Das Janusgesicht der russischen Macht

1. Wladimir Putin und Dmitrij Medwedew als ein Doppelwesen

Zeitraum: 15. September – 15. November 2011.

Verbreitungsebene der Medien: Regional. Medienart: Radio, Zeitungen, Zeitschriften.

Eine Analyse der Medien in Bezug auf die gleichzeitige Präsenz der Objekte »Wladimir Putin« und »Dmitrij Medwedew« zeigt, dass die Medien diese beiden Objekte gleichartig darstellen. Für die meisten regionalen Medien handelt es sich schlicht um ein und dasselbe Objekt.

In der Grafik wird die Häufigkeit dargestellt, mit der die Objekte erwähnt wurden.

Grafik 1: Anzahl der Erwähnungen

ObjektAnzahl der ErwähnungenMEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch13 359PUTIN, Wladimir Wladimirowitsch12 838

Es wird deutlich, dass die Objekte am häufigsten Ende September erwähnt wurden, in der Zeit nach dem Parteitag, auf dem das Tandem seine Abmachung verkündet hatte.

Eine Analyse des qualitativen Darstellungsindex zeigt, dass die Medien das Objekt »Putin« deutlich positiver darstellen; die Unterstützung für das Objekt »Medwedew« nimmt beharrlich ab:

Grafik 2: Qualitativer Darstellungsindex

ObjektIndex (akkumul.)Zahl der ErwähnungenPUTIN, Wladimir Wladimirowitsch 1 252,8012 838MEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch 735,3713 359

Bis zum Tag, an dem die Abmachung verkündet wurde, ist für das Projekt »Putin« ein steigender qualitativer Darstellungsindex festzustellen; das Interesse der Medien für das Objekt »Medwedew« sinkt bis zum Beginn der offiziellen Wahlkampagne.

2. Die kleinen Figuren im großen Spiel

Zeitraum: 15. September – 15. November 2011.

Verbreitungsebene der Medien: Regional. Medienart: Radio, Zeitungen, Zeitschriften.

Objekte der Analyse:

BOGDANOW, Andrej Wladimirowitsch

SHIRINOWSKIJ, Wladimir Wolfowitsch

SJUGANOW, Gennadij Andrejewitsch

MEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch

MIRONOW, Sergej Michailowitsch

PUTIN, Wladimir Wladimirowitsch

JAWLINSKIJ, Grigorij Alexejewitsch

In einem weiter gefassten Vergleichskontext stellt sich die Situation als noch weniger normal dar: Die qualitative Darstellung der politischen Führungsfiguren, die nicht zur systembildenden Figur des »Janus« gehören, strebt gegen Null. Die Wiedererkennungswerte für Shirinowskij und Sjuganow liegen um das Zehnfache unter denen von Putin oder Medwedew.

Grafik 3: Erwähnung in den Medien

]

ObjektAnzahl der ErwähnungenMEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch 13 359PUTIN, Wladimir Wladimirowitsch 12 838SJUGANOW, Gennadij Andrejewitsch 1 068SHIRINOWSKIJ, Wladimir Wolfowitsch 1 068MIRONOW, Sergej Michailowitsch 841JAWLINSKIJ, Grigorij Alexejewitsch 257BOGDANOW, Andrej Wladimirowitsch177Grafik 4: Anzahl der Erwähnungen

ObjektAnzahl der ErwähnungenMEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch 13 359PUTIN, Wladimir Wladimirowitsch 12 838SJUGANOW, Gennadij Andrejewitsch 1 068SHIRINOWSKIJ, Wladimir Wolfowitsch 1 068MIRONOW, Sergej Michailowitsch 841JAWLINSKIJ, Grigorij Alexejewitsch 257BOGDANOW, Andrej Wladimirowitsch177

Der qualitative Darstellungsindex für die Objekte »Putin« und »Medwedew« beträgt mehr als das Zehnfache des Index für jene Figur, die in den Medien die nächststarke Unterstützung erfährt, nämlich Gennadij Sjuganow:

Grafik 5: Qualitativer Darstellungsindex

ObjektIndex (akkumul.)Zahl der ErwähnungenPUTIN, Wladimir Wladimirowitsch1 252,8012 838MEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch735,3713 359SJUGANOW, Gennadij Andrejewitsch 75,381 068SHIRINOWSKIJ, Wladimir Wolfowitsch 27,821 068JAWLINSKIJ, Grigorij Alexejewitsch 27,27257MIRONOW, Sergej Michailowitsch 13,15841BOGDANOW, Andrej Wladimirowitsch3,28177

Eine Analyse der zeitlichen Verteilung der Meldungen zeigt, dass sich die Erwähnungen der Schlüsselfiguren Putin und Medwedew reziprok ergänzen: Steigt die Anzahl der Meldungen zu Putin, nimmt die Zahl der Meldungen zu Medwedew ab und umgekehrt.

