Russlands Exportpipelines: Diversifizierung oder Bestandssicherung?

Von Andreas Heinrich (Bremen)

Zusammenfassung
Russland hat in den letzten zehn Jahren seine Pipelineexportkapazitäten deutlich ausgebaut und weitere Projekte sind im Bau oder in der Planung. Als Begründung wird oftmals die Diversifikation der Exportrouten und Absatzmärkte angeführt. Im Folgenden werden bestehende und geplante Exportpipelines kurz vorgestellt. Danach wird analysiert, ob sie tatsächlich der Diversifikation der Exportwege dienen, bevor der Frage nachgegangen wird, ob Russlands Erdöl- und Erdgasproduktion ausreichen wird, um die Pipelines zu füllen.

Einleitung

Russland hat in den letzten zehn Jahren seine Pipelineexportkapazitäten deutlich ausgebaut und weitere Projekte sind im Bau oder in der Planung. Als Begründung wird oftmals die Diversifikation der Exportrouten und Absatzmärkte angeführt. Zum einen bemüht Russland sich seit längerem, seine große Abhängigkeit vom europäischen Absatzmarkt zu verringern; bis Ende 2010 liefen alle russischen Erdöl- und Erdgaspipelines ausschließlich nach Westen. Daher sind Pipelines zur russischen Pazifikküste und nach China geplant, um asiatische Märkte zu erschließen. Zum anderen setzt Russland auch alles daran, seine Abhängigkeit von Transitländern auf dem Weg zu europäischen Märkten zu reduzieren. Dies nicht zuletzt aufgrund wiederholter Konflikte mit Transitländern über ausstehende Zahlungen, Transittarife u. ä. Diese Konflikte (vor allem mit Belarus und der Ukraine) haben mehrfach zu Lieferunterbrechungen geführt.

Experten befürchten aber, dass Russland nicht in der Lage sein wird, all seine Pipelines mit Erdöl und Erdgas zu füllen, da die Produktion nicht mit dem Bau der Pipelines mithält. Dafür sind vor allem mangelnde Investitionen in Exploration und Produktion sowie die nationale Infrastruktur verantwortlich. Viele der bereits bekannten Vorkommen sind z. B. nicht an die bereits vorhandenen Pipelinenetze angebunden und können deshalb nicht ausgebeutet werden.

Die einzelnen Pipelines werden im Folgenden kurz vorgestellt. Einen Überblick geben die Tabellen sowie die Karte im Anschluss an diesen Beitrag.

Erdölpipelines im Überblick

Die sowjetische Erdölexportpipeline »Freundschaft« (Druzhba) wurde 1964 eröffnet und bildete die Grundlage für sowjetische und später russische Erdölexporte. Die Pipeline läuft von Tatarstan zur Raffinerie in Mozyr (Belarus) und teilt sich dort in einen nördlichen und einen südlichen Strang. Der nördliche Strang läuft durch Polen in die ehemalige DDR und dient der Belieferung der Raffinerien in Płock und Schwedt. Der südliche Strang führt in die Ukraine, die Slowakei (mit einem Abzweig nach Ungarn) und die Tschechische Republik.

Bis zum Jahr 2006 wurde auch die litauische Raffinerie Mažeikių und der lettische Verladehafen Ventspils von einer Abzweigpipeline von Unecha an der Grenze zu Belarus aus versorgt. Seitdem wird russisches Erdöl mit Hilfe des Baltischen Pipelinesystems (BPS) über russische Ostseehäfen exportiert.

Baltisches Pipelinesystem (BPS)

Der erste Abschnitt des BPS, als Verbindung der Druzhba Pipeline (in Zentralrussland) zum Verladehafen Primorsk nördlich von St. Petersburg, wurde im Jahre 2001 fertiggestellt und seitdem ausgebaut. Die Gesamtkapazität beträgt nun 76,5 Millionen Tonnen pro Jahr.

Der Bau einer zweiten Trasse von der russisch-belarussischen Grenze zum Verladehafen Ust-Luga westlich von St. Petersburg soll 2012 abgeschlossen sein und eine Kapazität von anfangs 30 Millionen Tonnen pro Jahr haben; die Kapazität soll später auf 38 Millionen Tonnen pro Jahr erhöht werden.

