Analyse Von Angelika Nußberger
Die Rechtsstaatsidee lässt sich nicht abstrakt verwirklichen, sondern nur im jeweiligen nationalen und historischen Kontext und damit unter den Bedingungen der jeweiligen Rechtskultur, die die Einstellung zum Recht und somit die Bedeutung des Rechts als gesellschaftliches Regelungsinstrument prägt. In Russland werden traditionelle Defizite, zu denen etwa die unsystematische Rechtskodifizierung, die verspätete Herausbildung der Rechtswissenschaft, die geringe Verbreitung von Rechtskenntnis der Bevölkerung zu zählen sind, nur langsam aufgeholt. Immerhin unternimmt die politische Führung Anstrengungen, die Situation durch Kodifizierungen, Umbau der Juristenausbildung und Einbindung in eine gemeineuropäische Rechtskultur zu verändern. Allerdings tragen in sich widersprüchliche rechtliche Regelungen, Scheinargumentationen, eine zum Teil mehr quantitativ als qualitativ ausgerichtete Rechtsproduktion und nach wie vor bestehende Vollzugsdefizite dazu bei, dass das Erbe des Rechtsnihilismus so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird.
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Analyse Von Reinhard Krumm
In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich in der russischen Gesellschaft die Wahrnehmung von Europa und Deutschland stabilisiert. Dem allgemeinen politischen Schmerz und den oftmals persönlichen wirtschaftlichen Sorgen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist eine realistische Einschätzung Russlands in der Weltpolitik gefolgt. Nicht eine Wiederherstellung des Weltmachtanspruchs der Sowjetunion wünschen sich die Bürger, sondern ein Staat unter mehreren zu sein, allerdings mit weltweitem Einfluss. Doch bei allem Selbstbewusstsein und dem Einzug einer gewissen Normalität sucht Russland nach einer postsowjetischen Identität. Zum einen als eurasisches Land, zum anderen als europäisches Land. (…)
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