Auf dem Weg in die Zukunft? – Agrarwirtschaft in Kasachstan

Von Vera Belaya (Pfalzgrafenweiler)

Zusammenfassung
Kasachstan ist ein bedeutender globaler Agrarproduzent und die Landwirtschaft hat für das Land große ökonomische Bedeutung. Die Entwicklung der beiden wichtigsten Säulen des Agrarsektors – Getreideproduktion und Viehwirtschaft – ist derzeit als positiv anzusehen. Die Produktion von Getreide und Fleisch ist durch stetiges Wachstum gekennzeichnet und die weiteren Prognosen sind positiv. Getreide zählt bereits zu den wichtigsten Exportgütern des Landes. In der Fleischwirtschaft wird an der Verringerung der Importabhängigkeit und der Steigerung der Exporte intensiv gearbeitet. Zu den aktuellen akuten Problemen der Landwirtschaft gehören zum einen der dringende Modernisierungsbedarf des extrem veralteten landtechnischen Fuhrparks; zum anderen steht bereits seit mehreren Jahren das Thema der gesetzlichen Regulierung des Bodenmarkts im Fokus der öffentlichen Diskussionen und verlangt nach einer Lösung seitens des Staates. In den letzten Jahren ist eine aktive Arbeit der Regierung im agrarpolitischen Bereich zu beobachten, die Strategie der Steigerung der Agrarproduktion und der Erhöhung der Lebensmittelversorgung des Landes wird vorangetrieben.

Kasachstan ist einer der Schlüsselakteure auf den Weltagrarmärkten. Das Land hat die leistungsfähigste Volkswirtschaft und das liberalste Wirtschaftsumfeld der zentralasiatischen Republiken und zeichnet sich durch eine stabile politische Lage und große Offenheit gegenüber ausländischen Investoren aus. Kasachstan strebt seit einigen Jahren eine Modernisierung seiner Wirtschaft und die Steigerung ihrer Produktivität an. Die Entwicklung des agroindustriellen Sektors hat dabei hohe Priorität. Kasachstan verfügt über enorme Landflächen und Agrarressourcen und ist traditionell stark agrarisch geprägt.

Perspektiven des Getreidesektors

Getreideproduktion (insbesondere Weizen, Gerste und Mais) bildet die Grundlage des Agrarsektors Kasachstans. Getreide zählt außerdem zu den wichtigsten Exportgütern des Landes. Der Getreideexport ist somit eine wichtige Einnahmequelle für die landwirtschaftlichen Produzenten.

Das Landwirtschaftsministerium Kasachstans schätzt die Getreideernte im Wirtschaftsjahr 2015/16 auf 18,67 Mio. t, davon 13,7 Mio. t Weizen. Für 2016/17 wird mit einer Zunahme auf 23 Mio. t gerechnet. Allerdings sind die Ernteergebnisse von Jahr zu Jahr stark schwankend, denn die landwirtschaftliche Produktion unterliegt besonderen klimatischen Risiken. Fast die gesamte Agrarfläche des Landes befindet sich in der »Zone der risikoreichen Landwirtschaft«, die vor allem durch starke Trockenheit im Sommer betroffen sein kann. Es bleibt eine große Herausforderung, mit diesen Risiken umzugehen, um die Getreideexporte einigermaßen stabil zu halten.

Das Getreideexportvolumen im Wirtschaftsjahr 2015/16 wird auf 7,6 Mio. t (davon 6,8 Mio. t Weizen) beziffert, was einer Zunahme von 19 % im Vergleich zum Vorjahr bei Getreide und von 15 % bei Weizen entspricht. Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums dürften im Wirtschaftsjahr 2016/17 sogar 9,2 Mio. t Getreide (davon 8,5 Mio. t Weizen) ausgeführt werden. Der Löwenanteil der Exporte (77,5 %) geht in die zentralasiatischen Nachbarstaaten Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan, 6 % nach Iran; jeweils 4 % nach China und Afghanistan; 3,5 % in die EU und 5 % in andere Länder.

Zu den vielversprechenden zukünftigen Abnehmerstaaten für kasachstanisches Getreide gehören vor allem China, Iran, die Länder Südostasiens und die Golfstaaten. Die Aussichten für ein Wachstum der Exporte hängen dabei erheblich von der Weiterentwicklung der Exportinfrastruktur, der Errichtung von Getreideterminals, der Inbetriebnahme neuer Eisenbahnwege und neuer Transportkorridore ab. Iran stellt außerdem einen wichtigen Transportkorridor auf dem Weg zu den Häfen am Persischen Golf und am Indischen Ozean dar. Es wird erwartet, dass sich die Getreideexporte in diese Richtung nach Fertigstellung der internationalen Eisenbahnlinie von Usen (Kasachstan) nach Gorgan (Iran) verdoppeln. Iran ist außerdem der größte Abnehmer für kasachstanische Gerste. Auch in den Ländern der EU und des Nahen Ostens besteht nach wie vor eine hohe Nachfrage nach Weizen aus Kasachstan. Allerdings stellt sich hier das Problem, dass bei Beförderung des Getreides durch den Hafen Aktau Mehrwertsteuer auf den Exporteisenbahntarif erhoben wird, was zur Verteuerung jeder Tonne Getreide um mindestens 10 US-Dollar führt. Folge ist, dass kasachstanische Getreideexporte immer seltener den Weg über das Kaspische Meer nehmen und der Transportkorridor Aktau–Baku kaum ausgelastet ist. Vor allem aber sinkt die Konkurrenzfähigkeit des einheimischen Getreides. Gegenwärtig werden die Möglichkeiten für den Bau von Getreideterminals an der Grenze zu China sowie der Errichtung der Terminalinfrastruktur im chinesischen Hafen von Lianyungang untersucht. Die nationale Holdinggesellschaft »KazAgro« plant den Bau von Getreideterminals an der Grenze zu China und in der Ukraine am Schwarzen Meer. Die Lagerkapazität des chinesischen Terminals soll 500.000 t betragen, die des Terminals am Schwarzen Meer 1 Mio. t. Außer den hohen Logistikkosten, die den Export von Getreide in die weiter entfernten Länder beschränken, spielen auch die Preisschwankungen auf dem Weltmarkt sowie die Konkurrenz der größten Getreideexporteure Russland und Ukraine, die im kommenden Jahr ebenfalls eine Rekordernte erwarten, eine Rolle für die Wirtschaftlichkeit des Getreideexports.

Die Regierung Kasachstans hat sich entschlossen, eine neue Politik für mehr Diversifizierung des landwirtschaftlichen Anbaus zu verfolgen. In diesem Zusammenhang wurden Anfang September 2016 neue Maßnahmen der staatlichen Unterstützung im Bereich der Anbaukulturen angekündigt. 2017 soll die Anbaufläche für Weizen durch Abschaffung von Subventionen um 2 Mio. ha reduziert und durch die so frei gewordenen Mittel und Flächen der Anbau von Ölsaaten und Futterpflanzen gefördert werden. Darüber hinaus sollen jährlich 2,5 Mio. t Getreide, das wegen seines niedrigen Glutengehalts nicht zum Verzehr geeignet ist, nach China exportiert werden, wo daraus grünes Nylon erzeugt wird.

Eine andere wichtige Branche im Bereich der Getreideerzeugung ist die Mühlenindustrie. Nach Angaben des Vorsitzenden der Union der Mühlen und Bäckereien, Jewgenij Gan, hat sich der Export von Mehl aufgrund einer gestiegenen Nachfrage aus dem Ausland seit 2015 erhöht. Hauptabnehmer sind Afghanistan und Usbekistan (90 % der Gesamtexporte). Bisher ging es den kasachstanischen Verarbeitungsunternehmen gut, hauptsächlich weil Afghanistans Importe aus Kasachstan sich in den letzten drei Jahren fast verdoppelt haben. Jedoch gibt es auf dem afghanischen Markt einen großen Konkurrenten: Pakistan. Sein Marktanteil beträgt momentan 60 %, der Anteil Kasachstans nur 40 %. Und Pakistan beabsichtigt, seinen Anteil noch zu vergrößern, sobald die aktuellen Probleme auf dem eigenen Binnenmarkt gelöst sind. Es besteht also die Gefahr, dass die kasachstanische Mühlenindustrie einen ihrer wichtigsten Kunden verliert. Der Handel mit dem zweitwichtigsten Abnehmer des Mehls, Usbekistan, ist ebenfalls problematisch. Denn dieses Land erhebt Einfuhrzölle auf Mehl. Nach Einschätzung von Jewgenij Gan könnte diese Problematik zum Konkurs von mindestens 50 Unternehmen in Kasachstan führen. Um dies zu verhindern, müssten Maßnahmen zur Unterstützung der Mühlen ergriffen werden, zum Beispiel in Form von Preisreduzierungen, damit Kasachstan auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig und attraktiv für internationale Abnehmer bleibt.

Positive Entwicklungen der Fleischwirtschaft

Die Fleischwirtschaft Kasachstans ist durch stetiges Wachstum der Viehbestände und der Produktion gekennzeichnet. Nach Angaben des staatlichen Komitees für Statistik ist die Zahl der Rinder in den letzten fünf Jahren um das 2,6fache gestiegen, die Zahl der Schafe um das Dreifache, die der Pferde um das 2,4fache. Die Tierbestände sind auch in der ersten Jahreshälfte 2016, mit Ausnahme von Ziegen und Geflügel, gewachsen. Die Produktion von Fleisch aller Art stieg 2015 um 3,4 % (im Vergleich zu 2014) auf 930.300 t und in der ersten Jahreshälfte 2016 ebenfalls um 3,4 % (im Vergleich zu 1. Jahreshälfte 2015) auf 428.204 t an. Die Fleischexporte beliefen sich auf 16.100 t (7.300 t Geflügelfleisch, 6.500 t Rindfleisch, 2.300 t Schweinefleisch). Jedoch übersteigen die Fleischimporte die -exporte um mindestens das Zehnfache. Eingeführt wird das tiefgekühlte, für die Weiterverarbeitung bestimmte Fleisch hauptsächlich aus den USA, der Ukraine, Kanada, Paraguay und der EU. Einheimische Produzenten können bislang oft nur Fleisch uneinheitlicher Qualität und in nicht ausreichender Menge liefern. Das soll sich aber bald ändern. Zumindest wird auf der agrarpolitischen Ebene in diese Richtung gearbeitet. Schon 2011 hat die Regierung das Programm »Entwicklung des Exportpotentials bei Rindfleisch« initiiert, im Rahmen dessen die Exporte von Rindfleisch bis 2020 auf 180.000 t gesteigert werden sollen.

Südkasachstan war das erste Gebiet Kasachstans, das Fleisch in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) exportiert hat. Nach Angaben des Informationsdienstes »Kazakh-Zerno« (Kasachisches Getreide) handelt es sich dabei um einen Vertrag über 60.000 Schafe und Ziegen, die bis August 2016 geliefert wurden. Laut dem Vorsitzenden der Fleischunion Kasachstans, Maksut Baktibajew, ist außerdem geplant, 2017 50.000 t Rindfleisch in die VAE auszuführen. 2017 soll auch mit Fleischexporten nach China begonnen werden. Eine entsprechende Vereinbarung wurde bereits auf der Ministerebene unterzeichnet. Zurzeit werden Maßnahmen zur Anpassung der Veterinärzertifikate und des technischen Audits der kasachstanischen Unternehmen ergriffen. Ähnliche Verhandlungen finden auch mit Saudi-Arabien, Iran und Irak statt. Laut Expertenmeinungen wird Kasachstan in Zukunft eine führende Position auf den internationalen Fleischexportmärkten einnehmen. Die Exporttätigkeit der Branche soll weitere Impulse für die Entwicklung der Viehwirtschaft Kasachstans geben.

Modernisierung der Landtechnik

Der Großteil des landtechnischen Fuhrparks in Kasachstan ist extrem veraltet und bedarf dringend einer Modernisierung. Nach Angaben des Chefs der Abteilung für Mechanisierung der Landwirtschaft im zuständigen Ministerium in Astana, Dugan Abenow, ist die empfohlene Nutzungsdauer bei 80 % der bestehenden landwirtschaftlichen Maschinen in Kasachstan bereits abgelaufen. 70 % der Mähdrescher und Traktoren sind bereits zwischen 13 und 18 Jahren in Gebrauch, obwohl die empfohlene Nutzungsdauer acht bis zehn Jahre beträgt. Der Löwenanteil der Technik (mehr als 75 %) entfällt auf alte Mähdrescher der Marke »Jenissej« und »Niva« aus der Ära der Sowjetunion. Nach Einschätzung von Dugan Abenow wurde seit dem Jahr 2000 nur etwa 20 % der Landtechnik erneuert. Die Erneuerung des Landmaschinenfuhrparks konzentriert sich vor allem auf den Getreideanbau. Die Jahresrate der Erneuerung beträgt dabei allerdings nur 0,8–1 % für Traktoren und 3–3,5 % bei Mähdreschern.

Im ersten Halbjahr 2016 wurden in Kasachstan 715 Traktoren, 96 Feldhäcksler und 41 Mähdrescher produziert, das ist eine Zunahme von 7,2 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres bei Traktoren, aber ein Rückgang von 24 % bzw. sogar 85 % bei Feldhäckslern und Mähdreschern. Die inländische Produktion von Landmaschinen deckt nur 1 % des Bedarfs ab, der Rest der Landtechnik muss importiert werden. Im genannten Zeitraum importierte Kasachstan 1.209 Traktoren im Wert von 22,3 Mio. Euro, fast 90 % davon stammen aus Weißrussland. Darüber hinaus wurde weitere Technik für die Land, Forst- und Gartenbauwirtschaft aus aller Welt im Gesamtwert von 73 Mio. Euro eingeführt, was einem Rückgang von 40 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Russland war dabei mit 32,7 Mio. Euro der wichtigste Exporteur von Landtechnik nach Kasachstan, gefolgt von Deutschland 11,8 Mio. Euro und den USA 6,4 Mio. Euro.

Um die Modernisierung der Landtechnik voranzutreiben und den Erwerb von Landmaschinen zu fördern, wurden 2016 6,9 Mrd. Tenge (20,6 Mio. US-Dollar) aus dem staatlichen Budget bereitgestellt. Zahlreiche ausländische Landtechnik-Unternehmen wie Claas, Lemken, Amazone oder John Deere haben bereits erfolgreiche Vertriebssysteme in Kasachstan aufgebaut. Als wichtig für alle Anbieter von Landtechnik hat sich die gleichzeitige Einrichtung von Service-Netzwerken erwiesen. Darüber hinaus werden den kasachstanischen Kunden Schulungen und Fortbildungen angeboten. Experten von KazAgroFinanz schätzen das Verhältnis von russischer zu westlicher Technik auf dem kasachstanischen Markt zurzeit auf 50:50 und rechnen mit einer Erhöhung des westlichen Marktanteils auf mittelfristig 70 %.

Problematik des Bodenmarkts

Das Problem der gesetzlichen Regelung der Besitzverhältnisse an Grund und Boden hat sich in Kasachstan in den letzten Jahren zu einem der dringendsten und umstrittensten Themen entwickelt. Boden ist ein wichtiger Produktionsfaktor und wichtig für die Entwicklung des Unternehmertums. Die bisherigen Unzulänglichkeiten des Bodenmarktes verhindern eine effiziente Nutzung der Agrarflächen und stellen somit ein Hemmnis für die Entwicklung der Landwirtschaft im Ganzen dar. Nach einer Welle von Protesten gegen Veränderungen des Landgesetzes im April 2016 erließ Präsident Nursultan Nasarbajew Anfang Mai ein Moratorium für Änderungen der Landgesetzgebung zunächst bis Ende Dezember 2016. Diese Gesetzesänderungen, die am 1. Juli 2016 in Kraft treten sollten, sahen unter anderem vor, dass landwirtschaftliche Nutzflächen mittels Versteigerungen nur an kasachstanische Staatsbürger verkauft werden können und zwar zu einem ermäßigten Preis von 50 % und mit der Möglichkeit einer Ratenzahlung. Außerdem wurde die maximale Dauer für die Verpachtung von Land an Ausländer von zehn auf 25 Jahre verlängert. Mit diesen Änderungen sollten die rationelle Nutzung der Nutzflächen verbessert, die Verantwortung von Pächtern erhöht sowie die Wirtschaftsentwicklung gefördert werden.

Ein eigens eingesetztes Expertenkomitee zur Erarbeitung neuer Bodengesetzrichtlinien kam im August 2016 nach mehreren Sitzungen zu dem Ergebnis, dass das Moratorium für die Änderung des Landgesetzes bis zum 31. Dezember 2021 (also um fünf Jahre) verlängert werden sollte, um zusätzliche Zeit für die Inventarisierung und Bestandsaufnahme der vorhandenen landwirtschaftlichen Landflächen und die Schaffung einer entsprechenden Datenbank zu gewinnen. Darüber hinaus erarbeitete das Komitee zehn Vorschläge zur Überarbeitung des Landgesetzes, zum Beispiel die Beibehaltung der Maximaldauer der Pachtverträge für landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke für Bürger Kasachstans von 49 Jahren mit jährlicher Kontrolle der rationellen Nutzung der gepachteten Grundstücke seitens des Staates in regelmäßigen Abständen.

Einige Experten meinen, dass die Einführung des Privateigentums an Grund und Boden nicht zu schnell geschehen solle, sondern erst wenn finanzielle Stabilität und effektives Management der Landwirtschaft gewährleistet sind. Andererseits könnte die Eröffnung des Bodenmarktes zusätzliche Investitionen nach Kasachstan bringen und die Bekämpfung illegaler Landgeschäfte erleichtern. Dazu gehören u. a. mündliche Unterpachtverträge an Dritte, die es dem Unterpächter nicht erlauben, Subventionsanträge für die von ihm bewirtschafteten Flächen zu stellen. Eine Änderung der Gesetzeslage über die Frist von fünf Jahren hinaus ist nicht absehbar. Im staatlichen Programm über die Entwicklung des Agrobusiness im Zeitraum 2013–2020 wird auf die Problematik des Bodenmarkts nicht explizit eingegangen.

