien der aktuellen Mitte-links Regierungskoalition unterstützen, sind zufriedener als die Anhänger der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) oder der extrem rechten Konföderation.
Der so großen Enttäuschung über die Landespolitik liegen allerdings nicht allein ideologische Konflikte zugrunde. In den Parlamentswahlen 2023 spielte die junge Generation die Schlüsselrolle, ihre Mobilisierung war einer der Gründe für den Wahlsieg der aktuellen Regierungskoalition. Die gegenwärtige Enttäuschung über die Regierung zeigt jedoch, dass die jungen Menschen nicht der Meinung sind, dass die ihr gemachten Wahlversprechen eingelöst wurden. Fragen wie Frauenrechte, Bedarf an Wohnraum oder die Lage junger Menschen am Arbeitsmarkt scheinen im Mainstream der politischen Debatte nicht angesprochen zu werden. Dies führt zu Ermüdungserscheinungen gegenüber dem sog. Duopol, d. h. der seit Jahren bestehenden dominierenden Präsenz zweier Parteien (PO und PiS) auf der politischen Bühne, die den jungen Menschen zufolge keine positiven Veränderungen nach sich zieht. Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2025, bei denen die Kandidaten außerhalb des Regierungslagers große Unterstützung erhielten, scheinen das zu bestätigen. Darüber hinaus richtet sich die Unzufriedenheit der jungen Generation auch auf Ministerpräsident Donald Tusk. In einer Umfrage von Opinia24 im Oktober 2025 sprachen sich 59 Prozent der 25–29-Jährigen für einen Wechsel des Ministerpräsidenten aus, das sind über zwölf Prozent mehr als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.
Die Unzufriedenheit mit der politischen Situation scheint auch mit dem geringen Vertrauen der jungen Menschen in die öffentlichen Institutionen einherzugehen (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafik 5). Gefragt nach ihrem Vertrauen, schenkt die junge Generation v. a. den lokalen Behörden, dem Bürgerrechtsbeauftragten, der Europäischen Union und Nichtregierungsorganisationen Glauben. Politische Institutionen wie der Sejm, der Senat, die Regierung, der Präsident oder die politischen Parteien weisen höhere Misstrauens- als Vertrauenswerte auf. Insbesondere Letztere sind schlecht in der Gesellschaft angesehen. Nur zehn Prozent der jungen Menschen schenken ihnen irgendwelches Vertrauen und nur ein Prozent von ihnen großes Vertrauen. Dies entspricht dem immer häufiger von jungen Menschen geäußerten Wunsch, mit dem bisherigen politischen Parteien-Duopol abzuschließen. Auch die öffentlichen Medien sind für die Jugend nicht vertrauenswürdig, was die Frage aufwirft, wo sie stattdessen ihre Informationen über öffentliche Angelegenheiten beziehen (dazu im Folgenden mehr).
Im Vergleich zu den Männern zeigten die jungen Polinnen mehr Vertrauen gegenüber der Tätigkeit öffentlicher Institutionen und brachten der Mehrheit der in der Untersuchung abgefragten Institutionen ein größeres Vertrauen entgegen. Eine Ausnahme sind Institutionen der Exekutive wie der Präsident oder die Regierung, denen wiederum von den jungen Männern mehr Vertrauen entgegen gebracht wird als von den jungen Frauen. Obgleich die Vertrauensindizes der jungen Generation im Vergleich zu 2023 angestiegen sind, wird der Mehrheit der genannten Institutionen immer noch mit überwiegend Misstrauen begegnet. Die größte, positive Veränderung verzeichneten die lokalen Behörden, denen 2023 37 Prozent vertrauten und 2024 bereits 48 Prozent. Die junge Generation scheint also den Eindruck zu haben, dass die Landespolitik ihre Verantwortung der Gesellschaft gegenüber nicht ausübt – im Gegensatz zu den lokalen Institutionen, die eine größere Nähe zu den Menschen und ihren Problemen haben.
