Terra incognita? – Die deutschen politischen Stiftungen in Zentralasien

Von Lena Heller, Dénes Jäger

Bereits seit mehr als zwanzig Jahren sind deutsche politische Stiftungen in Zentralasien tätig. Wie ihre Arbeit vor Ort aussieht, wird in Deutschland kaum thematisiert. Die Recherchen zu diesem Beitrag haben gezeigt, dass es auch gar nicht so einfach ist, etwas darüber zu erfahren.

Das Modell der deutschen politischen Stiftungen ist weltweit einzigartig, da sich hier sowohl zivilgesellschaftliche Merkmale, nahezu vollständige staatliche Finanzierung und Parteinähe in einer Organisationsform vereinen. Ihre Hauptaufgaben sehen die Stiftungen im Inland vor allem in der politischen Bildungsarbeit, im Ausland in der Demokratieförderung. Bei den politischen Stiftungen handelt es sich um privatrechtliche Organisationen, die mit Ausnahme der Friedrich-Naumann-Stiftung rein juristisch eingetragene Vereine sind. Sie agieren rechtlich unabhängig von den Parteien.

Finanziert werden die politischen Stiftungen zum größten Teil aus öffentlichen Geldern von Bund und Ländern. Voraussetzung hierfür ist die Unterstützung der Stiftung durch eine seit mindestens zwei Legislaturperioden im Bundestag vertretene Partei. Die Höhe der Leistungen wird entsprechend der Ergebnisse bei Landes- und Bundestagswahlen festgelegt. Gelder fließen unter anderem als sogenannte Globalmittel aus dem Bundesinnenministerium. Studienfördergelder und Stipendien werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Auswärtigen Amt bereitgestellt. Die Projektförderung, die gerade im Rahmen der Auslandsarbeit eine große Rolle spielt, erfolgt durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Alle Ausgaben unterliegen mehrfachen Kontrollen durch Instanzen wie dem Bundesrechnungshof und Wirtschaftsprüfern.

Seit Aufnahme ihrer internationalen Tätigkeit im Jahr 1962 haben die deutschen politischen Stiftungen Auslandsbüros in mehr als 100 Ländern aufgebaut. In einer »Gemeinsamen Erklärung zur Finanzierung der politischen Stiftungen« von 1999, der sich später auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung anschloss, werden die Ziele ihrer entwicklungspolitischen Arbeit folgendermaßen präzisiert: »(…) mit Programmen und Projekten entwicklungspolitische Hilfe zu leisten und zum Aufbau demokratischer, freiheitlicher und rechtsstaatlicher Strukturen, die den Menschen- und Bürgerrechten verpflichtet sind, beizutragen.« Im Ausland können die Stiftungen ihre Projekte weitestgehend unabhängig von aktuellen Aufgaben und Zielen deutscher Diplomatie durchführen.

Von den derzeit sechs deutschen politischen Stiftungen, der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), der Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Grüne), der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP), der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Die Linke) und der Hanns-Seidl-Stiftung (CSU), sind lediglich drei (KAS, FES, HSS) mit einer oder mehreren Dependancen in den zentralasiatischen Republiken vertreten, die meist aus einer entsandten Person und fünf bis sechs Ortskräften bestehen. Die Projekte der FNSt und RLS werden von den jeweiligen Regionalbüros in Moskau betreut; die Heinrich-Böll-Stiftung ist aktuell in der Region nicht aktiv.

In ihrer Arbeit in Zentralasien setzen die Stiftungen inhaltliche Schwerpunkte, die an die Ziele der ihnen jeweils nahestehenden politischen Partei erinnern. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt beispielsweise die Arbeit gegen soziale Ungerechtigkeit in den Mittelpunkt und setzt sich für mehr Zugang zum öffentlichen Raum für Menschen mit Behinderung ein; Projekte sollen dabei ausdrücklich auf Augenhöhe in einem dialogischen Prozess zwischen Stiftung und Partnerorganisation entstehen. Für die Konrad-Adenauer-Stiftung liegen die Schwerpunkte bei der Förderung von sozialer Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und außen- und sicherheitspolitischem Dialog. Dieses Engagement spiegelt sich in Fachkonferenzen zur Wirtschaftspolitik oder Publikationen zu aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen wider. Bei der Hans-Seidl-Stiftung steht die Stärkung der Integrität der lokalen Selbstverwaltung im Fokus. In einem aktuellen Projekt in Kirgistan soll dies durch Schulungen der Zivilgesellschaft, Medien und Kommunalverwaltung erreicht werden.

Auch die Wahl der Partnerorganisationen vor Ort lässt eine Verbindung zu den Zielen der hinter den Stiftungen stehenden Parteien erkennen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung kooperiert beispielsweise in Kirgistan mit dem »Central Asia Free Market Center«, das Themen wie Transparenz, Bürgerrechte, Rechtsstaat, Marktwirtschaft und Freihandel in den Mittelpunkt stellt. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hingegen arbeitet im selben Land mit der NGO ShTAB (School of Theory and Actitivism Bishkek) zusammen, die sich mit dem sozialistischen Erbe auseinandersetzt und in Workshops und Veröffentlichungen aktuelle Probleme der kirgisischen Gesellschaft aus einer linken Perspektive kritisch bearbeitet.

Als eines der größten Hindernisse für erfolgreiche Stiftungsarbeit wurde in einem Interview mit Stiftungsmitarbeitern der von Moskau aus tätigen Rosa-Luxemburg-Stiftung die geographische Ferne zum Förderort angegeben. Der Kontakt zu Partnerorganisationen und die Koordination von administrativen Prozessen würden darunter leiden. Eine Filiale vor Ort würde zudem den Zugriff auf weitere Finanzierungstöpfe für umfangreichere Projekte ermöglichen. Die Schließung des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tadschikistan in diesem Jahr lässt andererseits vermuten, dass auch die Arbeit vor Ort für eine politische Stiftung nicht unproblematisch ist.

Die Recherche für diesen Beitrag hat gezeigt, dass es nicht einfach ist, an Informationen über die Arbeit der politischen Stiftungen in Zentralasien zu kommen. Oftmals bieten die Websites der einzelnen Büros, so vorhanden, nur wenig Details über aktuelle Projekte und Partner in der Region. Die Seiten der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung sind zudem ausschließlich auf Russisch verfügbar. Auch die Kontaktaufnahme über E-Mail erwies sich als schwierig: In einigen Fällen gab es entweder gar keine Antwort oder das Anliegen ging wegen unklarer Zuständigkeiten zwischen Zentrale und lokalem Büro unter. Die jährlich erscheinenden Berichte der Gesamtstiftungen befassen sich eher essayistisch mit Themenschwerpunkten und geben wenig bis gar keine Auskunft über die konkrete Arbeit vor Ort.

Aus den Rechenschaftsberichten ist weiterhin nicht zu entnehmen, wie hoch das Budget der einzelnen Auslandsbüros ist. In der verpflichtenden Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist aber für das Vergleichsjahr 2015 bei allen Stiftungen Projektarbeit im Ausland bzw. Ausgaben für internationale Zusammenarbeit als größter Posten ausgewiesen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung gibt zudem den Raum Asien als größten Mittelempfänger an, während bei der Heinrich-Böll-Stiftung die meisten Mittel nach Europa fließen.

In der oben erwähnten gemeinsamen Erklärung der Stiftungen wird unterstrichen, dass »(…) ihr vorrangiges Anliegen [ist], die Öffentlichkeit regelmäßig und umfassend über ihre Arbeit zu informieren und die Verwendung ihrer Mittel transparent zu machen.« Die Erfahrung im Rahmen der Recherche für diesen Artikel zeigen jedoch, dass zumindest für den Raum Zentralasien in diesem Bereich erheblicher Nachholbedarf besteht. Eine unabhängige Untersuchung über Nutzen und Erfolge der Arbeit der deutschen politischen Stiftungen vor Ort scheint dringend notwendig.

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