Neue Agrarflächen und Wasser

Neben der Lösung der Probleme rund um die Landgesetzgebung versucht die Regierung bereits seit 2005, ungenutzte Landflächenreserven wieder in die Bewirtschaftung aufzunehmen, um damit die landwirtschaftliche Produktion anzukurbeln und die Lebensmittelselbstversorgung zu verbessern. Im Rahmen der »Neulandkampagne« der Sowjetunion wurden zwischen 1954 und 1963 etwa 45 Mio. ha Steppengrasland in Ackerland vorwiegend für Getreideanbau umgewandelt, wovon sich etwa die Hälfte in Kasachstan befand. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden im Zeitraum von 1991 bis 2000 viele landwirtschaftlich nutzbare Landflächen aufgegeben bzw. stillgelegt. Schätzungen gehen von 19 Mio. ha Ackerland und 100 Mio. ha Weideland aus.

Laut den offiziellen Statistiken stehen heute etwa 215,3 Mio. ha für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung, davon werden momentan ca. 80 Mio. ha als Weideland, 25 Mio. ha als Ackerland und ca. 5 Mio. ha für die Heuproduktion genutzt. Zusätzlich verfügt das Land über ca. 100 Mio. ha Weidereserven, die nicht bewirtschaftet werden. Anfang Oktober 2016 hat das Parlament das Gesetz »Über Weideland«, das die Wiederbewirtschaftung dieser Flächen vorsieht, in erster Lesung angenommen. Laut der stellvertretenden Landwirtschaftsministerin Gulmira Isajewa sollen im Rahmen dieses Gesetzes bis 2020 auch 4.500 Brunnen neu angelegt werden. Dafür stellt die Regierung den Landwirten insgesamt 28 Mrd. Tenge (83,7 Mio. US-Dollar) in Form von Subventionen zur Verfügung.

Präsident Nasarbajew beauftragte die Regierung im Juli dieses Jahres, Maßnahmen zur Wiederherstellung verfallener Bewässerungssysteme zu veranlassen und so in den nächsten fünf Jahren auch 600.000 ha derzeit nicht genutztes bewässerbares Land wieder in die Bewirtschaftung aufzunehmen. Er betonte, dass die Landflächen Kasachstans es erlauben, qualitativ hochwertige und ökologisch saubere Agrarerzeugnisse zu produzieren. Das einzige Hindernis sei der Mangel an Wasser. Es sei notwendig, die Bewässerungssysteme wiederherzustellen, um weitere Landflächen in die Bewirtschaftung aufnehmen.

Fazit

Trotz steigender Produktionszahlen und hoher Exportpotenziale im Getreidesektor sowie in der Tierhaltung ist Kasachstan im Bereich der Grundnahrungsmittel immer noch stark importabhängig. Beispielsweise beträgt sein Importabhängigkeitsgrad bei Milchpulver 93 %, bei Mineralwasser 91 %, Tomatenmark 73 %, Tee und Kaffee 62 %, Käse 55 % und Butter 36 % (laut einer Studie der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kasachstan, Juli 2016). Die technische Ausrüstung der landwirtschaftlichen und verarbeitenden Betriebe muss dringend modernisiert werden. Der Agrarwirtschaft Kasachstans wird jedoch ein sehr starkes Entwicklungspotential zugeschrieben. Für die Zukunft wurden von der Regierung folgende strategische Prioritäten für die Entwicklung der Agrarwirtschaft definiert: Steigerung der konkurrenzfähigen Produktion, Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Agrarproduktion auf dem Weltmarkt, Reduzierung der Importabhängigkeit bei Grundnahrungsmitteln, rationelle Nutzung von Ressourcen auf wissenschaftlicher Basis, Entwicklung von verarbeitender Industrie und Infrastruktur. Die Regierung hat in letzter Zeit also sehr viele sinnvolle agrarpolitische Maßnahmen unternommen, um die Agrarentwicklung Kasachstans voranzutreiben. Trotz der Risikozone, in der sich viele landwirtschaftliche Flächen Kasachstans befinden, ist die Agrarwirtschaft einer der wichtigsten Wirtschaftszweige und hat ein hohes Entwicklungspotenzial.

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