Pragmatische Interessenverbände oder bloß Mittel zur Macht? Parlamentarische Zusammenschlüsse im interrevolutionären Kirgistan aus koalitionstheoretischer Perspektive (2010–2020)

Von Lucas Neuling (Universität Rostock)

Zusammenfassung
Durch ein Verfassungsreferendum im Jahr 2010 wurde die Koalition in Artikel 70(3) als Instrument des kirgisischen Parlamentes (Dschogorku Kenesch) zur Mehrheitsfindung kodifiziert. Bei keiner absoluten Mehrheit für eine Partei bestand seitdem der Zwang zur Koalitionsbildung, was die Fraktionen als zentrale Akteure parlamentarischer Prozesse etablierte. Der Beitrag analysiert für den Zeitraum zwischen 2010 und 2020 interne Strukturen kirgisischer Koalitionen und ihre Auswirkungen auf die Stabilität des jungen Parlamentarismus, dem mit der Machtergreifung Sadyr Dschaparows und der Rückkehr zu einem präsidialen Regierungssystem 2021 ein Ende gesetzt wurde.

Einleitung: Politische Koalitionen als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung

Der im Folgenden verwendete Koalitionsbegriff bezieht sich auf ein Verständnis von Koalitionen als zeitlich begrenzte Kooperation von sonst konkurrierenden Parteien mit dem Primärziel der gemeinsamen Regierungsbildung. Eine Vielzahl von Koalitionstheorien sieht im Erhalt von politischen Ämtern wie Ministerposten den Hauptgrund für Parteien, sich an einer Regierungskoalition zu beteiligen. Das Interesse an einer Maximierung des politischen Einflusses durch Regierungsbeteiligung gilt allgemein als hinreichende Voraussetzung für die Bildung einer Regierungskoalition. Im Fall Kirgistans mussten sich die involvierten Parteien auf die Teilnahme an einer minimalen Gewinnkoalition einigen, die sich durch die kleinstmögliche parlamentarische Sitzmehrheit (für Kirgistan im untersuchten Zeitraum 61 von 120) oder durch die mindestnotwendige Anzahl beteiligter Parteien auszeichnet. Eine hinlängliche Voraussetzung bestand für den Fall, dass sich Parteien auf eine übergroße Koalition einigen können, deren inhärente Größe durch mehr beteiligte Parteien und Parlamentssitze, als zur Mehrheitsbildung nötig sind, eine stabile Mehrheitsbasis garantiert. Im Fall Kirgistans entfällt die theoretische Betrachtung von Minderheitsregierungen, da die Verfassung für den untersuchten Zeitraum zwingend eine parlamentarische Mehrheit vorschrieb. Zieht man zum minimalen Gewinnkriterium zusätzlich sachliche Politikinhalte und die ideologische Positionierung der Parteien hinzu, postulieren manche Theoreme eine geringe Differenz im ideologischen Spektrum als entscheidenden Faktor für die erfolgreiche Bildung einer Regierungskoalition. Parteizentrierten Analyseschemen zufolge üben die mandatsstärkste Partei, die sich durch mehrere Koalitionsoptionen auszeichnet, sowie die ideologische Medianpartei aufgrund ihrer Zentrumsstellung erheblichen Einfluss auf die Regierungsbildung aus. Im Folgenden werden daher auch vom minimalen Gewinnkriterium unabhängige Gründe für die Bildung von Koalitionen in Kirgistan analysiert.

Herausfordernde Koalitionsbildung in einem jungen parlamentarischen System (2010–2015)

Vor der Parlamentswahl vom 10. Oktober 2010 war im Wahlkampf der Parteien die regionale Komponente entscheidend. Die Wählerbasis der Sozialdemokratischen Partei (SDPK) und der sozialistischen Ata Meken war klar im Norden des Landes zu verorten, während die nationalkonservative Ata-Schurt als eine Partei des Südens auftrat. Die neoliberale Respublika sowie die pro-russische Ar-Namys konnten in beiden Landesteilen auf eine Anhängerschaft bauen. Der zentrale Streitpunkt im politischen Diskurs war jedoch die Systemfrage, die zwischen Befürworter:innen parlamentarischer Reformen (SDPK, Ata Meken, Respublika) und den konservativen Parteien, welche den Präsidentialismus befürworteten (Ata-Schurt, Ar-Namys), ausgehandelt wurde. Für viele überraschend gewann schließlich Ata-Schurt die meisten Mandate im Dschogorku Kenesch. Die Parteien der Übergangsregierung nach der Revolution von 2010 – SDPK und Ata Meken – verpassten den angestrebten gemeinsamen Sieg deutlich.

Nach der Wahl versuchten zunächst die Parteien des Reformlagers eine Koalition zu bilden. Die integrierende Grundlage dieser Koalition war die gemeinsame Verpflichtung gegenüber Parlamentarismus und politischen Reformbemühungen. Trotz Einigung der drei Parteien scheiterte die Regierungsbildung schließlich an der Ablehnung des Ata-Meken-Kandidaten Omurbek Tekebajew, das Amt des Parlamentspräsidenten zu übernehmen. Das verbindende Element der drei Parteien – die Unterstützung für politische Reformen – wirkte nicht ausreichend stabilisierend auf die Bildung der angestrebten, ideologisch kompakten Koalition.

