Kriegsszenario auf der Krim
Die Lage auf der Krim ist angespannt. Die russischen Truppen, die laut Wladimir Putin »Selbstverteidigungskräfte in russischer Uniform« seien, kontrollieren die wichtigsten Infrastrukturobjekte, das Gebäude des Parlaments der Krim sowie regionale Telekommunikationseinrichtungen. Ein besonderes Problem stellen die Militäreinheiten der ukrainischen Armee dar, die zwar noch immer auf der Halbinsel stationiert sind, gleichwohl von den russischen Spezialeinheiten in ihren Kasernen eingesperrt werden. Das russische Militär hat mehrmals versucht, ukrainische Stützpunkte auf der Krim zu stürmen, die eine Kapitulation und eine Überlassung der Munitionslager verweigerten. Die Attacken wurden bisher ohne Waffeneinsatz abgeblockt. Das Referendum am 16. März und eine Annexion der Halbinsel an Russland können dazu führen, dass das ukrainische Militär als ausländische Truppen auf dem Territorium eines fremden Staates gilt. Eine solche Situation könnte von Russland als Gefahr für die staatliche Sicherheit interpretiert werden und letztendlich einen bewaffneten Konflikt in der Region auslösen.
»Ich hoffe mich zu irren, aber die Logik der Entwicklung auf der Krim legt ein Blutvergießen nahe« von Sergej Kondraschow, 9. März 2014 <http://www.snob.ru/profile/10815/blog/73285>
»Ich bin 80 Jahre alt, aber ich nehme ein Gewehr und werde mein Land verteidigen«
Leonid Krawtschuk, der erste Präsident der unabhängigen Ukraine, empört sich über die Besatzung der Krim durch russische Truppen. Er kritisiert den Kreml scharf wegen des Verstoßes gegen das Völkerrecht und warnt Russland vor gefährlichen Konsequenzen im Falle des Krieges mit der Ukraine: »Ich rufe die russische Regierung zum Einhalten auf. Zwischen unseren Völkern darf es keinen Krieg geben […] Alle Länder Europas werden die Ukraine unterstützen. Ich habe keine Zweifel daran. Wir sind Objekt einer Aggression. In dieser Situation müssen wir nur noch klug sein und dürfen keine abrupten Vorstöße zulassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die Nürnberger Prozesse. Ja, das war in Deutschland, kann sich aber auch an einem anderen Ort wiederholen.«
»Ich bin 80 Jahre alt, aber ich nehme ein Gewehr und werde mein Land verteidigen« von Leonid Krawtschuk, 2. März 2014 <http://www.snob.ru/profile/28139/blog/72834>
»Es wird keine Sanktionen gegen die Putinsche Administration geben«
Der Journalist des Radiosenders »Echo Moskwy« Matwej Ganapolski zweifelt an einer Einführung sowie einer Wirkung der Sanktionen gegen Moskau. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern der Europäischen Union und Russland sind eng und für beide Konfliktseiten sehr wichtig. Europa müsste dafür zu hohen Preis zahlen: »So brummelt Frankreich etwas von Visafragen und Sanktionen und traut sich in Wirklichkeit nicht mal, den Namen Wladimir Putin zu erwähnen, weil die Franzosen für uns den Flugzeugträger »Mistral« bauen [eigentlich geht es um zwei Hubschrauberträger, S.M.], und dieser Vertrag wird Russland 1 Milliarde Euro kosten. Sollte sich Frankreich jetzt für Sanktionen entscheiden, würde Russland sehr wahrscheinlich auf den Kauf verzichten. Und so funktioniert es überall. Die UNO kann nichts machen, weil sofort ein Veto käme, und die mächtigsten Staaten sind durch ihre Wirtschaftsbeziehungen, durch Gas, Pipelines usw. mit Russland verflochten, was Ehrlichkeit und gesunden Menschenverstand raubt.«
»Ihr macht euch vor Angst in die Hosen!« von Matwej Ganapolski, 7. März 2014 <http://www.echo.msk.ru/blog/ganapolsky/1274402-echo/>
Kann sich Russland einen Sanktions-Krieg leisten?
