Der Waldbestand in den vom Krieg betroffenen Landschaften der Ukraine
Die groß angelegte russische Invasion im Februar 2022 hat verheerende Folgen für die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Umwelt der Ukraine. Zu den stillen Opfern zählen auch die Wälder in der Kampfzone. Die meisten Gebiete in der Kampfzone im Südosten des Landes liegen in der steppischen Bioklimazone, die von weiten, offenen Graslandschaften und seit langem intensiv genutztem Ackerland geprägt ist. Aufgrund der spärlichen und unregelmäßigen Niederschläge ist das Gebiet anfällig für Dürren und Staubstürme. Um diese Risiken zu mindern, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg unter Stalins Herrschaft im Südosten der Ukraine sowie in anderen Teilen des eurasischen Schwarzerdegürtels ein weit verzweigtes Netz von Windschutzstreifen, die aus Baumreihen und Gehölzen bestehen, angelegt. Diese schützen die großen Ackerflächen vor Winderosion und erbringen weitere wichtige Ökosystemleistungen: Sie halten Schnee zurück, reduzieren den Wasserverlust durch Verdunstung und tragen so zu höheren und stabileren Ernteerträgen bei. Außerdem unterstützen die Windschutzstreifen Bestäuber, filtern Staub und verringern die Luftverschmutzung. Sie liefern außerdem Holz und Futter, bieten Kräuter, Wild, Pilze und Beeren und erhöhen so die landschaftliche Attraktivität.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden außerdem auf den niedrigen, sandigen Terrassen großer Flüsse weitläufige Kiefernwälder angelegt, die die natürlichen, lichten Mischwälder ersetzten. Dies geschah sowohl, um Sandverwehungen zu verhindern, als auch um die aufstrebende Industrie mit schnellwachsendem Holz zu versorgen. Kiefern können auf kargen Sandböden in semiariden Klimazonen dichte, sich selbst erneuernde Bestände bilden, sind jedoch sehr anfällig für großflächige Waldbrände. Diese künstlichen Wälder bilden zusammen mit den natürlichen Waldresten im nördlichen Teil des Gebiets, wo die Niederschläge höher ausfallen, sowie den Auenwäldern, die sich in einigen Flusstälern entwickelt haben, das Rückgrat der grünen Waldinfrastruktur der Region. Dieses Netzwerk aus Baumbeständen trägt wesentlich zur ökologischen Stabilität der Region bei und erbringt zentrale Ökosystemleistungen. Der zu erwartende Klimawandel, der zu heißeren und trockeneren Bedingungen führen wird, erhöht die Bedeutung vieler dieser Funktionen und erschwert zugleich die Erhaltung der Waldbestände, insbesondere angesichts der in diesem Gebiet künftig häufiger auftretenden Temperaturextreme sowie der häufigeren und intensiveren Dürreperioden.
Schon vor dem Krieg befanden sich viele dieser Wälder und Windschutzstreifen (nachfolgend werden beide Strukturen unter dem Begriff Wald zusammengefasst), in schlechtem Zustand. Gründe dafür waren mangelnde Pflege, illegale Abholzung und wiederkehrende Brände. Die letzten großen Brände vor der vollständigen Invasion ereigneten sich 2020 in der Region Luhansk: Damals wurden 25.000 Hektar Wald zerstört und 17 Menschen kamen ums Leben. Die intensiven Kampfhandlungen seit Februar 2022 haben zu weiteren erheblichen Schäden an den Wäldern in der Region geführt. Baumbestände bieten Truppen und Militärfahrzeugen eine natürliche Deckung, da sie diese vor der Drohnenaufklärung abschirmen. Dadurch geraten die Wälder verstärkt ins Visier militärischer Angriffe. Beschuss- und Bombardierungsaktionen führen zu erheblichen Zerstörungen und schweren Schäden. Da sich unter dem Blätterdach des Waldes versteckte feindliche Einheiten häufig nicht genau lokalisieren lassen, wird dies oft durch den Einsatz großer Munitionsmengen »kompensiert«. Dies verursacht erhebliche Kollateralschäden an den Waldbeständen (Lloyd et al., 2023).