Trans-Balkan Pipeline (Burgas-Alexandroupolis)

Der Bosporus ist aufgrund der Beschränkungen für die Zahl der passierenden Tankschiffe eine Engstelle für Erdölexporte von russischen Schwarzmeerhäfen auf dem Seeweg. Die zur Umgehung des Bosporus geplante Erdölpipeline vom bulgarischen Burgas nach Alexandroupolis in Griechenland sollte ursprünglich im Jahre 2010 in Betrieb genommen werden; dieser wurde nun auf 2014 verschoben. Russland hält mit Transneft 51 % der Anteile, Bulgarien und Griechenland jeweils 24,5 %. Die rund 280 km lange Pipeline hat eine Kapazität von 35 Millionen Tonnen pro Jahr, welche auf 50 Millionen Tonnen ausgeweitet werden kann. Ausstehende Zahlungen aus Bulgarien in Höhe von 1 Milliarde Euro werden für die Verzögerung des Projektes verantwortlich gemacht.

Trans-Anatolien Pipeline (Samsun-Ceyhan)

Im Jahre 2009 beteiligte sich Russland (zusammen mit Italien und der Türkei) am Bau einer Ölpipeline vom türkischen Schwarzmeerhafen Samsun zum Mittelmeerhafen Ceyhan. Dies war eine Reaktion auf das schleppende Vorankommen der Trans-Balkan Pipeline. Die Fertigstellung der Trans-Anatolien Pipeline mit einer Kapazität von 50–75 Millionen Tonnen pro Jahr soll 2015 erfolgen; die Kosten werden auf US$1,5–3 Milliarden geschätzt.

Die Wirtschaftlichkeit dieser Pipeline würde zusätzliche Liefermengen von Russland zum Schwarzen Meer erfordern, etwa durch verstärkte kasachische Erdölexporte durch die CPC Pipeline zum russischen Verladehafen Novorossiisk, sowie auch die Erhöhung russischer Schwarzmeerexporte.

East Siberia–Pacific Ocean (ESPO)

Während russische Erdölexporte per Pipeline bisher ausschließlich nach Westen möglich waren, soll eine Exportpipeline von Ostsibirien zur russischen Pazifikküste nicht nur die ostsibirischen Ölfelder an das Pipelinenetz anbinden, sondern auch Absatzmärkte in der Asien-Pazifik-Region eröffnen.

Der erste Bauabschnitt von Taischet nach Skovorodino wurde Ende 2009 in Betrieb genommen; der Abschnitt ist 2760 km lang und hat eine Kapazität von 50 Millionen Tonnen pro Jahr. Der zweite Abschnitt von Skovorodino zum Verladehafen in der Kozmino Bucht nahe Nachodka, der 2014 fertiggestellt sein soll, ist 2100 km lang und wird eine Kapazität von 80 Millionen Tonnen pro Jahr haben. Bis zur Fertigstellung des zweiten Abschnitts wird Rohöl per Eisenbahn von Skovorodino zum Exporthafen nach Kozmino transportiert.

Die Fertigstellung des ersten Teilstücks der ESPO Pipeline ermöglichte zugleich den Bau einer Exportpipeline nach China. Dafür vergab die China Development Bank im Februar 2009 einen Kredit in Höhe von US$25 Milliarden an die russischen staatlichen Unternehmen Rosneft (Produktion) und Transneft (Pipelinebetrieb), welche sich im Gegenzug zur Lieferung von 15 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr für die Dauer von 20 Jahren verpflichteten. Die Kreditvergabe sollte es den russischen Unternehmen ermöglichen, eine Ablegerpipeline vom fertiggestellten Teilstück der ESPO Pipeline zur Belieferung Chinas zu bauen und Rosneft bei der Erschließung seiner ostsibirischen Ölfelder zu helfen, deren Produktion durch die zu bauenden Pipelines exportiert werden soll. Die im Dezember 2010 fertiggestellte Verbindung von der ESPO Pipeline in Skovorodino nach China hat eine Länge von lediglich 67 km und eine Durchleitungskapazität von anfangs 15 Millionen Tonnen, die auf 30 Millionen Tonnen pro Jahr ausgebaut werden soll.

