Die russisch-ukrainische Beziehungen: Änderungen in der Migrationspolitik

Im Sommer 2017 haben sowohl Russland als auch die Ukraine ihre Migrationspolitiken in Bezug auf das jeweils andere Land verändert. Nach einer heißen Debatte um die Einführung einer Visumspflicht für Russland, die nach aktuellen Umfragen 40 Prozent der Ukrainer unterstützen (s. Grafik 1 auf S. 20), haben sich die ukrainischen Politiker letztendlich nur für ein biometrisches Kontrollsystem entschieden. Ab dem Jahr 2018 müssen sich russische Staatsbürger, die in die Ukraine einreisen wollen, vorab online registrieren und bei der Einreise einen biometrischen Reisepass vorlegen. Für russische Staatsbürger, die seit März 2015 ohnehin nur noch mit dem Reisepass in die Ukraine dürfen, ändert sich wenig. Für die ukrainischen Behörden bedeutet die Entscheidung aber zusätzliche Kosten, denn die Kontrollposten müssen zunächst einmal ausgestattet werden.

In umgekehrter Richtung – also aus der Ukraine nach Russland – ist die Einreise mit Personalausweis immer noch möglich, das ist aber eine temporäre Ausnahme aufgrund des Konflikts in der Ostukraine. So ist seit 2015 für Bürger der GUS-Staaten, die keine Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion sind, ein Reisepass zur Einreise vorgeschrieben. Für Ukrainer wurden aber im gleichen Jahr Migrationsregelungen (vor allem die 90-Tage-Aufenthaltsregelung) vereinfacht, um die Aufnahme der Flüchtlinge aus den Regionen Donezk und Luhansk zu ermöglichen. Diese Vereinfachungen wurden aber schon Ende 2015 wieder abgeschafft. Stattdessen hat Russland nun die Einbürgerung der zugezogenen Ukrainer erleichtert. Nach einem im Juli verabschiedeten Gesetz brauchen Ukrainer für die Einbürgerung in Russland jetzt nicht mehr die Zustimmung der ukrainischen Regierung. Anstatt einer Bescheinigung über die Entlassung aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit wird nun eine notariell beglaubigte Kopie des entsprechenden Antrags verlangt.

Die beiden neuen Änderungen in der Migrationspolitik sowohl Russlands als auch der Ukraine waren für uns Anlass, die aktuellen Migrationssituationen und die Einstellungen beider Völker zur Schließung der Staatsgrenze unter die Lupe zu nehmen. Aus den vorhandenen Daten lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ziehen: Trotz einer antirussischen Rhetorik des politischen Establishments und allgemein antirussischer Einstellungen unter der Bevölkerung gibt es immer noch eine große Gruppe von Ukrainern, die nach Russland (aus)reisen. Ob die meisten davon aus den Ost-Regionen kommen, lässt sich anhand der erhobenen Statistiken nicht erkennen. Der Zuzug von Ukrainern nach Russland ist in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen. Russland kann der neuen Migrationsherausforderung aber nicht standhalten. Trotz der Anpassung der russischen Migrationspolitik, etwa in Form von materieller Hilfe oder einer vereinfachten Registrierung, haben die meisten ukrainische Flüchtlinge noch immer keinen formellen Status, der ihnen eine langfristige Lebensperspektive in Russland verschaffen würde. Die Anzahl der Ukrainer, die den Status von Asylsuchenden oder gar eine befristete oder unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Russland haben, ist verglichen mit der Migrationswelle aus der Ukraine sehr gering – von den niedrigen Einbürgerungsraten ganz zu schweigen. Ob die neue Einbürgerungspolitik Russlands gegenüber der Ukraine das Problem der »informellen« Migranten löst, bleibt abzuwarten. Die neue Regelung ignoriert aber die ukrainische Gesetzgebung und wird in Zukunft sicherlich zu Problemen mit Doppelpässen führen.

Katerina Bosko, Redakteurin der Ukraine-Analysen

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