Während die Wälder in unmittelbarer Nähe aktiver Kampfgebiete vor allem unter Bränden und mechanischen Schäden durch Munitionsexplosionen leiden, sind weiter entfernte Bestände vor allem von den indirekten Auswirkungen des Krieges betroffen. In einigen Gebieten werden Baumbestände gerodet, um Holz für den Bau von Befestigungsanlagen bereitzustellen. Gleichzeitig finden forstwirtschaftliche Maßnahmen wie die rechtzeitige Brandbekämpfung praktisch kaum noch statt – sowohl aufgrund der angespannten Sicherheitslage als auch aufgrund der Umverteilung knapper Ressourcen auf vordringlichere Prioritäten. Ein weiteres Problem ist, dass die Baumbestände zusätzlich zu den physischen Schäden oft einer starken Verschmutzung ausgesetzt sind, etwa durch ausgelaufene Kraftstoffe, Waffenreste oder nicht explodierte Kampfmittel. Diese Belastungen erschweren die Wiederherstellung und eine geordnete Bewirtschaftung.
Satellitenbilder helfen dabei, das Ausmaß der Waldschäden aufzudecken
Direkte Beobachtungen, Messungen und Bewertungen von Schäden an Wäldern sind in Kriegszeiten stark eingeschränkt. Satellitengestützte Fernerkundung kann jedoch auch unter solchen Bedingungen zuverlässige, unabhängige und konsistente räumliche Informationen liefern. Moderne Satellitenplattformen bieten frei zugängliche, hochauflösende Daten, die große Gebiete nahezu in Echtzeit abdecken. Beispielsweise liefern die frei verfügbaren Sentinel-2-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) multispektrale Aufnahmen mit einer räumlichen Auflösung von 10 bis 20 Metern, wodurch sie sich auch zur Erkennung von Veränderungen in kleinen Baumbeständen und schmalen Windschutzstreifen eignen. Wir haben multispektrale Sentinel-2-Bilder verwendet, die auf der cloudbasierten Plattform Google Earth Engine (GEE) verfügbar sind und dort verarbeitet werden können, um das Ausmaß der Waldschäden vom Beginn des Krieges bis 2025 zu schätzen. Multispektrale Satellitenbilder erfassen das von der Erdoberfläche reflektierte Licht in mehreren Farbbändern, die jeweils einen bestimmten Wellenlängenbereich abdecken. Da verschiedene Bodenbedeckungen das Licht unterschiedlich reflektieren, erlauben die daraus resultierenden Variationen Rückschlüsse auf Objekttypen und deren Zustand. Experten der Forstverwaltung des US-Landwirtschaftsministeriums haben die Nahinfrarot- und Kurzwellen-Infrarotbänder als besonders aussagekräftig für die Beurteilung waldbrandbedingter Schäden identifiziert. Eine bestimmte Kombination dieser Bänder aus Sentinel-Bildern ergibt die sogenannte Normalised Burn Ratio (NBR), die sich als die aussagekräftigste Bewertung von durch Brände verursachte Waldschäden erwiesen hat. Die NBR wird als Differenz der Reflexionswerte im nahen und im kurzwelligen Infrarot, geteilt durch deren Summe, berechnet. Ein Vergleich des NBR zwischen zwei Zeitschnitten ermöglicht es, das Ausmaß der während dieses Zeitraums entstandenen Schäden zu schätzen.
Wir verwenden eine modifizierte Version dieses Index, den relativen Delta-NBR (im Folgenden als »Burnout-Index« bezeichnet), der die jährlichen Wetterveränderungen berücksichtigt und besser mit den vor Ort beobachteten Brandbedingungen übereinstimmt (Miller & Thode, 2007). Wir haben die Burnout-Indexwerte aus Sentinel-2-Bildern berechnet, die 2021 (dem letzten Jahr vor der Invasion) und 2025 aufgenommen wurden. Wir haben nur Bilder verwendet, die zwischen dem 10. Mai und dem 20. September, dem Zeitraum der vollen Vegetation, aufgenommen und nicht durch Wolkenbedeckung beeinträchtigt wurden. Das ermöglicht uns, den Zusammenhang zwischen dem Burnout-Index und der Entfernung zur Frontlinie zu illustrieren. Wir verwenden hierfür die Position der Frontlinie vom 1. Januar 2024 als Referenz, da sie sich seitdem nur wenig verändert hat.
