In einem gemeinsamen Appell setzen sich sechs große deutsche Wirtschaftsverbände, die besonders exportstarke Unternehmen und Industrien repräsentieren, für die Überwindung des Visa-Systems in Europa ein und fordern ein stärkeres Engagement von Bundesregierung und Bundestag. Beteiligt sind neben dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der Bundesverband deutscher Banken, der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, der Deutsche Reiseverband, der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer und der Verband der Deutschen Automobilindustrie.
»Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall werden Wirtschaftsbeziehungen innerhalb Europas immer noch durch Visa-Hürden behindert. Dass gerade eine Exportnation wie Deutschland hier auf europäischer Ebene Liberalisierungsbemühungen eher bremst als vorantreibt, muss sich dringend ändern«, sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes zu den Hintergründen des durch den Ost-Ausschuss initiierten Appells. Mit Ländern wie Mexiko, Honduras, Venezuela oder Nicaragua gebe es seit Jahren freien Reiseverkehr. Dies müsse in nächster Zeit auch für europäische Nachbarn wie Russland, die Ukraine oder Moldau möglich sein. »Anstatt in Europa weiterhin die Trennung zu verwalten, sollten wir mehr Nähe organisieren«, sagte Cordes.
Innenpolitische Widerstände
Während das Bundesaußenministerium und das Wirtschaftsministerium sich offen für eine Abschaffung der VisaPflicht mit den osteuropäischen Nachbarstaaten zeigen, werden diese Bemühungen immer noch von Innenpolitikern gebremst: Seit einem Jahr beschäftigt sich eine interfraktionelle Arbeitsgruppe im Bundestag mit einer Liberalisierung der mit den osteuropäischen EU-Nachbarstaaten bestehenden Visa-Regeln. Ein für Frühjahr angekündigter fraktionsübergreifender Bundestagsantrag wurde aber mehrfach verschoben und steht offenbar kurz vor dem Scheitern. Grund sollen Sicherheitsbedenken einzelner Innenpolitiker der CDU/CSU sein, die sich bislang nicht mit der FDP auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten. Dazu ist für Donnerstag dieser Woche ein entscheidendes Schlichtungsgespräch angesetzt.
»Niemand nimmt die Sicherheitsfrage auf die leichte Schulter. Im Gegenteil: Der Ost-Ausschuss ist der Auffassung, dass biometrische Pässe, computergestützte Grenzkontrollen und Rückführungsabkommen mehr Sicherheit bringen, als Visa-Anträge, für deren Prüfung den Konsularbeamten nur wenige Minuten Zeit bleiben«, betonte Cordes. Der Ost-Ausschuss hatte im vergangenen Jahr mit einer Umfrage unter 200 exportorientierten Unternehmen die bestehenden Visa-Probleme analysiert. Allein Deutsche und Russen kostet die gegenseitige Visa-Pflicht Jahr für Jahr rund 160 Millionen Euro an reinen Verwaltungskosten. Zudem klagt eine große Zahl von Firmen über den hohen zeitlichen Aufwand und lange Bearbeitungszeiten. 20 Prozent der beteiligten Unternehmen gaben an, durch Visa-Probleme bereits Aufträge verloren zu haben, 56 Prozent stellten in Aussicht, im Falle der Visa-Abschaffung mehr in Osteuropa zu investieren. Allein der Handel mit Russland sichert in Deutschland bereits 300.000 Arbeitsplätze.
Der gemeinsame Appell der Wirtschaftsverbände mit dem Titel »Wirtschaftswachstum durch Visa-Liberalisierung« listet auch Sofortmaßnahmen auf, die bereits unter dem bestehenden Regelwerk umsetzbar wären. Generell setzen sich die Verbände für eine echte »Willkommenskultur« in Deutschland ein.
Der Visa-Appell ist dieser Pressemitteilung angefügt. Im Internet ist er zusammen mit der Ost-Ausschuss-Studie »Wege zur Visa-Freiheit« auf der folgenden Seite abrufbar: www.ost-ausschuss.de
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft wurde 1952 als erste Regionalinitiative der deutschen Wirtschaft gegründet. Der Ost-Ausschuss führt jährlich eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen, Unternehmerreisen und Konferenzen in und über 21 Länder Mittelund Osteuropas durch. Die Organisation mit Sitz in Berlin versteht sich als Kompetenzcenter der deutschen Wirtschaft für die osteuropäischen und zentralasiatischen Zukunftsmärkte. Dem Ost-Ausschuss gehören große Wirtschaftsverbände sowie 180 Unternehmen an.