Eine Analyse der Art der Erwähnungen zeigt, dass Medwedew in den Medien sehr viel häufiger als Putin oder die anderen politischen Figuren in einem negativen Licht dargestellt wird.

Grafik 6: Art der Erwähnungen

Objekt / Art der ErwähnungnegativneutralpositivMEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch 1 157 11 336866PUTIN, Wladimir Wladimirowitsch 49511 595748SHIRINOWSKIJ, Wladimir Wolfowitsch 140822106SJUGANOW, Gennadij Andrejewitsch 77844147MIRONOW, Sergej Michailowitsch 13762381JAWLINSKIJ, Grigorij Alexejewitsch 921731BOGDANOW, Andrej Wladimirowitsch2711832

Bei einem Vergleich der Anzahl der Meldungen zu den Objekten mit dem qualitativen Darstellungsindex wird ohne jeden Zweifel deutlich, dass Putin im Vergleich zu Medwedew in den Medien als klarer umrissene starke Figur dargestellt wird; die übrigen Meinungsführer drängeln sich lediglich am Rand der medialen Bühne.

3. Den Medien ins Gesicht geschaut

Die einzelnen Medien stellen die politischen Führer unterschiedlich dar. Die zehn aktivsten Medien räumen den Politikern in ungleichem Maße das Recht auf mediale Darstellung ein:

Grafik 7: Anzahl der Erwähungen

ObjektZahl der ErwähnungenSHIRINOWSKIJ, Wladimir Wolfowitsch 140PUTIN, Wladimir Wladimirowitsch 2 244BOGDANOW, Andrej Wladimirowitsch65SJUGANOW, Gennadij Andrejewitsch 134MEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch 2 918MIRONOW, Sergej Michailowitsch 172JAWLINSKIJ, Grigorij Alexejewitsch 52

Eine Analyse des qualitativen Darstellungsindex in Bezug auf die in ihren Wertungen aktivsten Medien zeitigt ebenfalls überaus interessante Ergebnisse:

Grafik 8: Qualitativer Darstellungsindex

ObjektIndex (akkumul.)Anzahl der ErwähnungenPUTIN, Wladimir Wladimirowitsch1 252,801 594MEDWEDEW, Dmitrij Anatoljewitsch735,372 224SJUGANOW, Gennadij Andrejewitsch 75,3886SHIRINOWSKIJ, Wladimir Wolfowitsch 27,8295JAWLINSKIJ, Grigorij Alexejewitsch 27,2735MIRONOW, Sergej Michailowitsch 13,15112BOGDANOW, Andrej Wladimirowitsch3,2832

Während die meisten Medien der bereits festgestellten Verteilung der Wertungen folgen, zeigen sich »Delowoj Peterburg« und die »Moskowskaja Prawda« als dezidiert putinfreundlich, der Sender »Goworit Moskwa« und die Zeitung »Wetschernjaja Moskwa« stehen dagegen auf der Seite Medwedews. Dies macht deutlich, dass die Struktur der Abmachungen, die die Kandidaten »ausgehandelt« haben, nicht für alle Medien allgemeinverbindlich ist.

4. Parteien der Macht, Parteien der Machtlosigkeit

Eine Analyse der Medienpräsenz der Parteinamen zeigt, dass »Einiges Russland« mehr als doppelt so häufig erwähnt wird wie die zweitpopulärste Partei, die KPRF.

Grafik 9: Anzahl der ErwähnungenObjektZahl der ErwähnungenPartei »Einiges Russland«14 626Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF)6 047Partei »Gerechtes Russland«3 515Liberal-Demokratische Partei Russlands3 251Allrussische Volksfront3 044Partei »Rechte Sache«2 540Vereinigte russische demokratische Partei »Jabloko«1 849Grafik 10: Anzahl der Erwähnungen

ObjektZahl der ErwähnungenPartei »Einiges Russland«14 626Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF)6 047Partei »Gerechtes Russland«3 515Liberal-Demokratische Partei Russlands3 251Allrussische Volksfront3 044Partei »Rechte Sache«2 540Vereinigte russische demokratische Partei »Jabloko«1 849Grafik 11: Qualitativer Darstellungsindex

Auch der qualitative Darstellungsindex für »Einiges Russland« fällt um ein Vielfaches höher aus als der Index der anderen Parteien, obwohl er am 7. November wegen des Versuchs der Medien, kurzfristig den anderen politischen Parteien gleiche Rechte beim Zugang zur Leserschaft einzuräumen, zurückgegangen war.