Wir haben zwei Schwellenwerte für den Burnout-Index verwendet, um zwischen unbeschädigten, beschädigten und vollständig verbrannten Wäldern zu unterscheiden. Der erste Schwellenwert markiert den Beginn der Schädigung und wurde mithilfe einer statistischen Methode ermittelt, die angibt, wann die Daten von einem normalen Muster abweichen. Der zweite Schwellenwert entspricht dem von Miller und Thode (2007) vorgeschlagenen »hohen Schweregrad« und kennzeichnet Flächen, die als vollständig zerstört einzustufen sind.
Gesamtumfang und Verteilung der geschädigten und zerstörten Wälder
Die Satellitenbilder zeigen deutlich eine Zunahme des Schadensausmaßes in Gebieten, die weniger als 100 km von der Frontlinie entfernt liegen (Abbildung 1). Wälder innerhalb dieses 100-km-Gürtels auf beiden Seiten der Front erwiesen sich als besonders anfällig für Schäden und Zerstörungen. Von den dort im Jahr 2021 vorhandenen 15.000 km² Waldbestand wurden 4.400 km² (29 Prozent) geschädigt und 1.330 km² (9 Prozent) vollständig zerstört.

In dieser Region kommt es auch in Friedenszeiten regelmäßig zu Waldbränden, sodass nicht alle festgestellten Schäden und Zerstörungen direkt auf den Krieg zurückzuführen sind. Die Auswirkungen des Krieges sind jedoch eindeutig erkennbar, da in Gebieten näher an der Frontlinie ein deutliches Muster zunehmender Schäden und Waldzerstörung zu beobachten ist.
Abbildung 2 veranschaulicht das Muster der Waldzerstörung in zwei der am stärksten betroffenen Gebiete. Das erste Beispiel ist der Serebrjanka-Wald, in dem seit fast drei Jahren einige der intensivsten Kämpfe stattfinden (Foto und Karte oben rechts in Abbildung 2). Das zweite Beispiel betrifft ein Waldgebiet auf der sandigen Flussterrasse im Gebiet Cherson (südliche Ukraine), wo 2022 die meisten Kämpfe stattfanden und bis heute Beschuss erfolgt.

Es zeigt sich deutlich, dass die schwersten Waldschäden in den Regionen auftraten, in denen die intensivsten und längsten Kämpfe stattfanden (Abbildung 3). Besonders stark betroffen ist die Region Cherson im Süden, die ohnehin nur über einen geringen Waldbestand verfügt und nun den größten Anteil an beschädigten und zerstörten Waldflächen aufweist. Nur 20 Prozent der Waldbestände aus der Zeit vor dem Krieg wurden als intakt eingestuft. Die Oblaste Donezk und Luhansk weisen hingegen die größte Gesamtfläche an beschädigten Wäldern auf, was durch die anhaltenden und schweren Kämpfe in weiten Teilen dieser Regionen erklärt werden kann.

Wir haben auch das Ausmaß und die Schwere der Schäden für Nadel- und Laubwälder getrennt analysiert. Abbildung 4 zeigt, dass zwar Laubwälder in diesem Gebiet überwiegen, Nadelwälder jedoch deutlich stärker geschädigt sind. Auffällig ist insbesondere der hohe Anteil zerstörter Nadelwaldbestände in der Region Serebrjanka. Dies dürfte auf die Eigenschaften der dort vorherrschenden Kiefern zurückzuführen sein, die leicht entflammbar sind und das Feuer schnell weitertragen.

