Es ging um Korruption, nicht um Bildungspolitik

Von Eduard Klein (Bremen)

Wenngleich ich Ihre Kritik sehr ernst nehme und sie stellenweise sicherlich auch zutreffend ist, möchte ich an dieser Stelle dennoch die Möglichkeit nutzen, meine Arbeit zu verteidigen

Frau Teichmann kritisiert, dass ich »die Realität in der Bildungsfinanzierung nur unzureichend beschreibe und analysiere« – und tatsächlich nimmt dieser Punkt in meinem Text kaum Raum ein. Der Artikel fokussiert allerdings auch nicht die Finanzierung des Bildungssystems, sondern das Phänomen Bildungskorruption, weshalb auch lediglich der Zusammenhang zwischen der Unterfinanzierung des Bildungssystems in den 1990er Jahren und dem Anstieg der Bildungskorruption thematisiert – und eben nicht das Finanzierungssystem als solches beschrieben wird. Der Schwerpunkt der Ausgabe lag schließlich auf dem Thema Korruption, und nicht auf dem der Bildungspolitik. Die Darstellung der verschiedenen Finanzierungsmechanismen und -quellen hätte den Rahmen eines kurzen dreiseitigen Artikels bei Weitem gesprengt. Mir war es wichtig herauszustellen, dass die Konsolidierung der finanziellen Situation in der letzten Dekade nicht zur Reduzierung von Bildungskorruption geführt hat. Die Aufmerksamkeit des Lesers sollte nicht darauf gelenkt werden, welche Faktoren im Einzelnen zu dieser Verbesserung beigetragen haben bzw. aus welchen Quellen die Finanzierung der Hochschulen gesichert wird, sondern auf die Tatsache, dass Korruption im Hochschulwesen durch bessere finanzielle Rahmenbedingungen nur bedingt steuerbar ist und inzwischen eine Eigendynamik entwickelt hat.

In meinem Artikel argumentiere ich, dass das 2009 landesweit eingeführte Einheitsexamen »EGE« (sicherlich lief die Testphase bereits seit langem; die obligatorische Einführung, von der ich spreche, erfolgte jedoch erst dann) ein wesentliches Instrument zur Korruptionsbekämpfung ist. Tatsächlich hatte die Reform verschiedene Ziele, ich benenne dasjenige konkret, das für die von mir erörterte Problematik wichtig ist. Sie beide sehen die Hauptaufgabe des EGE in der Vereinheitlichung der Auswahlverfahren und der Schaffung von mehr Transparenz, was sicherlich richtig ist. Richtig ist aber auch, dass man sich hiervon eine signifikante Abnahme der Korruption erhofft. Die Korruptionsbekämpfung ist daher zumindest eine der wesentlichen Funktionen des EGE und meine Behauptung, dass das EGE zur Verringerung von Korruption beitragen soll, daher nicht falsch. In einem Fernsehinterview von August 2009 wurde Präsident Medvedev zum »Hauptmotiv« des EGE befragt und nannte – als erstes von drei Zielen – die Korruptionsbekämpfung:

»No matter how much the national final school exam is criticised, and it is not ideal, has not been in place for long, and naturally still needs improvement, but the fact remains that it is a system: a) aimed at fighting corruption; b) making the whole examination process a lot more transparent, and, as you said, it also gives equal chances to students from the provinces and those from the big cities.«

Ein Leitspruch des EGE, »Das Wissen entscheidet alles!«, stützt meine Einschätzung: Ausschlaggebend für den Erfolg bei den Examen soll das Wissen der Kandidaten sein – nicht die finanziellen Mittel oder die persönlichen Beziehungen.

Scheinbar habe ich bei Frau Teichmann den Eindruck erweckt, dass ich das Repetitorstwo per se für illegal halte, was nicht der Wahrheit entspricht. Vielleicht hätte ich diesen Aspekt präziser formulieren müssen. Es ist natürlich richtig, dass nicht alle Repetitoren im »Schwellenbereich zur Illegalität« agieren. Dass aber grundsätzlich auch Nachhilfe-Kurse existieren, die nicht primär dem Erwerb von Wissen, sondern dem informellen Hochschulzugang dienen, ist schwer zu bestreiten. Während zahlreicher Interviews, die ich mit russischen Studenten führte, wurde mir mehrfach von Repetitoren berichtet, die nicht nur die Funktion des Nachhilfelehrers ausübten, sondern gleichzeitig auch noch einen Sitz in der Auswahlkommission einer Universität hatten. Ausgerechnet der Unterricht der Repetitoren mit dieser Doppelfunktion war signifikant teurer als bei den üblichen Repetitoren. Dass ihre Schüler außerdem die von ihnen angestrebten Studienplätze erhielten, veranlasst nicht nur mich, sondern auch viele Studenten dazu, an der legalen Arbeitsweise derartiger Repetitorien zu zweifeln.

Eng mit dem Thema »Repetitoren« verbunden ist das Problem der niedrigen Gehälter im Bildungswesen. Frau Schmidt kritisiert meine Aussage, dass die Löhne »häufig nicht einmal zur Existenzsicherung reichen« und spricht davon, dass in den letzten Jahren die Einkommen erhöht wurden. Dem möchte ich gar nicht widersprechen, bin jedoch der Auffassung, dass die Löhne nach wie vor viel zu niedrig sind. Die Tatsache, dass viele Dozenten an mehreren Universitäten gleichzeitig arbeiten oder sich als Repetitoren ein Zubrot verdienen müssen, um zu überleben, verdeutlicht die nach wie vor vorhandene Unterbezahlung.

Abschließend möchte ich noch einmal für die konstruktive Kritik bedanken und werde einiges davon in Zukunft berücksichtigen.

Eine umfangreiche Studie von Eduard Klein zu Korruption im russischen Hochschulwesen ist online abrufbar unter http://www.forschungsstelle.uni-bremen.de/images/stories/pdf/ap/fsoap108.pdf


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