Analyse Von Caroline von Gall
Die Bilder der »Pussy Riot«-Musikerinnen Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Maria Alechina auf der Anklagebank im Moskauer Chamowniki-Gericht gingen um die Welt. Wie kein anderes Verfahren bestimmte der Prozess die politische Debatte in diesem Sommer und rief auch in Deutschland starken öffentlichen Protest hervor. Aus juristischer Perspektive zeigt das Verfahren dagegen nur exemplarisch die bekannten Mängel der russischen Strafjustiz: Die russische Verfassung und die Europäische Konvention für Menschenrechte (EMRK) sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) werden bei der Auslegung der relevanten Normen nicht beachtet. Die Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen bleibt in Anklage und Urteil an der Oberfläche. Wenn auch in diesem Fall eine politische Einflussnahme nicht nachgewiesen werden kann, fehlt es den politischen Eliten seit langem am erkennbaren Willen, die Strafjustiz zu professionalisieren, die Urteile des EGMR systematisch umzusetzen und die Unabhängigkeit der Justiz deutlich zu verbessern. (…)
Zum Artikel Analyse Von Vladimir Gelman
Die Verfassungskrise von 1993 war einer der wichtigsten Wendepunkte in der gescheiterten Demokratisierung Russlands und der anschließenden Hinwendung des Landes zu einem personalistischen autoritären Regime. Die russischen Eliten gaben marktwirtschaftlichen Reformen den Vorrang und opferten die weitere Demokratisierung des Landes, um den neuen politischen Status quo zu erhalten. Dies war ein wichtiger Auslöser des Konflikts vom Oktober 1993. Die neue russische Verfassung reduzierte die institutionelle Beschränkung der Macht des Präsidenten drastisch und ebnete damit den Weg zur Etablierung eines autoritären Regimes.
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