Von Wilfried Jilge
Zusammenfassung
Solange die Ukraine zur Sowjetunion gehörte, bestimmten die Symbole und Praktiken des Mythos vom Großen Vaterländischen Krieg das Gedenken an den Krieg. Seit der Unabhängigkeit verändert sich die ukrainische Erinnerungskultur. Zwar bleibt der Zweite Weltkrieg ein zentrales Thema. Doch Nationalhistoriker deuten ihn aus nationalukrainischer Sicht neu. In den Mittelpunkt der staatlichen Geschichtspolitik und der öffentlichen Erinnerungskultur rückt der Untergrundkampf der »Organisation der Ukrainischen Nationalisten« (OUN) und der »Ukrainischen Aufstandsarmee« (UPA). Deren Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht und die Verwicklung in den Judenmord sind in der Öffentlichkeit weitgehend tabu. Die Identitätsstiftung und Konsolidierung einer an demokratischen Werten orientierten Nation gelingen jedoch nur, wenn diese weißen Flecken der Geschichte der Nationalbewegung aufgearbeitet werden.