Erdgaspipelines im Überblick

Auch die sowjetischen Erdgasexporte wurden in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre durch den Aufbau eines weitverzweigten Pipelinenetzes ermöglicht, das die Sowjetunion ab Mitte der 1970er Jahren zu einem der großen Erdgasexporteure der Welt macht. Zentral sind hier die Pipelinesysteme »Bruderschaft« und »Nordlicht«, die von Russland über die Ukraine und Belarus nach Mitteleuropa verlaufen. Hinzu kommt die Trans-Balkan Pipeline, die von der Ukraine zum Balkan verläuft.

Nord Stream

Die 1200 km lange Nord Stream-Pipeline verläuft vom russischen Vyborg durch die Ostsee nach Greifswald in Deutschland. Die zwei parallelen Stränge haben eine Kapazität von jeweils 27,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr; der erste Strang soll Ende 2011 fertiggestellt werden, der zweite 2012. Die Projektkosten werden auf rund 12 Milliarden Euro geschätzt.

Das kontrovers diskutierte Projekt soll laut dem russischen Erdgasmonopolisten Gazprom die Abhängigkeit russischer Erdgaslieferungen von Transitstaaten wie der Ukraine und Belarus reduzieren. Mit diesen ist es in der Vergangenheit wiederholt zu Konflikten und – daraus resultierend – Lieferunterbrechungen gekommen.

South Stream

Auch die South Stream-Pipeline dient diesem Ziel. Das Pipelineprojekt befindet sich noch in der Planungsphase; mit einer endgültigen Entscheidung über den Bau der Pipeline wird gegen Mitte 2011 gerechnet. Die Pipeline soll bei vollem Betrieb (vier Röhren) eine Kapazität von 63 Milliarden Kubikmeter pro Jahr haben und 2015 fertiggestellt werden. Die Pipeline würde von Russland durch das Schwarze Meer nach Bulgarien verlaufen. In Bulgarien teilt sich die Pipeline: ein Strang wird nach Griechenland und Süditalien verlaufen, während der andere durch Serbien und den Balkan nach Zentraleuropa und Norditalien führen soll.

Das unterseeische Teilstück durch das Schwarze Meer würde 900 km lang sein und maßgeblich zu den geschätzten Baukosten von 15–25 Milliarden Euro beitragen. Die russische Seite verlautbarte, dass die Kosten des Projekts keine Rolle spielen. Dort wird das Projekt als strategisch eingeschätzt.

Während derzeit noch rund 80 % der Erdgasexporte nach Mittel- und Westeuropa durch die Ukraine transportiert werden, würde die Inbetriebnahme von Nord Stream und South Stream die Bedeutung der Ukraine als Transitland drastisch reduzieren. Das Land befürchtet eine Halbierung des Transitvolumes im Jahre 2015, sollten dann beide Pipelines in Betrieb sein. Zudem bedürfen die Transitpipelines aus sowjetischer Zeit dringend der Modernisierung und können deshalb nicht mehr mit voller Kapazität genutzt werden – Tendenz abnehmend.

South Stream dient aber nicht nur der Umgehung der Ukraine sondern ist gleichzeitig ein Konkurrenzprojekt zur von der EU geförderten Nabucco-Pipeline, die Erdgas aus der Kaspischen Region unter Umgehung Russlands durch die Türkei nach Europa liefern soll. Die Inbetriebnahme von South Stream würde die Kapazitäten des Nabucco-Projektes überflüssig machen.