Zivilgesellschaftliche Aktivitäten und Einstellungen zu gesellschaftlichen Fragen
Die jungen Polinnen und Polen sind eine Gruppe, deren zivilgesellschaftlicher Aktivität besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Letztlich erwies sich ihr Engagement bei den Präsidentschaftswahlen 2025 als ausschlaggebend für die Stärkung bestimmter politischer Gruppen, insbesondere außerhalb des politischen Mainstreams. Zwar ist die Stimmabgabe bei Wahlen die verbreitetste Art und Weise der jungen Menschen, sich im öffentlichen Leben in Polen zu engagieren, doch zeigen sie auch andere Formen zivilgesellschaftlicher Aktivität, insbesondere im Internet. Die Untersuchung des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten zeigt, dass sich 46 Prozent der jungen Generation in Polen an online-Spendensammlungen beteiligen. Der Vergleich mit jungen Menschen in Ungarn und der Slowakei, wo die gleiche Untersuchung im Rahmen eines Projekts des National Democratic Institute durchgeführt wurde, ergibt, dass diese Form der Aktivität deutlich stärker bei den Polinnen und Polen vertreten ist, die bis zu dreimal häufiger angeben, dass sie ausgewählte Initiativen im Internet unterstützt haben (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafik 6). Auf dem nächsten Platz folgt die Teilnahme an online-Petitionen oder die Beteiligung an online-Protesten. Interessant ist, dass diese Aktionsformen ihre Pendants in der realen Welt verdrängt haben. Die unmittelbareren Formen sich zu engagieren wie die Mitgliedschaft in einer politischen Partei, der Kontakt zu lokalen Politikern oder die Teilnahme an gesellschaftlichen Konsultationen sind bei jungen Menschen keine besonders verbreiteten Aktionsformen. Das Internet wird für die jungen Menschen in Polen zu einer neuen Form, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Eine Ausnahme ist allein das Ehrenamt, das eine wichtige Form zivilgesellschaftlichen Engagements geblieben ist, insbesondere für die jüngsten Befragten (16–24 Jahre).
Zweifellos hat die Tagespolitik besonderen Einfluss auf die Einstellungen der jungen Menschen zu bestimmten gesellschaftlichen Fragen. Sie spiegeln häufig aktuelle Sorgen über die Zukunft und die Entwicklung der Welt, in die sie hineinwachsen. Gefragt nach der Mitgliedschaft in der Europäischen Union, bestätigten in der Untersuchung des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten 61 Prozent der jungen Menschen, dass Polen dadurch gestärkt wird. Häufiger stimmten hier diejenigen zu, die mit der politischen Situation im Land zufrieden sind, einen akademischen Abschluss haben und sich für Politik interessieren. Unter denen, die angeben, Die Linke zu wählen, sind es 85 Prozent, die diese positive Einstellung zur EU kundtun, bei den Wählern der aktuell regierenden Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska – KO) 84 Prozent. Das ist nicht verwunderlich, denn gerade diese Parteien unterstreichen in ihren politischen Programmen besonders den Wert der EU-Mitgliedschaft. Die jungen Polinnen und Polen sprechen sich mit 54 Prozent auch für die Notwendigkeit aus, verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, darunter auch sexuellen Minderheiten, rechtliche Garantien für ihre Gleichstellung zu geben. Weniger optimistisch präsentiert sich die Einstellung der jüngsten Befragten gegenüber Immigranten. Danach gefragt, ob Immigranten der polnischen Gesellschaft einen positiven Beitrag leisten, bejahten dies nur 19 Prozent, während 61 Prozent skeptisch blieben. Diese Einstellung teilen vor allem Personen, die mit der aktuellen politischen Situation im Land nicht zufrieden sind. Auch junge Frauen äußerten sich seltener positiv über den Beitrag von Immigranten in der polnischen Gesellschaft. Das ist insofern interessant, als die jungen Polinnen stärker den Bedarf sehen, die Rechte verschiedener gesellschaftlicher Gruppen im Land zu schützen. Die zunehmende Popularität solcher politischer Gruppen wie der extrem rechten Konföderation scheint auf diese Einstellungen Einfluss zu haben. Insbesondere bei den jungen Menschen, die angeben, diese Partei zu wählen, ist die Skepsis gegenüber Migranten, der Europäischen Union oder Gleichberechtigung am stärksten (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafiken 7–9).
Interessant ist zudem die Einstellung zu den Geflüchteten aus der Ukraine und Unterstützungsmöglichkeiten für diese Gruppe (siehe Rubrik »Umfragen, Grafik 10). In der polnischen Gesellschaft werden sie häufig von anderen Flüchtlingsgruppen (z. B. aus Afrika und dem Nahen Osten) unterschieden. Auf die Frage nach dem Recht der ukrainischen Kriegsflüchtlinge auf verschiedene Arten von Unterstützung nannten die jungen Menschen vor allem praktische Hilfe und gesellschaftliche Integration. Die Möglichkeit, eine Arbeit aufzunehmen, Zugang zum öffentlichen Bildungssystem sowie zu kostenlosen Polnischkursen bestimmen die Vorstellungen der jungen Polinnen und Polen, wie den Geflüchteten aus der Ukraine geholfen werden kann. Auch wenn sich diese Vorstellungen mit den Untersuchungsergebnissen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten im Jahr 2023 decken, haben doch viele andere Formen der Unterstützung an Zustimmung eingebüßt, insbesondere im Bereich Gesundheitsversorgung, Versorgung mit Wohnraum und Sozialleistungen. Deutlich, und zwar um zehn Prozentpunkte, stieg auch der Anteil derjenigen, die sagten, dass die ukrainischen Geflüchteten überhaupt keine Unterstützung erhalten sollten. Allerdings lässt sich hier auch ein Missverhältnis zwischen den Altersgruppen der jungen Menschen sehen, denn die jüngsten Befragten (16–24 Jahre) äußern seltener so radikale Ansichten. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die negative Rhetorik im öffentlichen Diskurs gegenüber den Migranten aus der Ukraine auch die jungen Menschen beeinflusst. Die Dominanz der antiukrainischen Stimmung, die besonders im Präsidentschaftswahlkampf 2025 zutage trat, hat mit Sicherheit die positive Einstellung gegenüber dem gesellschaftlichen Beitrag und dem Image der ukrainischen Nachbarn in Polen geschwächt.