Sanktionen als Strafe sind in erster Linie auf eine Schwächung der Volkswirtschaft eines Aggressors gerichtet. Im Fall Russland hätten Brüssel und Washington zumindest aus makroökonomischen Gründen mehr Spielraum als Moskau. Die russische Wirtschaft ist im Vergleich zur amerikanischen oder zur europäischen rund sieben Mal kleiner. Russland könnte sich bei einem Sanktions-Krieg kaum wehren, ohne sich selbst zu schaden. Theoretisch hätte Russland die Gas-Geschäfte, seine Währungsdevisen, ausländisches Eigentum und Tochterunternehmen internationaler Konzerne aufs Spiel setzen können. Eine genaue Betrachtung dieser Instrumente zeigt ebenfalls, dass ihr Einsatz unwahrscheinlich ist, meint der Prorektor des Higher School of Economics Konstantin Sonin. Für einen effektiven Einsatz ausländischer Währungen verfügt Russland über viel zu geringe Devisenbestände in US-Dollars oder Euros. Das Procedere einer Beschlagnahmung ausländischer Unternehmen wäre äußerst schwierig, da von diesen viele de jure als russische Unternehmen registriert sind. Die eigenen Verluste wären dabei deutlich höher.
Viel wahrscheinlicher scheint der Einsatz von »leichteren Sanktionen«, die sich der Kreml durchaus leisten kann. Dazu gehören beispielsweise Importverbote für bestimmte Lebensmittel. Die Wirkung solcher Instrumente ist allerdings gering.
»Ach, du willst mit dem Helm prügeln…« von Konstantin Sonin, 10. März 2014 <http://www.echo.msk.ru/blog/ksonin/1275900-echo/>
»Dawai, Barak, Dawai!«
Der Kommunalpolitiker Oleg Dubow aus Twer kritisiert die US-Politik wegen Doppelstandards in der Ukraine-Frage: »Als zum Jahreswechsel auf dem Maidan statt Väterchen Frost der ›liebe Onkel‹ McCain erschien und Victoria Nuland die ›Rebellen‹ mit Piroggen fütterte, hat kein Mensch von Sanktionen gegen die USA gesprochen.« Gleichzeitig verweist Dubow auf mögliche positive Auswirkungen, die Sanktionen für die Wirtschaft Russlands könnten. Das Sperren von ausländischen Konten russischer Beamten würde die Politik Putins zur »Deoffshorisazija« (Entoffshorisierung) befördern. Ein Ausschluss Russlands aus der G8-Gruppe würde lediglich symbolische Bedeutung haben: »Das heutige China bemüht sich nicht um die G8-Mitgliedschaft und fühlt sich wohl dabei«. Ein Ausscheiden Russlands aus dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wäre undenkbar. Durch die Suspendierung der Mitgliedschaft bei den sonstigen Organisationen und »Partnerschaften« würde der Westen Russland nur einen Gefallen tun, behauptet Dubow und plädiert für einen Austritt Russlands aus dem Europarat, »einer weiteren nutzlosen Organisation, die so gern alles und jeden ein Leben nach liberaler Manier lehren möchte«. Im Falle von Sanktionen müsste Moskau allerdings adäquate Antworten geben: Die Sperrung des Luftraums für NATO-Flugzeuge sowie den Tausch der Dollarreserven in andere Währungen.
»Dawaj, Barak, dawaj!« von Oleg Dubow, 10. März 2014 <http://www.echo.msk.ru/blog/oleg_dubov/1275990-echo/>
Ausgewählt und zusammengefasst von Sergey Medvedev, Berlin(Die Blogs, auf die verwiesen wird, sind in russischer Sprache verfasst)