Altai Pipeline

Der Bau einer Erdgaspipeline nach China macht auch mehr als fünf Jahre nach Unterzeichnung der Absichtserklärung keine Fortschritte. Obwohl der Lieferbeginn für 2011 vereinbart wurde, musste dieser nun auf 2015 verschoben werden, da sich beide Seiten bisher nicht über den Preis für das zu liefernde Erdgas einigen konnten. Die sogenannte Altai Pipeline soll eine Kapazität von 30 Milliarden Kubikmeter pro Jahr haben und rund US$ 12 Milliarden kosten. Die 2700 km lange Pipeline würde durch geologisch wie ökologisch sensibles Gelände verlaufen, was die Ausführung erschwert. Zudem befindet sich ein solches Projekt im Wettbewerb mit Turkmenistan, das bereits eine Exportpipeline nach China fertiggestellt und langfristige Lieferverträge unterzeichnet hat.

Nichtsdestotrotz wurde 2009 ein neues Rahmenabkommen über die Lieferung von 70 Milliarden Kubikmeter russischen Erdgases nach China pro Jahr unterzeichnet.

Diversifizierung oder lediglich Ausbau bereits bestehender Marktpositionen?

Die vorgenommene Bestandsaufnahme russischer Exportpipelines verdeutlicht, dass es sich lediglich bei den Pipelineprojekten in Richtung Asien, und speziell China, um eine Diversifikation der Exportrouten und Absatzmärkte handelt. Während eine Ölpipeline nach China Ende 2010 eröffnet wurde und der Tankerexport in andere asiatische Märkte absehbar ist, hat der Export von Erdgas bisher keine Fortschritte gemacht. Russland ist beim Erdgas nach wie vor vollständig auf den europäischen Markt ausgerichtet.

Zwar wurden die Absatzmärkte im Bereich Erdgas nicht diversifiziert, wohl aber die Exportrouten. Erdgas kann, sofern South Stream in Betrieb genommen wird, über drei Pipelinerouten nach Europa transportiert werden, die vollständig ohne Transitländer auskommen. Angesichts der wiederholt aufgetretenen Konflikte mit Transitländern in den letzten Jahren, die auch in Lieferunterbrechungen resultierten, ist dies ein nicht zu unterschätzender Aspekt der russischen Exportstrategie.

Zum anderen sollen auch konkurrierende Pipelineprojekte, wie die Nabucco Pipeline, ausgehebelt werden, indem Märkte bereits mit russischen Exporten beliefert werden und so die Wirtschaftlichkeit der Konkurrenzprojekte in Frage gestellt wird. Dies verdeutlicht auch die Tatsache, dass Baukosten in der russischen Exportstrategie nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob sich Russland ungenutzte Pipelinekapazitäten leisten kann, wenn die Produktion von Erdöl und Erdgas nicht wie geplant ausgeweitet werden kann.

Können alle Pipelines gefüllt werden?

Offizielle Kreise in Russland sind zuversichtlich, dass die Erdöl- und Erdgasproduktion des Landes ausreicht, um all seine Lieferverpflichtungen einzuhalten. Zur Belieferung der Konsumenten seien aber neue Pipelines erforderlich.

Russland plant seine Erdgasproduktion 2011 auf 655 Milliarden Kubikmeter und 2012 auf 676 Milliarden Kubikmeter zu erhöhen. Laut Plan würden 2011 rund 208 Milliarden Kubikmeter und 2012 rund 212 Milliarden Kubikmeter Erdgas exportiert.

Die Erdölproduktion soll in den nächsten zehn Jahren bei über 500 Millionen Tonnen pro Jahr stabilisiert werden, während Erdölexporte auf 350 Millionen Tonnen im Jahre 2015 ansteigen sollen. Die im Jahre 2009 verabschiedete Energiestrategie Russlands sieht vor, die Erdölproduktion bis 2030 auf über 530 Millionen Tonnen pro Jahr zu steigern. Das Vankor Ölfeld in Ostsibirien, dessen Ausbeutung 2010 begonnen wurde, ist das größte Ölfeld, das in den letzten 25 Jahren in Russland unter Produktion genommen wurde. Es wird aber zur Belieferung der asiatischen Märkte genutzt werden, sprich das Öl wird über die ESPO Pipeline exportiert.