Informationsquellen für politische Themen
Ein wesentlicher Bestandteil der Charakteristik der jungen Polinnen und Polen sind ihr Interesse an Politik und ihre Informationsquellen zu öffentlichen Angelegenheiten. Untersuchungen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten aus dem Jahr 2024 zufolge interessieren sich 62 Prozent für Politik, wobei dies mehr bei den jungen Männern (71 Prozent) als bei den jungen Frauen (54 Prozent) sowie stärker bei den Älteren (25–29 Jahre) als bei den Jüngsten (16–19 Jahre) der Fall ist. Zwar handelt es sich immer noch um die Mehrheit, aber der Anteil der jungen Menschen, die angeben, sich für Politik und öffentliche Angelegenheiten zu interessieren, sank. 2018 erklärte jeder zweite junge Mensch in Polen, Interesse an öffentlichen Angelegenheiten zu haben. Die jungen Menschen waren damals auch sehr viel zufriedener mit der politischen Situation im Land, was nahelegt, dass Politikverdrossenheit zum Rückzug aus dem öffentlich Bereich führt. Darauf weisen u. a. die außergewöhnlich niedrigen Indizes der Zufriedenheit und des Interesses an Politik im Juni 2023 hin (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafiken 4 u. 11).
Wichtig ist es, in diesem Zusammenhang zu untersuchen, woher die jungen Menschen ihre Informationen über Politik beziehen. Für die junge Generation in Polen sind dies hauptsächlich die sozialen Medien. An erster Stelle steht Facebook, gefolgt von YouTube und Instagram. Auch TikTok und Internetportale standen im Ranking des Medienkonsums weit oben. Hier unterscheiden sich die jungen Polinnen und Polen nicht von ihren Altersgenossen in anderen Ländern. Die Zusammenstellung der Ergebnisse dieser Untersuchung, die identisch in Ungarn und der Slowakei vom National Democratic Institute durchgeführt wurde, zeigt, dass auch in diesen Ländern die Jugend am häufigsten auf das Internet zurückgreift, um mehr über Politik und öffentliche Angelegenheiten zu erfahren (siehe Rubrik »Umfragen«, Grafik 12). Traditionelle Medien wie Printmedien oder Fernsehen finden keine größere Resonanz bei den jungen Menschen. Festzuhalten ist jedoch, dass private Radiosender in Polen hohen Zuspruch verzeichnen.
Das Internet wird von den jungen Menschen als Hauptinformationsquelle genannt, was die Frage nach der Qualität der dort zugänglichen Informationen aufwirft. Laut Eurobarometer 2025, das Meinungen zu den Gefahren für die Demokratie in der Europäischen Union untersucht, nannten die jungen Polinnen und Polen an erster Stelle »falsche und/oder irreführende Informationen, die im Internet und außerhalb zirkulieren«. Gleichzeitig ist das Internet derjenige Bereich, wo Desinformation nicht nur am häufigsten vorherrscht, sondern auch schwierig nachzuweisen ist. Auch wenn sich die jungen Menschen deutlich der Gefahren im Zusammenhang mit Desinformation bewusst sind, reicht dies allein nicht dafür aus, dass sie resilient gegenüber Falschmeldungen sind. Im Gegenteil – die Überzeugung, dass Desinformation und Fake News allgegenwärtig sind, hat ohne zusätzliche Bildung und wachsendes Vertrauen in geprüfte Quellen zur Folge, dass die jungen Menschen aufhören, auch den Quellen zu glauben, die zuverlässige Informationen vermitteln. In Verbindung mit dem Gebrauch des Internets als erste Informationsquelle lässt sich festhalten, dass die jungen Menschen deutlich stärker einem Informationschaos ausgesetzt sind. Leider wurde die digitale Bildung in Polen bisher nicht ausreichend und systematisch eingeführt. Auch wenn die Digitalisierung in Polen insgesamt zunimmt, bleiben die Ausbildung des Lehrpersonals und die allgemeine Etablierung der digitalen Bildung auf einem nicht zufrieden stellenden Niveau. Der Bericht über den Stand der digitalen Dekade (2023) der Europäischen Kommission zeigt, dass Polen seine Maßnahmen im Bereich der digitalen Kompetenz bereits in den Grundschulen sowie den weiterführenden Schulen intensivieren sollte, mit besonderem Fokus auf weit entwickelte und neue Technologien. Im Zeitalter der Entwicklung neuer Technologien, Chatbots inbegriffen, die auch für junge Menschen zunehmend zur ersten Informationsquelle werden, ist dies eine der großen Herausforderungen für den Staat.
Fazit
Die junge Generation in Polen bleibt, auch wenn sie demografisch eine Minderheit darstellt, ein Schlüsselakteur im öffentlichen Leben. Ihr Engagement, ihre Werte und Erwartungen an den Staat können über die zukünftige Gestalt der Demokratie in Polen entscheiden – unter der Bedingung, dass die Politik anfängt, tatsächlich mit ihr zu reden. Die jungen Menschen in Polen sind keine gleichgültige Generation, sie sind kritisch, aber engagiert, skeptisch gegenüber öffentlichen Institutionen, aber immer noch von der eigenen Handlungsfähigkeit überzeugt. Sie haben das Potential, die Demokratie zu erneuern, wenn ihnen nur der Raum gewährt wird, tatsächlich mitzuentscheiden, und ihnen vonseiten des Staates Vertrauen entgegen gebracht wird. Allerdings machen sich bei ihnen auch oftmals Enttäuschung und Politikverdrossenheit breit, so dass sie sich neuen, häufig extremen Bewegungen und Lösungen zuwenden. Ihre zivilgesellschaftlichen Aktivitäten finden häufig online statt, was sie wiederum anfälliger für Desinformation macht und sie in bestimmten Informationsblasen einschließt. Daher ist eine zunehmende Radikalisierung der jungen Generation in Polen zu beobachten, die enttäuscht von der Politik Wege sucht, diese zu verändern. Damit sich allerdings die Einstellungen der jungen Polinnen und Polen nicht gegen die demokratische Ordnung entwickeln, sollten schnellstmöglich folgende Empfehlungen umgesetzt werden.
- Das Vertrauen der jungen Menschen in den Staat und die Politik muss wieder aufgebaut werden – mithilfe von Transparenz, einer glaubwürdigen Kommunikation sowie Reaktionen auf die Probleme, die für junge Menschen Schlüsselbedeutung haben (Wohnraum, Arbeitsmarkt, Frauenrechte).
- Zivilgesellschaftliche und digitale Bildung sollten die Grundlage sein, auf der über die jungen Menschen als aktive Mitglieder der Gesellschaft nachgedacht wird. Die Entwicklung der Kompetenz, Informationen kritisch zu bewerten, die Stärkung demokratischer Einstellungen und die Vermittlung, wie demokratische Institutionen arbeiten, ist notwendig, um der Isolierung junger Menschen im Internet entgegen zu wirken.
- Informationen, wo und wie sich junge Menschen gesellschaftlich engagieren können, sollten sowohl online als auch offline zugänglich sein. Viele von ihnen wollen sich einbringen, wissen aber nicht, wo sie entsprechende lokale Initiativen oder ehrenamtliche Aufgaben suchen sollen. Das Internet kann sowohl die zivilgesellschaftliche Aktivität der jungen Menschen im Netz erhöhen als auch dazu dienen, dass sie einen Platz für zivilgesellschaftliches Engagement außerhalb des Internets finden.
- Die öffentliche Teilhabe der jungen Generation sollte für die politisch Verantwortlichen Priorität haben. Die Entwicklung verschiedener partizipatorischer Möglichkeiten wie gesellschaftliche Anhörungen oder Jugendräte sind nur einige Möglichkeiten, um jungen Menschen das Gefühl zu geben, Einfluss auf öffentliche Entscheidungen nehmen zu können. Die Abneigung gegenüber der Politik wie sie von den jungen Menschen aktuell gezeigt wird, resultiert häufig aus dem Gefühl, ausgeschlossen zu sein, bzw. dass die eigenen Bedürfnisse ignoriert werden. Wichtig wäre es also, statt den jungen Menschen die Vision für ihr Land vorzugeben, diese zusammen mit ihnen zu schaffen.
Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate