Die "einflussreichste Frau der Welt" zu Besuch in Kirgistan

Von Beate Eschment

Am 13./14. Juli 2016 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel als erste deutsche Regierungschefin Kirgistan besucht. Auf dem Weg zum 11. ASEM-Gipfel (Asia-Europe Meeting) in der Mongolei machte sie für knapp 24 Stunden Halt in Bischkek, wo sie noch am späten Abend von Präsident Almasbek Atambajew auf dem Flughafen mit militärischen Ehren empfangen wurde. Am nächsten Tag fanden Gespräche mit Parlamentariern, Vertretern nationaler Minderheiten, geistlichen Würdenträgern und natürlich mit dem Präsidenten statt. Dabei soll auch über schwierigere Themen, wie die negativen Auswirkungen der EU-Russland-Sanktionen auf Kirgistan, den seit 2010 aufgrund eines international umstrittenen Urteils im Gefängnis sitzenden usbekischen Menschenrechtler Asimschan Askarow (dessen Fall in Reaktion auf eine Forderung des UN-Menschenrechtsrates unmittelbar vor Ankunft der Kanzlerin vom Obersten Gericht verhandelt wurde) oder den Umgang mit Minderheiten gesprochen worden sein. Da keine Dokumente zur Unterzeichnung anstanden, besteht das Ergebnis des Aufenthaltes in Worten der Unterstützung. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Atambajew kündigte Merkel an, Kirgistan weiterhin in seiner demokratischen und wirtschaftlichen Entwicklung wie auch beim Kampf gegen den islamischen Radikalismus unterstützen zu wollen. Konkreter wurde Hilfe bei der Annäherung an die EU und bei der Ausbildung von muslimischen Geistlichen genannt.

Die Perspektive der Medien auf den Besuch der Bundeskanzlerin unterscheidet sich zwischen Deutschland und Kirgistan (natürlich) stark. Deutsche Journalisten berichteten, wenn ihnen der Besuch überhaupt mehr als eine Randnotiz wert war, von einem »Besuch fernab der Weltpolitik« (FAZ) oder einer »abseitigen Reise« (Zeit online), die einen »eigenwilligen außenpolitischen Akzent« (Spiegel online) setzte. Außerdem wurde die Kürze und Beiläufigkeit des Aufenthaltes mit Worten wie »Zwischenstopp« (DW) oder »Stippvisite« (FAZ) betont. Für Kirgistan war Merkels Besuch dagegen ein großer Tag mit einer entsprechenden Resonanz in den Medien, sowohl quantitativ als auch qualitativ: ein »historisches Ereignis«!

Deutschland hat Kirgistan schon seit seiner Unabhängigkeit besonderes Interesse signalisiert. Lange Zeit war es der einzige EU-Staat mit einer Botschaft in Bischkek, 1998 besuchte Bundespräsident Roman Herzog als erstes westliches Staatsoberhaupt das Land, dem auch mehrere Außenminister, zuletzt Frank-Walter Steinmeier im April 2016, einen Besuch abstatteten. Insgesamt sollen seit 1993 fast 400 Mio. Euro Wirtschafts- und Entwicklungshilfe geflossen sein. Dennoch rätselten sowohl deutsche wie auch – und noch viel mehr – kirgisische Journalisten über Motive und Ziele von Merkels Visite in einem kleinen, weit entfernten, ökonomisch für Deutschland völlig unbedeutenden Land, in dem auch nur noch ca. 8.000 Deutschstämmige (von ehemals ca. 100.000) leben. In Anlehnung an die Formulierung des Kanzleramtes, Merkel wolle ein Signal setzen, dass Deutschland Kirgistans Bemühungen um Demokratie anerkennt, schrieben deutsche Medien von einem »Tribut an die Demokratie« (Reuters), einer »Belohnung« (FAZ) oder einer »Ermunterung« (Spiegel online), die »politisch kostbar« für Kirgistan (ZDF heute) sei. In kirgisischen Medien wurden diverse Spezialisten zitiert, die Merkels Besuch mit der wachsenden Gefahr einer Islamisierung auch Westeuropas begründeten, dem Versuch, sich über Kirgistan des SCO anzunähern oder gar einer besonderen Aura des Landes. Wie wenig man sich vor Ort vorstellen konnte, dass es wirklich um die Unterstützung des demokratischen Weges ging, und nicht ein deutsches Eigeninteresse hinter dem Besuch steckte, lässt sich daran erkennen, dass die von einer ausländischen Nachrichtenagentur lancierte Behauptung, Merkels eigentliches Ziel sei die Verhandlung über die Einrichtung eines Lagers für Syrienflüchtlinge in Kirgistan, für erhebliche Unruhe sorgte.

Natürlich beschäftigten sich kirgisische Medien anlässlich des Besuchen auch mit der Person Angela Merkel. Das freudige Erstaunen darüber, dass die Bundeskanzlerin Russisch mit Atambajew sprach, war in vielen Medien spürbar. Erstaunen, wenn nicht verdeckte Kritik an kirgisischen Politikern, steckt auch in der Information, dass sie in einem normalen Berliner Mehrfamilienhaus wohnt. (Fotos vom gemeinsamen Spaziergang Merkels und Atambajews im Regen, auf denen zu sehen war, dass die Bundeskanzlerin ihren Regenschirm selber trug, haben eine lebhafte Debatte unter Kirgisen auf Facebook ausgelöst, lassen sich in Kirgistan doch selbst Parlamentarier von Mitarbeitern »beschirmen«.)

Die folgende Auswahl von Artikeln aus der recht bunten kirgisischen Presse soll einen Eindruck von inhaltlichen Schwerpunkten und Bewertungen des Merkel-Besuches geben.

Beate Eschment

Der Besuch Merkels: Warum interessiert sich Deutschland für Kirgistan?

Kloop, 12.7.2016

<http://kloop.kg/blog/2016/07/12/vizit-merkel-pochemu-germaniya-interesuetsya-kyrgyzstanom/>

Von Aisirek Almasbekowa

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel trifft am 13. Juli erstmals zu einem offiziellen Besuch in Kirgistan ein. Die einen verbinden dies damit, dass Deutschland die Radikalisierung der kirgisischen Gesellschaft befürchtet, andere mit wirtschaftlichen Interessen.

[…]

Radikalisierung der Region?

Der Politologe Mars Sarijew glaubt, dass sich mögliche »negative Entwicklungen« in Kirgistan in Hinsicht auf die Radikalisierung der Gesellschaft auf Deutschland auswirken könnten. Er führte die Situation in den Staaten Afrikas, des Mittleren Ostens und Syriens an, die die Ursache für die derzeitige Flüchtlingskrise bilden.

[…]

»Deutschland als Juniorpartner der USA und stellvertretend für die westliche Gemeinschaft fürchtet, dass in der einzigen Republik Zentralasiens, die sich auf mehr oder weniger demokratischem Weg befindet, der islamische Extremismus Fuß fassen könnte. Die Bedrohung, die aus Afghanistan kommt, aber auch die Schläferzellen, die sich innerhalb des Landes gebildet haben, könnten sich radikalisieren, deshalb herrschen bei ihnen sehr große Befürchtungen«, sagte Sarijew in einem Interview mit Kloop.kg.

[…]

Aus dem Russischen von Henryk Alff

Wofür nur ist Frau Merkel hergeflogen?

Delo No., 14.7.2016

<http://www.delo.kg/index.php/health-7/9613-zachem-zhe-priletala-frau-merkel>

Von Wadim Notschowkin

Der Besuch der deutschen Bundeskanzlerin in Kirgistan hat bereits vor ihrer Ankunft zahlreiche Gerüchte hervorgerufen.

Welche haben sich bestätigt, welche nicht?

Die Aufregung, die der Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Kirgistan auf ihrem Weg in die Mongolei ausgelöst hat, war vollkommen verständlich. Noch nie zuvor war ein Staats- und Regierungschef Deutschlands – des mächtigsten Staates der EU – zu einem offiziellen Besuch nach Kirgistan gekommen. Eine Ausnahme bildet der Besuch des Bundespräsidenten im Jahr 1998, doch der Präsident erfüllt in Deutschland eher repräsentative Aufgaben, die reale Macht liegt in den Händen der Kanzler.

[…] Der kirgisische Präsident begrüßte die deutsche Kanzlerin auf Deutsch: »Guten Abend«, »Dobry wetscher!« antwortete ihm Frau Merkel auf Russisch. Und für den von Atambajew überreichten Blumenstrauß bedankte sie sich erneut auf Russisch: »Spasibo bolschoe!« Darin zeigte sich zweifellos ihre Biographie – ihre Kindheit und einen Teil ihres bewussten Lebens verbrachte Merkel bekanntermaßen in der DDR, sie war Mitglied der Pioniere und im deutschen Komsomol (FDJ – Anm. des Übersetzers).

[…]

Doch was hat Frau Merkel interessiert? Erstens, die interreligiöse Situation in Kirgistan, Fragen von Extremismus und Terrorismus. Zweitens, die zwischenethnische Situation. Nach unseren Informationen hat Angela Merkel ihren Gesprächspartnern mitgeteilt, dass sie bei dem bevorstehenden Treffen mit Almasbek Atambajew die Frage nach der proportionalen Vertretung verschiedener Ethnien in den staatlichen Strukturen Kirgistans, darunter von nationalen Minderheiten, aufwerfen werde.

Eines der Gerüchte, das dem Besuch der Kanzlerin in Kirgistan vorauseilte, verband ihren Besuch mit dem Schicksal des zu lebenslanger Haft verurteilten Bürgerrechtlers Asimschan Askarow. Eine der internationalen Menschenrechtsorganisationen – das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) – hatte Merkel vor ihrer Abreise dazu aufgerufen, ihren Besuch dafür zu nutzen, um »die Aufmerksamkeit der kirgisischen Führung auf die Notwendigkeit der Freilassung von Asimschan Askarow zu lenken.« »Insbesondere bitten wir Sie, energisch an Präsident Atambajew zu appellieren, sich an die Entscheidung des UN-Menschenrechtsrats zu halten, der die Unschuld Askarows feststellte und dessen sofortige Freilassung forderte«, heißt es in einer Stellungnahme der NGO.

Es blieb unklar, welche Beziehung das Komitee für den Schutz von Journalisten (!) mit dem Bürgerrechtler Askarow hat. Doch seine Person wurde in den dreistündigen Gesprächen Angela Merkels mit Almasbek Atambajew tatsächlich diskutiert. Dies wurde während der gemeinsamen Pressekonferenz des kirgisischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin bestätigt.

[…]

Ein weiteres Gerücht war wahrlich schockierend und brachte die kirgisische Öffentlichkeit in Aufruhr. Die Agentur »Osodagon« mit Sitz in Duschanbe, die sich selbst als »unabhängige regionale Nachrichtenagentur mit Registrierung in Tadschikistan und Kirgistan« bezeichnet, hatte zwei Tage vor dem Besuch der Kanzlerin folgende sensationelle Nachricht verbreitet: Merkel wird in Gesprächen mit Atambajew die Frage nach der Einrichtung eines Auffanglagers für syrische Flüchtlinge in Kirgistan aufwerfen!

[…]

Im Übrigen hat das kirgisische Außenministerium nicht gezögert mitzuteilen, dass in der bestätigten Tagesordnung der bilateralen Gespräche die Flüchtlingsfrage gar nicht auftaucht. Und tatsächlich fanden im Lauf von Merkels Besuch keinerlei syrische Flüchtlinge Erwähnung. So blieb unklar, was das sollte? Ein Durchsickern von Inhalten absolut geheimer Absprachen Berlins und Bischkeks? Oder ein ganz normaler provokativer Einwurf von Information (genauer gesagt Desinformation)? Nur für wen und wozu war dies notwendig?

Im Laufe des Treffens von Almasbek Atambajew und Angela Merkel wurden keinerlei Dokumente unterschrieben. Warum ist die deutsche Bundeskanzlerin dann also hergekommen?

Die Führer beider Staaten diskutierten, wie mitgeteilt wurde, ein »sehr breites Themenspektrum – von Wirtschaftsfragen und Politik bis hin zum kulturell-humanitären Bereich.« Wenn man die allgemeinen Phrasen zur Ausweitung der Zusammenarbeit einmal weglässt, die Atambajew und Merkel im Rahmen der Pressekonferenz miteinander austauschten, bleibt unter dem Strich folgendes. Deutschland wird möglicherweise in der Zukunft die Entwicklung von kleinen und mittelständischen Unternehmen unterstützen. Kirgistan kann bis zu 6.000 Warenkategorien zollfrei in die EU einführen. Doch dazu müssen in Kirgistan moderne Laboratorien eingerichtet werden, die die Qualität dieser Waren bestätigen. Kurz gesagt ist die Situation genau die gleiche wie mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EEU), auf deren Binnenmarkt viele kirgisische Waren wegen des Fehlens solcher Laboratorien nicht gelangen können.