ObjektAkkumulierter IndexZahl der ErwähnungenPartei »Einiges Russland«663,5914 626Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF)316,206 047Allrussische Volksfront152,583 044Vereinigte russische demokratische Partei »Jabloko«106,631 849Liberal-Demokratische Partei Russlands55,883 251 Partei »Gerechtes Russland«34,843 515 Partei »Rechte Sache«-61,262 540

Gleichwohl zeigen die Medien, dass die Politik, mit der »Einiges Russland« das Publikum zu erobern sucht, nicht immer auf ein positives Verständnis stößt:

Grafik 12: Art der Erwähnungen

Objekt / Art der ErwähnungnegativneutralpositivPartei »Einiges Russland«1 56210 5342 530Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF)5784 690779Partei »Gerechtes Russland«5202 695300Liberal-Demokratische Partei Russlands3312 599321Allrussische Volksfront1382 368538Partei »Rechte Sache«5051 860175Vereinigte russische demokratische Partei »Jabloko«1751 535139

An der Korrelation des Index mit der Anzahl der Erwähnungen wird ersichtlich, dass sich »Einiges Russland« im Vergleich zu den übrigen politischen Parteien in einer grundsätzlich ungleichen Lage befindet:

Die geographische Verteilung der regionalen Medienpräsenz der Parteien entspricht ebenfalls allen oben aufgeführten Ergebnissen. Unten ist eine Liste der aktivsten Regionen aufgeführt, in der das jeweilige Niveau der Unterstützung für die einzelnen Parteien angegeben ist:

Grafik 13: Anzahl der Erwähnungen

ObjektZahl der ErwähnungenKommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF)2 023 Liberal-Demokratische Partei Russlands1 269Partei »Einiges Russland«5 160 Vereinigte russische demokratische Partei »Jabloko«862 Partei »Gerechtes Russland«1 481Partei »Rechte Sache«1 250 Allrussische Volksfront1 092

Die vorliegende Medienanalyse wurde von »Golos« zur Verfügung gestellt.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des gemeinsamen Projektes von GOLOS, Europäischem Austausch, Heinrich Böll Stiftung und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde.

Zum Weiterlesen

Artikel

Antirevolutionäre Revolutionserinnerungspolitik: Russlands Regime und der Geist der Revolution

Von Il’ja Kalinin
Russlands Führung steht im Jahr 2017 vor einer Herausforderung: Sie muss Erinnerung an die Oktoberrevolution in ein Geschichtsbild verpacken, das Revolutionen als solche ablehnt. Ihre zentrale Botschaft lautet: Versöhnung. Doch es geht nicht um den Bürgerkrieg 1917–1920. Die Vergangenheit ist nur vorgeschoben. Es geht darum, jede Form von Kritik am heutigen Regime als Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens zu diffamieren und mit dem Stigma zerstörerischer revolutionärer Tätigkeit zu belegen. (…)
Zum Artikel auf zeitschrift-osteuropa.de
Kommentar

Gelenkter Volkszorn. Skandal-Management in der russischen »souveränen Demokratie«

Von Florian Töpfl
Dieser Beitrag zeigt an zwei Fallstudien, wie die politischen Eliten Russlands derzeit Ausbrüche öffentlicher Empörung, die in einem weitgehend ungefilterten Internet in einer hochdynamischen Sphäre sozialer Medien aufwallen, geschickt gemäß der eigenen politischen Ziele und Interessen kanalisieren. Wie die beiden Fallstudien illustrieren, sind die mächtigsten Werkzeuge bei diesem »Skandal-Management« die drei führenden, staatlich kontrollierten Fernsehsender. Ziele sind, den Volkszorn auf niedere und mittlere Ebenen des Verwaltungsapparates umzulenken oder Einflussnahme ausländischer Mächte zu suggerieren. Wie die Fallstudien jedoch auch belegen, ist der Erfolg dieser Bemühungen maßgeblich davon abhängig, ob und inwieweit die jeweiligen Auslöser des Skandals bereit sind, mit den Führungseliten zu kooperieren.
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS