Die räumliche Perspektive

Von Isolde Brade, Christian Kolter, Sebastian Lentz (alle Leipzig)

Zusammenfassung
Der urbane Erschließungsgrad, die Siedlungsdichte und die Erreichbarkeit der Städte spielen eine entscheidende Rolle für die sozialökonomische Entwicklung der Regionen in Russland. Die neuen Volkszählungsdaten belegen, dass sich neben einigen neuen Entwicklungen vor allem langfristige Trends zur Konzentration der Bevölkerung in einer Ost-West- und Land-Stadt-Bewegung fortsetzen.

Bevölkerungsdichte

Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in Russland beträgt 8,4 Ew./km². Zum Vergleich: Von den großen Flächenstaaten liegen Kanada mit 3 Ew./km² und Australien mit 2,5 Ew./km² noch wesentlich darunter, aber die USA mit 30,0 Ew./km² und Brasilien mit 20,0 Ew./km² weit darüber.

In der Binnenverteilung des Landes bleibt es bei den bekannten Gegensätzen zwischen einem dichter besiedelten Westen bzw. Süden und den großen, dünn besiedelten Regionen des Ostens bzw. Nordens. Die höchsten Siedlungsdichten finden sich in der Stadt und im Gebiet Moskau (397 Ew./km²; zum Vergleich: Saarland 389 Ew/km²; Baden-Württemberg 301 Ew/km²). Eine verhältnismäßig hohe Dichte weisen auch die föderalen Subjekte im Nordkaukasus (z. B. Nordossetien: 89 Ew./km² oder der Krasnodarski Krai: 69 Ew./km²; zum Vergleich: Die niedrigsten Werte in Deutschland haben Mecklenburg-Vorpommern (71 Ew./km²) und Brandenburg (85 Ew./km²).

Im asiatischen Landesteil hat das Gebiet Kemerowo (Steinkohlerevier Kusbass) mit 29 Ew./km² die höchste Dichte; es folgen die Regionen Südsibiriens mit den Millionenstädten Omsk (14 Ew./km²) und Novosibirsk (15 Ew./km²). Die Republik Sacha (Jakutien) nimmt etwa 1/6 der gesamten Landesfläche ein, hat aber weniger als eine Million Einwohner und damit eine Bevölkerungsdichte von 0,3 Ew./km². Die geringste Dichte hat der Autonome Kreis Tschukotka im äußersten Nordosten des Landes mit 0,01 Ew./km² (Treivish 2003).

Das heißt, nur das sogenannte Hauptsiedlungsband, das etwa 1/3 der Fläche des Landes einnimmt, ist relativ dicht besiedelt. Die übrigen Landesteile sind lediglich punkthaft erschlossen. Die nördliche Grenze des Hauptsiedlungsbandes verläuft etwa vom Nordwesten über Petrosawodsk–Kirow–Perm–Jekaterinburg im Ural und zieht sich im östlichen Landesteil nur noch entlang der Transsibirischen Eisenbahnlinie.

Räumliche Bevölkerungsveränderungen 1989 – 2002 – 2010

Die räumlichen Veränderungen der Bevölkerungszahlen sind mit den Karten 1a (1989 bis 2002) und 1b (2002 bis 2010) (S. 15–16) visualisiert worden. Zu beachten ist, dass die Farbgebung sich auf die relative Einwohnerentwicklung in den jeweiligen Subjekten der Russländischen Föderation bezieht, das heißt, die absolute Bevölkerungszahl und die Flächengröße der Gebiete spielen keine Rolle. Zur eindeutigen Identifikation der Gebiete wird empfohlen, die Liste der Föderalen Subjekte heranzuziehen.

Aus der Verteilung von Zu- und Abnahmen zwischen den Volkszählungen lassen sich folgende Trends ablesen:

Im europäischen Teil des Landes zeigen sich die Gebiete im Kaukasusvorland, lässt man die Sondersituation in Tschetschenien und Inguschetien einmal beiseite, stabil bzw. gewinnen sogar an Bevölkerung. Außerdem prosperiert das industriell-agrarisch leistungsfähige Gebiet Belgorod sowie die Kernstädte und Stadtregionen von Moskau, St. Petersburg und Kasan. Dagegen nimmt die Bevölkerung in den anderen Teilen des westlichen und nordwestlichen Russland ab. Die westsibirischen Gebiete von Tjumen und die Autonomen Bezirke der Chanten und Mansen bzw. der Jamal-Nenzen sind auf Grund der Erschließung der dortigen Gasvorkommen Wachstumsräume. Wie nachhaltig dieses Wachstum ist, wird sich erweisen müssen, denn für eine Reihe von Quellen ist das Förderhoch bereits jetzt überschritten. Seit 2002 hat die Ressourcenerschließung im Autonomen Bezirk der Nenzen ebenfalls zu einer Zunahme der Einwohner geführt. Im übrigen Sibirien und dem Fernen Osten ist eine massive Bevölkerungsabnahme zu konstatieren. Davon gibt es einerseits die Ausnahmen der Republiken Altai und Tywa im Süden an der Grenze zu Kasachstan, China und zur Mongolei. Dort sind die Geburtenraten der indigenen Bevölkerung vergleichsweise hoch. Außerdem verzeichnet die Republik Sacha (Jakutien) zwischen 2002 und 2010 (Karte 1b auf S. 16) einen ganz leichten Bevölkerungszuwachs von rund 10.000 Einwohnern, und zwar fast ausschließlich die dortigen Städte. Diese Zunahme entspricht weniger als 1 Prozent, führt aber angesichts der Flächengröße der Republik leicht zu der Fehlinterpretation der Karte, hier gewinne ein großer Teil Sibiriens bzw. des Fernen Ostens Einwohner.

Insgesamt hat sich die Bevölkerung seit 1989 in die südwestlichen und zentralen Regionen (insbesondere in den Einflussbereich von Moskau) des Landes »bewegt«. Vor allem in den 1990er Jahren war eine Rückwanderungswelle aus den klimatisch ungünstig gelegenen industriellen Erschließungsgebieten des Hohen Nordens und Fernen Ostens in den westlichen Landesteil zu verzeichnen gewesen. Der Bevölkerungsanteil des Südens (Föderale Bezirke Süd und Nordkaukasus) stieg von 1989–2010 von 14 auf 16,8 % der gesamten Bevölkerung und von 21,2 auf 26,7 % der ländlichen Bevölkerung. Jeder vierte Landbewohner Russlands lebt im klimatisch begünstigten Süden des europäischen Landesteils. In den ländlichen Räumen des Zentralen Föderalen Bezirks sank der Anteil der Landbevölkerung von 21,5 auf 19,1 %, aber allein der Anteil Moskaus und des Moskauer Gebiets an der Gesamtbevölkerung Russlands stieg im Zeitraum 1989–2010 von 10 auf 13 %.

Stadt-Land-Verhältnisse

Zwischen 2002 und 2010 ist der Anteil der Bevölkerung, der in Städten lebt, leicht auf 73,7 % gestiegen, nachdem er nach 1989 zunächst gesunken war (vgl. Tab. 2 auf S, 7). Die städtische Bevölkerung hat absolut zwar um mehr als eine Million Personen abgenommen, der Rückgang der ländlichen Bevölkerung war allerdings noch stärker. Damit setzt sich nach kurzer Unterbrechung in der Transformationszeit die Verstädterung fort, die ein wichtiger Grundzug der sowjetischen Territorialplanung gewesen war.

Die Bevölkerung Russlands ist 2010 auf 2.386 Städte und Siedlungen städtischen Typs sowie 134.000 ländliche Siedlungen verteilt. 93 % der städtischen Bevölkerung lebt in Städten (2002: 90 %), 7,8 Millionen bzw. 7 % in Siedlungen städtischen Typs (vgl. Tabellen 3 und 4 auf S. 13 und 14, Abbildungen 6, 7, 8 auf dieser Seite).

Spezialfall »Siedlungen städtischen Typs«

Die Statistik erfasst mit der »städtischen Bevölkerung« sowohl die Bewohner der Städte als auch der Siedlungen städtischen Typs. In der »Anzahl der Städte« sind dagegen die Siedlungen städtischen Typs nicht erfasst. Siedlungen städtischen Typs mit einer Einwohnerzahl von 3.000–20.000 und einem maximalen Anteil landwirtschaftlich Beschäftigter von 15 % sind Produkte der forcierten Industrialisierung in sowjetischer Zeit, die in der Regel als Werkssiedlungen gegründet wurden. Sie haben allerdings selten zentrale Dienstleistungsfunktionen an sich gezogen, so dass sie einen ländlich geprägten Charakter beibehalten haben. Ihre Anzahl verringert sich kontinuierlich, im Zeitraum 2002–2010 um fast das 1,5fache aufgrund von Eingemeindungen oder eines gewollten Statuswechsels zur ländlichen Gemeinde aus steuerlichen Gründen. Daraus lässt sich leicht ableiten, dass diese Siedlungskategorie nur noch administrativ »konserviert« wird, das heißt, entsprechende Neubildungen werden nicht mehr zugelassen. Durch den Wechsel ihres administrativen Status entweder zu Städten oder ländlichen Siedlungen verschwinden sie nach und nach. Synonym verwendet werden aus administrativer Sicht »Rabotschij posjolok« (Arbeitersiedlung) oder »Datschnyj posjolok«) (Datschensiedlung).

