Die Rolle der Kirche im neuen Russland

Von Thomas Bremer

Zusammenfassung
Die enge Beziehung zwischen Kirche und Staat hat in Russland Tradition. Nach dem Ende der Sowjetunion sah sich die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) in vieler Hinsicht in einer völlig neuen Situation. Nach einer Phase der Unterdrückung bzw. der Duldung in sehr engen Grenzen konnte sie nun in großer und für sie ungewohnter Freiheit agieren. Zugleich hatte sie in der russischen Gesellschaft, die sich neu formierte, einen Platz zu finden. Damit tat sich die ROK nicht leicht. Heute sieht sich heute die Kirche als Vertreterin der Interessen des Volkes, wobei das keinen Gegensatz zur Regierung bedeutet. Die ROK sieht diese Interessen sowohl beim bisherigen Präsidenten Putin als auch bei seinem Nachfolger Medwedjew gut aufgehoben. Der Staat selber hingegen sieht die Kirche als Garantin für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Mehrheit der Bevölkerung vertraut der Kirche und sieht in ihr eine Institution, die Werte vermitteln und den inneren Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken kann. Die Frage, ob man mit solchen Positionen Antworten auf die Herausforderungen einer globalisierten Welt finden wird, werden sich in Russland sowohl der Staat als auch die Kirche stellen müssen.

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Artikel

Antirevolutionäre Revolutionserinnerungspolitik: Russlands Regime und der Geist der Revolution

Von Il’ja Kalinin
Russlands Führung steht im Jahr 2017 vor einer Herausforderung: Sie muss Erinnerung an die Oktoberrevolution in ein Geschichtsbild verpacken, das Revolutionen als solche ablehnt. Ihre zentrale Botschaft lautet: Versöhnung. Doch es geht nicht um den Bürgerkrieg 1917–1920. Die Vergangenheit ist nur vorgeschoben. Es geht darum, jede Form von Kritik am heutigen Regime als Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens zu diffamieren und mit dem Stigma zerstörerischer revolutionärer Tätigkeit zu belegen. (…)
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Analyse

Vorerst gescheitert: »Pussy Riot« und der Rechtsstaat in Russland

Von Caroline von Gall
Die Bilder der »Pussy Riot«-Musikerinnen Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Maria Alechina auf der Anklagebank im Moskauer Chamowniki-Gericht gingen um die Welt. Wie kein anderes Verfahren bestimmte der Prozess die politische Debatte in diesem Sommer und rief auch in Deutschland starken öffentlichen Protest hervor. Aus juristischer Perspektive zeigt das Verfahren dagegen nur exemplarisch die bekannten Mängel der russischen Strafjustiz: Die russische Verfassung und die Europäische Konvention für Menschenrechte (EMRK) sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) werden bei der Auslegung der relevanten Normen nicht beachtet. Die Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen bleibt in Anklage und Urteil an der Oberfläche. Wenn auch in diesem Fall eine politische Einflussnahme nicht nachgewiesen werden kann, fehlt es den politischen Eliten seit langem am erkennbaren Willen, die Strafjustiz zu professionalisieren, die Urteile des EGMR systematisch umzusetzen und die Unabhängigkeit der Justiz deutlich zu verbessern. (…)
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