Über dem Gesetz: Das »andere« Amtsverständnis ukrainischer Parlamentarier und die Frage der Abgeordnetenimmunität

Von Ingmar Bredies

Zusammenfassung
In den ersten Monaten des Jahres 2009 haben einige hochrangige Politiker in Deutschland nachhaltige politische Konsequenzen für persönliches Fehlverhalten ziehen müssen. Die politische Elite in Osteuropa trägt hingegen noch immer in unterschiedlichem Maße Züge eines »Klubs der Unnahbaren«. Dieser Beitrag versucht diesem »anderen« Amts-, Selbst- und Fremdverständnis der politischen Klasse insbesondere in der Ukraine auf den Grund zu gehen. Wo liegen die Ursachen hierfür? Welche Auswirkungen hat dies vor allem auf den Demokratisierungsprozess sowie den Verlauf und die Erfolgsaussichten des politischen Systemwechsels? Wird dabei oft darauf verwiesen, dass die Ukraine nach der »Orangen Revolution« 2004 einen anderen Weg als beispielsweise Russland eingeschlagen hat, so scheint dieser Befund jedoch nur bedingt Gültigkeit für das vorherrschende Amtsverständnis, die rechtliche Verantwortlichkeit und eine als legitimierend empfundene Vorbildfunktion von Politikern zu besitzen.

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Analyse

Volle Fahrt zurück! Richtungswechsel in der Geschichts- und Identitätspolitik

Von Ingmar Bredies
In der Ukraine konkurrieren zwei gegensätzliche Konzeptionen der Geschichts- und Identitätspolitik. Seit dem Amtsantritt Präsident Janukowitschs im Februar 2010 ist eine klare Abwendung von den Grundlagen und Bezugspunkten der Politik seines Amtsvorgängers Juschtschenko zu erkennen, was unmittelbare Konsequenzen für die Politikgestaltung in vielen Bereichen hat. Die bisherigen Deutungsmuster der ukrainischen Geschichte sowie der staatlich »verordnete« Nationalismus werden nun abgelöst durch ein Wiederaufleben des »autoritären Eklektizismus« (Wilfried Jilge) der Kutschma-Periode und die Vermischung von Elementen der sowjetischen Historiografie mit nationalukrainischen Elementen.
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Analyse

Zensurbestrebungen in der Ukraine: Von moralisch verbrämter Zensur zu einer möglichen politischen Zensur

Von Andreas Stein
Seit dem Amtsantritt von Wiktor Janukowytsch steht die Ukraine unter besonderer Beobachtung in Bezug auf die Einhaltung der Presse- und der Meinungsfreiheit. Nicht registriert wurde dabei jedoch, dass bereits unter Präsident Juschtschenko ein Gesetz aus der Kutschma-Ära Anwendung fand, mit dem eine moralisch verbrämte, mitunter politische Zensur ausgeübt wurde. Über die Regelungen des Gesetzes findet die jetzige Administration Janukowytsch bereits ein fertiges Instrument für Zensurmaßnahmen vor. Unter moralischethischen Gesichtspunkten wird zwar auch in entwickelten Demokratien Zensur ausgeübt, doch existieren hier feste Regeln und Institutionen, die eine willkürliche Anwendung verhindern können. In der Ukraine mit ihren schlecht funktionierenden Institutionen bleibt eine Zensur damit nicht auf den moralisch-ethischen Bereich beschränkt und kann leicht auf politische Meinungen und Ansichten ausgeweitet werden. (…)
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