Städtische Entwicklungen

Die Sowjetunion war während ihres Bestehens – zumindest formal – eine der sich am schnellsten und folgenreichsten urbanisierenden Gesellschaften weltweit. Das Städtesystem und die Stadtlandschaften in Russland sind eng verknüpft mit der Industrialisierung des Landes. Die quantitative Verstädterung erfolgte insbesondere während der beiden Industrialisierungsphasen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, verbunden mit einer hohen Anzahl an Städteneugründungen und einem rasanten Bevölkerungswachstum in den Städten, vor allem auf Kosten der ländlichen Bevölkerung. Der Anteil der städtischen Bevölkerung stieg allein zwischen den Volkszählungen 1926 und 1959 von 18 % auf 52 %.

Zwischen 1917 und 1989 erhielten innerhalb der heutigen russischen Außengrenzen 649 der 1.037 Städte den Stadtstatus. Danach hat sich die Anzahl der Städte um weitere 63 erhöht. Einen Teil dieser statistisch neu registrierten Städte bilden die 22 ehemals geheimen Städte (geschlossene administrativ-territoriale Verwaltungseinheiten), die direkt dem Verteidigungs- oder Atomministerium unterstellt waren, der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlagen und bis 1991 auf keiner Landkarte und in keiner Statistik registriert waren.

Mit dem Abklingen der Industrialisierung seit den 1980er Jahren verlor auch das Städtewachstum an Dynamik, seit 1991 sind die städtischen Bevölkerungszahlen rückläufig. Konnte der Rückgang in den 1990er Jahren noch zu großen Teilen durch Zuwanderungen ethnisch russischer Bevölkerung aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und Land-Stadtwanderungen kompensiert werden, sind diese Wachstumsquellen in den 2000er Jahren weitgehend erschöpft. Ein weiterer Grund ist die Überalterung der Stadtbevölkerung durch hohe Sterbe- und niedrige Geburtenraten.

In einem Land wie Russland mit kontinentalen Ausmaßen spielen der urbane Erschließungsgrad, die Siedlungsdichte und die Erreichbarkeit der Städte eine entscheidende Rolle für die sozialökonomische Entwicklung der Regionen. Während der Urbanisierungsgrad in Russland etwa dem Niveau der westlichen Länder gleicht (2010: Deutschland 74 %, Spanien 77 %, USA 82 %, Kanada 81 %), ist die urbane Alltagskultur und Lebensweise in den mittelgroßen Städten Russlands nicht vergleichbar mit der Urbanität in westlichen Städten gleicher Größe. Subarewitsch und Nefjodowa/Trejvish zählen deshalb erst die Städte ab 100.000 Einwohner zu den »tatsächlichen« Städten mit einem diversifizierten Angebot an Arbeitsplätzen, Zugängen zu Bildungs- Kultur- und Versorgungseinrichtungen sowie einer urbanen Lebensweise. Dieser Umstand betont noch einmal den oben beschriebenen Zwang zur Ausbildungsmobilität für junge Erwachsene in der sich langsam herausbildenden Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft.

Wendet man die Definition von Subarewitsch und Nefjodowa/Treivish an, sind lediglich 15 % aller städtischen Siedlungen (einschließlich der Siedlungen städtischen Typs) als »urbane« Städte zu klassifizieren. In ihnen wohnen allerdings mehr als zwei Drittel der städtischen Bevölkerung Russlands.

