Analyse Von Stefan Troebst
Die Geschichtspolitik der Russländischen Föderation weist eine Konstante und etliche Variablen auf: Fest steht allein der »Sieg über den Faschismus« im »Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945« als Gründungsmythos des 1992 als Zerfallsprodukt der UdSSR entstandenen Konglomeratstaats. Weiterhin unklar hingegen ist, ob erinnerungskulturell künftig »Stalin« oder der »Entstalinisierung« der Vorzug gegeben werden soll. Der 2005 erfolgte Rückgriff auf den nur Wenigen präsenten patriotischen Erinnerungsort »1612« war ebenso erratisch wie der 2012 verstärkte Bezug auf den heroischen lieu de mémoire »1812« nahe liegend. Der selektive geschichtspolitische Bezug auf die Vergangenheiten von Sowjetunion, Zarenreich, Großfürstentum und Rus hält überdies das Spannungsverhältnis zwischen multiethnisch-russländischem Imperium und monoethnisch-russischem Nationalstaat aufrecht und hemmt damit den Prozess der Bildung einer corporate identity der Bürger der Russländischen Föderation.
Zum Artikel Artikel Von Il’ja Kalinin
Russlands Führung steht im Jahr 2017 vor einer Herausforderung: Sie muss Erinnerung an die Oktoberrevolution in ein Geschichtsbild verpacken, das Revolutionen als solche ablehnt. Ihre zentrale Botschaft lautet: Versöhnung. Doch es geht nicht um den Bürgerkrieg 1917–1920. Die Vergangenheit ist nur vorgeschoben. Es geht darum, jede Form von Kritik am heutigen Regime als Bedrohung des gesellschaftlichen Friedens zu diffamieren und mit dem Stigma zerstörerischer revolutionärer Tätigkeit zu belegen. (…)
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