Unsere Schätzungen berücksichtigen keine Gebiete, in denen die direkten Feindseligkeiten relativ kurz waren und keine Waldschäden verursacht haben, die mit denen in den Gebieten entlang der Frontlinie vergleichbar wären. Dazu gehören Gebiete in den Oblasten Kyjiw, Mykolajiw und Schytomyr, die in der Anfangsphase der Invasion von Russland besetzt und 2022 von der Ukraine befreit wurden, ohne dass es seitdem zu weiteren Bodenkämpfen gekommen wäre. Ebenso nicht einbezogen sind Teile der Oblaste Sumy und Dnipropetrowsk, die 2025 von Russland besetzt wurden, sowie Teile der russischen Oblast Kursk, in die die ukrainische Armee 2024 einmarschierte.
Ausblick
Die moderne Kriegsführung verursacht umfangreiche Schäden und Zerstörungen in Wäldern, insbesondere in solchen, die als Deckung für militärische Einheiten dienen könnten. Besonders anfällig sind Kiefernbestände, die durch Explosionen schnell Feuer fangen und es weiterverbreiten. Neben Bränden führen auch mechanische Einwirkungen sowie eine kriegsbedingte Nutzung des Holzes zu zusätzlichen Verlusten, während Waldbewirtschaftung und rechtzeitige Brandbekämpfung weitgehend ausgesetzt sind. Der Verlust oder die weitgehende Zerstörung von Wäldern in den südlichen und östlichen Regionen der Ukraine, die sich in der Kampfzone oder in der Nähe befinden, wird angesichts der vielfältigen essenziellen Ökosystemleistungen und -funktionen, die diese Wälder erbringen, zu schwerwiegenden und langfristigen Folgen für die Umwelt, die Gesellschaft und die Landwirtschaft dieser Gebiete führen. Verbrannte und zerstörte Wälder setzen außerdem große Mengen des von ihnen gespeicherten Kohlenstoffs frei, wobei die zusätzlichen Treibhausgasemissionen durch kriegsbedingte Waldbrände auf 47 Millionen Tonnen CO₂ geschätzt werden (Initiative on GHG Accounting of War, 2025).
Moderne Satellitenbilder sind eine zuverlässige und oft die einzige Quelle, um aktuelle und räumlich genaue Informationen zum Ausmaß der Waldschäden zu erhalten. Unsere Analysen beziffern die Waldschäden in einem Band von jeweils 100 Kilometern auf beiden Seiten der Frontlinie vom Herbst 2025 auf 5.730 km², was 38 Prozent des Bestandes von 2021 entspricht. Diese Zahl wird weiter steigen, da die Feindseligkeiten zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts andauern. Weiterhin gibt es eine zeitliche Verzögerung zwischen dem Auftreten von Waldschäden – etwa durch mechanische Einwirkungen oder Bodenbrände – und dem Zeitpunkt, zu dem diese Schäden auf Satellitenbildern erkennbar sind.
Die einzige wirksame Möglichkeit, weitere Schäden und Zerstörungen der Wälder zu verhindern, ist natürlich die rasche Beendigung der Feindseligkeiten. Die Wiederherstellung und Bewirtschaftung zerstörter und beschädigter Wälder nach dem Krieg sollten sich nach dem Ausmaß und der Art der Schäden sowie den örtlichen Gegebenheiten richten. Windschutzstreifen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten sollten wiederhergestellt und aktiv gepflegt werden, da sie unter den sich ändernden klimatischen Bedingungen eine immer wichtiger werdende Rolle spielen. Zerstörte Monokulturen aus Kiefernbeständen sollten durch gemischte und offenere Waldbestände ersetzt werden, die widerstandsfähiger gegen Brände und anpassungsfähiger an sich beschleunigende Klimaveränderungen sind. Wälder, die stark mit Blindgängern belastet sind oder zu nahe an der zukünftigen Demarkationslinie liegen, um eine sichere Bewirtschaftung zu ermöglichen, sollten der natürlichen Regeneration überlassen werden. Auch wenn sie für eine aktive Nutzung durch den Menschen unzugänglich sind, können solche Wälder dennoch wichtige ökologische Leistungen erbringen, etwa die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Bindung von Kohlenstoff. Einige völlig neue Herausforderungen ergeben sich aus den spezifischen Merkmalen der modernen Kriegsführung, etwa durch Glasfaserkabel von Drohnen, die bei Abstürzen in der Umwelt zurückbleiben und deren ökologische Auswirkungen bislang kaum untersucht sind.