Die beschriebene Urbanisierung der Sowjetunion und Verstädterung der Bevölkerung ging noch einher mit einer flächenhaften Besiedlung des Territoriums unter Bevorzugung städtischer Siedlungen. Seit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüchen der 1980er Jahre ist eine ständig zunehmende Bevölkerungskonzentration in den großen Städten zu beobachten. Sie ist begründet durch bessere Zugangsmöglichkeiten zu Bildung, Informationen und Wissen, ökonomischen Grundlagen und nicht zuletzt Arbeitsplätze. In die Kategorien ab 250.000 Einwohner fallen alle Hauptstädte der Föderalen Subjekte (außer denen der Autonomen Bezirke). 2010 umfassen sie weniger als 7 %, aber 53 % der städtischen Bevölkerung. Mehr als jeder vierte Stadtbewohner lebte 2010 in einer der 12 Millionenstädte.

Im europäischen Landesteil konzentrieren sich 77 % aller Städte (vgl. Karte 2 auf S. 17). Den höchsten Urbanisierungsgrad weisen die Altindustriegebiete im Zentralen Föderalen Bezirk und im Föderalen Bezirk Nordwest, im Einflussbereich Moskaus und St. Petersburgs, auf. Ebenso hochurbanisiert sind die Industriegebiete im Ural und die naturressourcenreichen nördlichen und fernöstlichen Föderalen Subjekte in naturräumlich ungünstigen Regionen, so dass ländliche Siedlungen als statistisches Pendant nur gering vertreten sind. Hinter dem seit 2002 zu verzeichnenden Rückgang des Urbanisierungsgrads im Ural ist vor allem der oben erwähnte Statuswandel von Siedlungen städtischen Typs in ländliche Siedlungen im Zuge des Deindustrialisierungsprozesses zu vermuten. Im agrarisch geprägten Süden des Landes und in den schwach industrialisierten nationalen Republiken liegt der Anteil der Bevölkerung in Städten unter 40 %, so z. B. in der südsibirischen Republik Altai bei 28 %, in den nordkaukasischen Republiken Inguschetien und Tschetschenien bei 35–38 %.

Ländliche Entwicklungen

Der eben für die Städte beschriebene Konzentrationsprozess der Bevölkerung ist auch in den ländlichen Siedlungstypen zu registrieren. Zunächst gilt, dass die Bevölkerung in den ländlichen Siedlungen stärker abnimmt als in den städtischen. Außerdem ist nachweisbar, dass die Bevölkerungszahlen in den kleineren ländlichen Siedlungen stark zurückgehen. Abb. 8 auf S. 10 macht anschaulich, dass alle ländlichen Siedlungskategorien unter 3000 Einwohnern seit der Volkszählung 1989 einen Rückgang ihrer Bevölkerungsanteile aufweisen, während sich der Bevölkerungsanteil der großen Dörfer mit mehr als 3000 Einwohnern deutlich erhöht hat, besonders seit den 1990er Jahren. 2010 lebten rund 30 % der Landbevölkerung in Dörfern mit mehr als 3000 Einwohnern, d. h. ihr Anteil hat sich seit 1979 fast verdoppelt.

Die Gesamtzahl der ländlichen Siedlungen ist allein seit 2002 um rund 8500 zurückgegangen, vor allem aufgrund von Eingemeindungen in städtische Siedlungen oder durch Streichungen aus dem Ortsregister aufgrund Einwohnerleerstands. Am unteren Ende der Skala kann man die aufgegebenen Siedlungen einsortieren: Ihre Zahl stieg von 9.300 (1989) über 13.100 (2002) auf 19.400 (2010), d. h. es hat in den letzten 23 Jahren eine Verdoppelung der Siedlungspunkte ohne Einwohner gegeben. Meist sind es ländliche Kleinstsiedlungen, die wüstfallen.

Zwei wesentliche Gründe sind für diesen Prozess anzuführen (nach Subarewitsch):

Seit den 2000er Jahren hat sich die Suburbanisierung in den großen urbanen Regionen durch Zuzug aus anderen Regionen und teilweise aus den Kernstädten deutlich verstärkt. Die Folge ist eine Zunahme der Bevölkerung und eine Erhöhung des Anteils der großen Siedlungen im Einflussbereich insbesondere der großen Städte. In den übrigen Regionen ist die Zunahme vor allem durch Abwanderungen aus den kleineren in die größeren Siedlungen mit günstigeren Versorgungsbedingungen begründet und durch administrative Statusumwandlung der Siedlungen städtischen Typs in ländliche Siedlungen im Zuge der Gemeindereformen Mitte der 2000er Jahre.