Jetzt steht die Erarbeitung einer sogenannten »Road Map« der Zusammenarbeit, insbesondere konkreter ernsthafter Projekte auf der Tagesordnung. Almasbek Atambajew merkte an, dass sich die kirgisische Seite, die nach seiner Einschätzung »ihre Hausarbeiten nicht gemacht hat«, bis zum Herbst »ein wenig bewegen sollte«.

Aus dem Russischen von Henryk Alff

Die deutsche »Eiserne Lady«

Slowo Kyrgyzstana, 12.7.2016

<http://slovo.kg/?p=72644>

[…]

In Reaktion auf die Bewegung gegen die Islamisierung in der deutschen Gesellschaft erklärte A. Merkel, dass »der Islam ein Teil von Deutschland sei«. Für diese Aussage wurde sie von vielen Politikern scharf kritisiert. Ebenso muss man die überzeugte antisemitische Politik A. Merkels betonen.

Es ist hervorzuheben, dass A. Merkel mit ihrem Mann I. Sauer in einem normalen Mehrfamilienhaus wohnt, da sie auf eine Dienstwohnung verzichtet hat. Ihre Freizeit verbringt sie gern mit Gartenarbeit, sie liest viel und reist gern.

Ihre Idole sind die Physikerin Marie Curie, der Politiker Ludwig Erhard, der Philosoph Aristoteles und ihr Lieblingsschauspieler ist Robert Redford. In der Musik favorisiert sie Klassik, insbesondere Opern von Richard Wagner.

A. Merkel ist lange vor ihrer Karriere, noch als Studentin, zum Fußballfan geworden. Während der WM 2014 verfolgte sie persönlich das siegreiche Endspiel der deutschen Auswahl.

Die übliche Kleidung der deutschen Regierungschefin ist ein strenges Kostüm. In der Regel sind dies Hosen in Verbindung mit einem Blazer mit drei oder vier Knöpfen. Merkel ist keine Freundin von Schmuck, sie trägt weder Ringe, noch Ketten oder Ohrringe.

Die Geste, die zum »Markenzeichen« Merkels geworden ist, betrifft die Haltung ihrer Hände. Vor den letzten Wahlen hingen Plakate mit den Händen der Kanzlerin in ganz Deutschland.

Auf ihrem Schreibtisch steht ein Portrait der russischen Zarin Katharina II., welche Merkel für eine starke Frau hält.

A. Merkel ist dafür bekannt, in jeder beliebigen Situation die Ruhe und ihre »stille Kraft« zu bewahren. Auf ihrem Tisch steht eine silberne Plakette mit der Aufschrift »In der Ruhe liegt die Kraft.« (Im Original deutsch und russisch, Anm. des Übers.)

Aus dem Russischen von Henryk Alff

Die einflussreichste Frau der Welt besucht Kirgistan

Wetschernyj Bischkek, 14.7.2016

<http://www.vb.kg/doc/343414_segodnia:_auf_wiedersehen_frau_bannery_s_parandjoy_tekebaev_i_ego_zakon.html>

Von Erkin Suromtschujew

Nichts wurde mit ihr unterschrieben, doch über alles wurde gesprochen. Das Treffen auf höchster Ebene zwischen der deutschen Kanzlerin und dem Präsidenten unseres Landes mag zwar nicht mit Konkretem ausgefüllt gewesen sein, machte jedoch deutlich: Zwischen beiden Staaten ist alles in Ordnung. Merkel begegnet den Kirgisen und ihrem Staatschef mit Respekt. Irgendwelche zweifelhaften Themen wurden im Rahmen der Gespräche nicht angesprochen.

Präsident Atambajew erklärte, dass hinsichtlich des gesamten Spektrums der besprochenen Themen Einvernehmen besteht. Gesprochen wurde über Terrorismus und Religion. Der Konflikt in der Ukraine fand Erwähnung und die Sanktionen gegen Russland. Und diesbezüglich erklang der wichtigste Gedanke: »Wir haben nicht das Recht, einen großen Krieg in Eurasien zuzulassen.« Atambajew rief die Staaten Europas und Russland auch dazu auf, einen Kompromiss zu finden.

Wie üblich wurde gesagt, dass der Besuch im Geiste vollständigen gegenseitigen Vertrauens und Einvernehmens verlief. Gott sei Dank. Wir hätten sonst begonnen, uns Sorgen zu machen, nachdem wir die »Enten« vom Lager für syrische Flüchtlinge und zur Freilassung des Bürgerrechtlers Askarow gelesen hatten, der des Mordes bezichtigt ist. Kurz und gut, Auf Wiedersehen, Frau… (die letzten drei Worte auf Deutsch, Anm. des Übersetzers)

Aus dem Russischen von Henryk Alff

Abduwachap Nurbajew, Parlamentsabgeordneter: »Frau Merkel kommt zu uns, um Ihre Unterstützung für die demokratische Entwicklung unseres Landes auszudrücken«

Fokus.kg, 14.7.2016

<http://focus.kg/2016/07/14/abduvahap-nurbaev-zhk-deputaty-demokratiyalyk-zhol-menen-n-g-p-baratkan-kyr gyzstandy-angela-merkel-koldoo-ch-n-kelip-zhatat/>

- Heute beginnt der offizielle Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kirgistan. Welche Bedeutung hat dieser Besuch für Kirgistan?

- Meiner Meinung nach kommt Frau Merkel nach Kirgistan, um damit ihre Unterstützung für die demokratische Entwicklung des Landes auszudrücken. Deutschland ist einer der mächtigsten Staaten der Welt. Seine Rolle in der EU ist enorm. Außerdem gehört Frau Merkel zu den einflussreichsten Führern der Welt. Deshalb ist dieser hochrangige Besuch für Kirgistan sehr bedeutend.

[…]

- Manche Experten sagen, dass Merkels Besuch für Kirgistan ein historisches Ereignis darstellt. Stimmen Sie dem zu?

- Natürlich ist das ein historischer Besuch. Wir haben Wahlen unter Anwendung der biometrischen Daten abgehalten und den Weg zur Demokratie eingeschlagen. Politiker wie Frau Merkel unterstützen diese Entwicklung und wollen uns helfen. Wir müssen diese Anerkennung nutzen.«

Aus dem Kirgisischen von Mahabat Sadyrbek

Der Besuch von Frau Merkel ist Vergangenheit

Azattyk Ünalgysy, 14.7.2016

<http://www.azattyk.org/a/kyrgyzstan_germany_angela-merkel_atambaev/27856717.html>

[…]

Bundeskanzlerin Merkel traf den Vorsitzenden des Parlaments Tschynybaj Tursunbekow und einige Fraktionsvorsitzende, um mit ihnen über die Zukunft der parlamentarischen Demokratie zu sprechen. Sie tauschte sich auch mit den Religionsführern aus. In einem Gespräch mit Mufti Maksat aschy Toktomuschow und Episkop Danil hat sie über Möglichkeiten einer Vorbeugung vor der sich im Land ausbreitenden Radikalisierung gesprochen.

Nach Einschätzung der politischen Beobachterin Erkaiym Mambetalijewa ist es wichtig, dass Frau Merkel in einer Zeit, in der der Terrorismus eine der größten Bedrohungen für Europa darstellt, die Bedeutung der religiösen Sicherheit in Zentralasien, darunter auch Kirgistan, als wichtiges Thema erkennt. »Wie Regierung, Muftiat und zivilgesellschaftliche Institutionen im Bereich der Religion arbeiten, ist für sie (die Europäer, Anm. der Übers.) nicht uninteressant. Weil in den vergangenen Tagen die Terrorismusgefahr aktuell und beunruhigend ist. Damit ist auch die Flüchtlingsproblematik eng verbunden. Deshalb zwingt die religiöse Situation in Zentralasien, darunter in Kirgistan, die deutsche Kanzlerin zum Nachdenken.«

Während viele Beobachter den Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, einer der bedeutendsten Führer der Welt, in Kirgistan als großen Pluspunkt bewerten, finden einige andere das Treffen nutzlos. Der ehemalige Abgeordnete Rawschan Dscheenbekow meint, dass Kirgistan, auch wenn es das einzige demokratische Land in der Region ist, wegen seiner russlandfreundlichen Außenpolitik konkrete Hilfe weder von Deutschland noch von der Europäischen Union bekommen wird. »Hätten wir eine Regierung, die demokratische Werte hochhält und konkrete Reformvorschläge vorlegt, hätte Deutschland Kirgistan in großem Maßstab geholfen, so wie sie zum Beispiel der Ukraine, Moldowa und Georgien seit Jahren fortlaufend viel Unterstützung gewähren. Da unsere Regierung sich an dem russischen autoritären Regime orientiert und sich ihm zuneigt, haben sowohl Deutschland als auch die Europäische Union kein Interesse, hier großartig zu helfen.«

[…]

Aus dem Kirgisischen von Mahabat Sadyrbek

Angela Merkel und Kirgistan

Fabula, 18.7.2016

<http://www.gezitter.org/politic/51914_angela_merkel_i_kyirgyizstan/>

Von Tyntschtyk Altymyschew

[…]

Wie anfangs gesagt, bis jetzt sind aus Deutschland mehr als 261 Mio. US-Dollar überwiesen worden, doch es ist schwierig zu sagen, ob sie sich ausgezahlt haben und der Kirgise die Früchte dieser Hilfe voll und ganz genossen hat. So ist es doch bei uns üblich, aus dem Ausland eingehende Gelder wie ohne Adresse zu behandeln, nebenbei gierig die Hände aufzuhalten und zu stehlen. Und das Schlimmste, so etwas wie Verantwortung und Rechenschaft über die zweckmäßige Ausgabe und Rückgabe von Mitteln gibt es nicht. Als Folge daraus beschränkt sich die Zusammenarbeit zweier Staaten üblicherweise auf »Wir bitten um Geld, sie geben«, und der bilaterale nachhaltige Warenaustausch, Handelsbeziehungen werden nicht vervollkommnet.

[…]

Kurz gesagt, der Besuch Angela Merkels in Kirgistan ist ein positives Ereignis. Wir haben dies alle während des Arbeitsbesuches gesehen. Während des Treffens hat sie sich mit der Frage des religiösen Extremismus befasst und mitgeteilt, dass sie in dieser Hinsicht der kirgisischen Führung mit Hilfe hinsichtlich spezieller Ausbildungseinrichtungen für Imame, zur Sicherstellung ihrer Religionskundigkeit zur Seite stehen will. Zudem hat sie das Thema der Menschenrechte anklingen lassen. Im Vorschlag der UN steht kein Wort zur Freilassung von Asimschan Askarow, er drückt lediglich den aufrichtigen Wunsch aus, dass Offenheit und Transparenz als demokratisches Prinzip geschützt und die Rechte des eines Verbrechens Bezichtigen gewahrt bleiben. Darüber hinaus wurde bekannt, dass sie entgegen vorheriger Prognosen mehrerer provokanter Quellen nicht die Absicht hatte, Gespräche über die Ansiedlung von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten zu führen. Es war spürbar, dass sie lediglich gekommen war, um Kirgistan, das als »Inselchen der Demokratie« in Zentralasien bekannt ist, mit eigenen Augen zu sehen und, falls nötig, sich darum zu bemühen, über Kirgistan die geopolitischen Beziehungen mit den Staaten der SCO zu stärken.

Aus dem Russischen von Henryk Alff

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Analyse

Geopolitische Phantasien und wirtschaftliche Realitäten – Einige Überlegungen zum Pipeline-Projekt »Nabucco«

Von Roland Götz
Die Nabucco-Pipeline soll dem europäischen Absatzmarkt neue Gaslieferanten außerhalb Russlands zugänglich machen und einen Gastransportweg eröffnen, der nicht über russisches Territorium verläuft. Mit ihr sind unterschiedliche Erwartungen kommerzieller und politischer Akteure verbunden, die allerdings nicht alle realistisch sind. Als Lieferanten für Nabucco kommen vor allem Aserbaidschan und Turkmenistan in Frage, auf absehbare Zeit jedoch nicht der Iran und andere nahöstliche Staaten. Für die Gasversorgung Europas wird Nabucco zwar nur eine untergeordnete Rolle spielen, aber die Verhandlungsmacht einzelner Staaten des Kaspischen Raums gegenüber Russlands Gazprom stärken. Ob und wann die Nabucco-Pipeline tatsächlich gebaut wird, hängt wesentlich von der Entwicklung des europäischen Gasbedarfs ab. (…)
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Analyse

Die zentralasiatischen Republiken und die Schanghai Organisation für Zusammenarbeit (SCO)

Von Stephen Aris
Gewöhnlich wird die SCO als eine russisch-chinesische Organisation betrachtet. Doch spielen auch die zentralasiatischen Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle in diesem Bündnis. Der vorliegende Beitrag analysiert sowohl ihre Interessen an und in der SCO als auch ihre Vorbehalte und Bedenken. Im Ergebnis sieht er ein Überwiegen der für die zentralasiatischen Führungen positiven Aspekte und eine wachsende Bedeutung des Bündnisses im Falle eines amerikanischen Rückzuges aus Afghanistan.
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