Es bleibt aber abzuwarten, ob die neuen Felder ausreichen, um die sinkende Produktion alter Felder nicht nur zu kompensieren, sondern die geplanten Exportsteigerungen zu ermöglichen. Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris geht davon aus, dass Russlands Ölproduktion zurückgehen und im Jahre 2035 nur noch 460 Millionen Tonnen pro Jahr betragen wird. Aufgrund schwieriger klimatischer Bedingungen bei der Ausbeutung der neuen Felder, des dadurch größeren Investitionsvolumens sowie des steigenden heimischen Bedarfs sind die russischen Produktionsprognosen als zumindest optimistisch zu bezeichnen.

Trotzdem plant Russland beim Erdgas bis 2015 die jährlichen Pipelinekapazitäten um 148 Milliarden Kubikmeter zu steigern. So stünde 2012 eine Erdgasexportkapazität von rund 266 Milliarden Kubikmeter zur Verfügung, während das geplante Exportvolumen nur bei 212 Milliarden Kubikmeter liegt. Gegenwärtig liegt die Exportkapazität bereits bei 239 Milliarden Kubikmeter. Rein rechnerisch würden somit die bereits bestehenden Pipelinekapazitäten für Erdgas ausreichen, um den erwarteten Exportanstieg zu meistern.

Die Exportkapazitäten für Erdöl sollen sich mehr als verdoppeln und bis 2015 um 203 Millionen Tonnen auf rund 354 Millionen Tonnen erhöhen. Dem steht ein geplanter Export von 350 Millionen Tonnen gegenüber. Die geplante Exportsteigerung bedarf also, sofern auf Pipelineexporte gesetzt wird, der Realisierung aller geplanten Projekte.

Zudem bleibt für beide Exportgüter zu bedenken, dass viele der in der Sowjetzeit gebauten Pipelines überaltert und modernisierungsbedürftig sind. Sie können teilweise nur noch mit verminderter Kapazität arbeiten. Von daher könnte zumindest der Bau einiger neuer Exportpipelines sinnvoll sein, um Kapazitätsengpässe in überalterten Pipelines entgegenzutreten. Experten schätzen allerdings eine Modernisierung des bestehenden Pipelinenetzes als kostengünstiger ein als einen Pipelineneubau. Eine Modernisierung würde aus russischer Sicht allerdings nicht zu einer Verminderung der Abhängigkeit von Transitländern beitragen, einem sehr wesentlichen Aspekt der russischen Exportstrategie.

Resümee

Während das veraltete Pipelinenetz aus der Sowjetzeit, das jahrzehntelang nur ungenügend modernisiert und gewartet wurde, sicherlich nicht mehr unter voller Auslastung operieren kann, stellt sich doch die Frage, ob Russland wirklich all die sich im Bau oder in der Planung befindlichen Pipelineprojekte braucht, um seiner Rolle als großer Energieexporteur gerecht zu werden.

Von daher ist es sicherlich richtig, auch strategische Gründe für die neuen Pipelineprojekte zu unterstellen. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre bemüht sich Russland, Exportrouten zu erschließen, die auf Transitländer verzichten können. Die Pipelinekonflikte der letzten Jahre haben dieses Bemühen nur verstärkt. Transitländer-unabhängige Transportrouten sind daher durchaus als eine Verbesserung der Energiesicherheit in Europa zu betrachten.

Auf der anderen Seite nutzt Russland seine Pipelineprojekte auch, um Konkurrenzprojekte, wie die Nabucco Pipeline, zu neutralisieren oder zu verhindern. Das wiederum ist der Diversifizierung der Energielieferanten, die sich die EU auf die Fahnen geschrieben hat, abträglich.

Die vielen russischen Pipelineprojekte dienen also zum einen der Bestandssicherung der russischen Dominanz auf den europäischen Energiemärkten, zum anderen der Diversifizierung seiner Exportrouten hin zu Transitländer-unabhängigen Optionen. Eine Diversifizierung seiner Absatzmärkte erreicht Russland aber nur durch die ESPO Pipeline, die helfen wird, den asiatischen Markt für russisches Erdöl zu erschließen. Erdgas strömt nach wie vor nur in Richtung Westen.

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