Einen Sonderfall stellt der Landessüden dar: In den kaukasischen Republiken, die traditionell über eine hohe Zahl an großen Dörfern verfügen, nahm der Anteil der großen Dörfer vor allem aufgrund der anhaltend hohen Geburtenraten weiter zu. So liegt beispielsweise die Geburtenrate in der Republik Adygeja bei 10,4/1000 Ew., in der Region Stawropol bei 10,5 und in der Republik Kabardino-Balkarien sogar bei 12,8 (Daten für 2008 aus Quiering 2009: 196).

Rechnet man neben den Dörfern die Siedlungen städtischen Typs und die Kleinstädte unter 20.000 Einwohnern zu »nichturbanen« Siedlungen, wie von Nefjodowa (2010) aufgrund der kaum vorhandenen städtischen Kultur vorgeschlagen, dann leben insgesamt etwa 36 % der Bevölkerung Russland in ländlichen und ländlich geprägten Siedlungen. Davon wiederum lebten 2010 rund 27 % in den beiden Föderalen Bezirken Süd und Nordkaukasus. Wie oben beschrieben verzeichnen sie stabile bzw. zunehmende Bevölkerungszahlen. Insgesamt ist allerdings eine Zunahme der ländlichen Bevölkerung durch Migrationen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die in den 1990er Jahren noch einen Zuwachs auf dem Lande verursachten, in den 2000er Jahren nicht mehr nachzuweisen (Nefjodowa/Trejwisch 2010).

Fazit

Aus den Ergebnissen der Volkszählung 2010 lassen sich folgende Schlüsse und Trends zusammenfassen:

Die langfristige räumliche Konzentration der Bevölkerung setzt sich fort. 48 % aller Einwohner Russlands leben in den zwei Föderalen Bezirken Zentrum und Wolga, die weniger als 10 % der Landesfläche einnehmen. Unter den Elementen dieses Trends sind sowohl die Binnenwanderungen in immer größere Siedlungseinheiten – Wachstum der großen Dörfer ebenso wie der großen Städte – als auch die Aufgabe von Kleinsiedlungen in peripheren Gebieten zu verzeichnen. Die großräumliche Bevölkerungsdynamik ist in hohem Maße an Wanderungen in wirtschaftlich prosperierende Regionen gebunden, wie auch die Formalisierung von Beschäftigung bzw. Beschäftigungsverhältnissen nahelegt (vgl. Karte 3 auf S. 18): Diejenigen Gebiete, die die höchsten Bevölkerungsgewinne haben, sind zugleich diejenigen, die hohe Anteile sozialversicherungspflichtig Beschäftigter verzeichnen. Diese sind derzeit die großen Metropolregionen, die ressourcenreichen Gebiete Westsibiriens und des Hohen Nordens. Als Sonderfall mit hohen Geburtenraten sind Gebiete im Süden der Republik zu werten. Die anderen Gebiete des Hohen Nordens und des Fernen Ostens verlieren weiterhin Einwohner. Es wird interessant sein zu beobachten, ob die leichte Bevölkerungszunahme in der Republik Sacha (Jakutien) seit 2002 den Beginn einer wirtschaftlichen Entwicklung mit intensiver Ressourcenausbeutung markiert, wie sie in den letzten Jahrzehnten in den Gasfördergebieten Westsibiriens eingeschlagen wurde. Außerdem wird es interessant sein, die wirtschaftliche Entwicklung derjenigen Gebiete im Auge zu behalten, die in den letzten acht Jahren überdurchschnittliche Zuwachsraten in der formalen Beschäftigung verzeichnen konnten (Karte 3 auf S. 18). Deindustrialisierung und staatliche Deregulierung sind immer noch wichtige Triebkräfte für solch räumlich-strukturelle Verschiebungen. Sie ergeben in stark abstrahierender und aggregierender Form ein großräumliches Muster von Nord-Süd- und Ost-West-Bewegungen.Die Bevölkerungsdynamik passt sich Mustern an, die international bekannt sind. Dazu gehören die zunehmende Alterung der Bevölkerung auf Grund steigender Lebenserwartung und zurückgehender Geburtenquoten. Aber auch eine zunehmende Integration Russlands in ein internationales System von Zu- und Abwanderung, ebenso wie von Arbeitsmigration ist Bestandteil dieser Entwicklung. Außerdem ist die steigende Binnenwanderung und -mobilität ein typisches Kennzeichen entwickelter Staaten.

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