Stimmen aus Russland

Im Zuge der Vollinvasion in die Ukraine ist in Russland die Kriegszensur hochgefahren worden, und die Repressionen gegen unabhängige und andersdenkende Personen haben massiv zugenommen. Viele Wissenschaftler:innen, Expert:innen und Aktivist:innen haben Russland verlassen oder müssen in ihrer Tätigkeit Selbstzensur walten lassen oder gar in den Untergrund gehen. Die allermeisten Universitäten haben sich durch die Unterschrift ihrer Rektor:innen hinter Russlands Angriffskrieg gestellt. Ende Juni 2024 wurde bekannt, dass die Fakultät für Politikwissenschaft der Europäischen Universität St. Petersburg geschlossen wird, ein trauriger Höhepunkt der schrittweisen Zerstörung der an internationalen Standards orientierten Sozialwissenschaften in Russland. Gleichzeitig erklärte der Kreml zahlreiche internationale Organisationen als „unerwünscht“, darunter viele deutsche. Dazu gehören nicht nur parteinahe Stiftungen wie die Heinrich-Böll-Stiftung oder die Friedrich-Ebert-Stiftung, sondern inzwischen auch zwei institutionelle Herausgeber der Russland-Analysen: das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) und die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO). Jegliche Zusammenarbeit mit „unerwünschten Organisationen“ birgt erhebliche (straf-)rechtliche Risiken für russische Staatsbürger:innen, für jene, die in Russland verblieben sind, aber auch für solche, die inzwischen im Exil leben.

Dieser Gesamtkontext schränkt den potenziellen Kreis an Autor:innen massiv ein, die der deutschsprachigen Leserschaft Russland fundiert erklären können. So war es doch immer eines der Grundprinzipen der Länder-Analysen, Expert:innen aus den jeweiligen Ländern, in diesem Fall Russland, einen gewichtigen Platz in den Ausgaben einzuräumen. Inzwischen hat sich die Redaktion auf die Lage notgedrungen eingestellt. Diese Ausgabe mit „Stimmen aus Russland“, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben müssen, bietet mit zwei Analysen von unabhängigen Expert:innen einen sorgfältig recherchierten Einblick in zwei Themenbereiche, die derzeit aufgrund des Krieges wenig Aufmerksamkeit bekommen: die Museumslandschaft sowie häusliche Gewalt und die Einschränkungen reproduktiver Rechte von Frauen. Diese zwei Texte sind Teil einer Publikationsreihe, die die französische Nichtregierungsorganisation D’EST seit Beginn der Vollinvasion aufgesetzt hat. Daraus haben die Russland-Analysen zwei Texte ausgewählt, die wir in dieser Ausgabe vorstellen.

Die Redaktion der Russland-Analysen

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Analyse

Kriegspropaganda: Russische Museen unter Druck

Von Anonym
Diese Analyse untersucht die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russischen Museen und ihre Mitarbeiter:innen. Das Museumswesen ist maßgeblich durch sowjetische Traditionen und die jüngste Gesetzgebung zur „patriotischen“ Erziehung und Zensur geprägt. Die seit der russischen Invasion in die Ukraine verstärkten staatlichen Eingriffe und ideologischen Vorgaben führen zu einer Abwanderung von Fachkräften, Zensur, und zu staatlichem Missbrauch von Museen als Propagandainstrumente. Der Beitrag beleuchtet die vielschichtigen Reaktionen des Museumspersonals und der Institutionen selbst auf den staatlichen Druck. Hierzu gehört die Unterstützung des Regimes, Versuche, Neutralität zu bewahren und Bemühungen, die Gegenwart zu dokumentieren. (…)
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Analyse

Die russische Politik zur Frage häuslicher Gewalt und Beschränkungen der reproduktiven Rechte von Frauen

Von Anonym
Der vorliegende Artikel analysiert das systemische Problem der Gewalt gegen Frauen in Russland, insbesondere im Hinblick auf häusliche Gewalt und reproduktive Nötigung. Häusliche Gewalt wird nicht als Straftat anerkannt, was zu unzureichendem Opferschutz führt: Opfer häuslicher Gewalt erhalten selten Hilfe, und offizielle Stellen neigen dazu, mit einer Täter-Opfer-Umkehr betroffenen Frauen die Schuld zu geben. Auch in Bezug auf reproduktive Rechte werden Frauen in Russland stark eingeschränkt. Es gibt Verbote und hohe bürokratische Hürden bei Abtreibungen, Frauen werden zu aggressiven „Beratungen“ vor Schwangerschaftsabbrüchen verpflichtet und wiederholt werden gezielt Patientinnendaten geleaked. Die zunehmenden staatlichen Repressionen beschränken den Zugang zu Verhütungsmitteln und freiwilliger Sterilisierung. (…)
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