Nach der gescheiterten Regierungsbildung formierte sich ein neues, blockübergreifendes Bündnis aus SDPK, Respublika und Ata-Schurt. Diese Dreierkonstellation erfüllte die Voraussetzung für die Bildung einer minimalen Gewinnkoalition und konnte sich schließlich auf den SDPK-Vorsitzenden Almasbek Atambajew als Premierminister der ersten Koalitionsregierung Kirgistans einigen. Zum Parlamentspräsidenten wählte die Koalition Achmatbek Keldibekow von Ata-Schurt. Die SDPK befand sich in der Rolle des dominanten Akteurs, da sie als stärkste Kraft des »Reformblocks« auch die Fähigkeit zur Koalition mit einer konservativen Partei wie Ata-Schurt bewies und trotz geringerer Mandate den Regierungschef stellte. Die Beteiligung der ideologisch als Medianpartei positionierten Respublika erwies sich für die Bildung der Koalition als notwendig und ihre zentrale Rolle als vermittelnder Akteur innerhalb des Zusammenschlusses demnach als folgerichtig.

Die Koalitionsregierung unter Atambajew nahm gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen in Angriff und arbeitete – entgegen aller Prognosen – beinahe ein Jahr gut zusammen. Im November 2011 wurde Atambajew schließlich in international weitgehend als fair und kompetitiv bewerteten Wahlen zum neuen Präsidenten der Republik Kirgistan gewählt, der die Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa ablöste. Aus dem damaligen Wahlkampf, der erneut entlang der konfliktreichen Frage nach dem besten Regierungssystem für Kirgistan ausgetragen wurde, lassen sich zwei wichtige Erkenntnisse ableiten. Zum einen markierte die Wahl des Vorsitzenden der SDPK zum Präsidenten deren dominante Rolle im kirgisischen Parteiensystem. Zum anderen führte die der »Systemfrage« zugrundeliegende Konfliktlinie zum anschließenden Bruch der Koalition.

Vier Parteien bildeten daraufhin eine neue Koalition: Atambajews SDPK, Respublika, Ata Meken und Ar-Namys, die sich nach mehreren parteiinternen Streitigkeiten dem Reformlager anschloss. Ata-Schurt verblieb als letzte strikt konservative Partei in der parlamentarischen Opposition. Der ehemalige stellvertretende Premierminister Omurbek Banbanow (Respublika) stieg nun zum Premierminister auf. Koalitionstheoretisch lag dieser übergroßen Koalition aller Reformparteien die inhaltliche Präferenz zum Parlamentarismus zugrunde. Das gemeinsame »Policy-seeking« wirkte beispielhaft, da einer Koalition reformorientierter Parteien eine konservative Oppositionspartei gegenüberstand, die in der situativen Gesamtkonstellation nicht mehrheitsfähig war.

Doch bereits im August 2012 führten Machtmissbrauchsvorwürfe gegen Premierminister Babanow zum Ausschluss seiner Partei aus der Regierung. Neuer Premierminister einer nun ideologisch deutlich kompakteren Koalition mit der kleinstmöglichen Parteienanzahl wurde Atambajews Stabschef Dschantoro Satybaldijew (SDPK). Nach von Ata Meken erhobenen Korruptionsvorwürfen verließ Satybaldijew 2014 sein Amt wieder. Dschoomart Otorbajew (Ata Meken) gelang es im Folgenden, das Bündnis zwischen SDPK, Ata Meken und Ar-Namys zu erneuern, woraufhin er zum neuen Regierungschef gewählt wurde. Doch auch er musste im April 2015, nach nur 13 Monaten im Amt, wieder vom Posten des Premierministers zurücktreten. Die Gründe hierfür waren anhaltende regierungsinterne Konflikte und die allgemeine Unpopularität des Premierministers. Die SDPK nominierte Wirtschaftsminister Temir Sarijew, der Otorbajew schließlich als Premierminister ersetzte und dessen Kabinett die nachhaltige Unterstützung der Koalitionsfraktionen genoss. Die Überschneidung von inhaltlichen Präferenzen stellte sich erneut als genügend integrative Kraft für die Aufrechterhaltung der Koalition von SDPK, Ata Meken und Ar-Namys heraus, die sich als verbliebene Pro-Reform-Parteien in einem inhaltlich kompakten Bündnis wiederfanden. Ungefähr zeitgleich näherten sich Ata-Schurt und Respublika über ihre geteilte Rolle als Oppositionsparteien wieder an.

Wiederkehrende Koalitionsneubildung als Muster des kirgisischen Parlamentarismus (2015–2020)

Bei der Parlamentswahl am 4. Oktober 2015 überwanden sechs Parteien die doppelte Sperrhürde, welche im Vorfeld auf 7 % für die nationale und auf 0,7 % für die regionale Ebene angehoben wurde. Eindeutiger Wahlsieger war die sozialdemokratische SDPK, während ihr Hauptherausforderer, die vereinte Respublika–Ata-Schurt, im Wahlkampf nicht überzeugen konnte. Bemerkenswerterweise mussten die bisherigen Regierungsparteien Ata Meken und Ar-Namys, nicht aber die SDPK, einen deutlichen Verlust an Stimmanteilen hinnehmen. Während Ata Meken fortan die kleinste Fraktion stellte, scheiterte Ar-Namys an der Sperrhürde. Außerdem zogen drei neue Parteien mit eher monothematischen Ausrichtungen ins Parlament ein: Önögüü für Landwirtschaft, die regierungstreue »Kirgistan-Partei« für Bildung sowie die Bir Bol für Wirtschaft. Die zuvor relevante Konfliktlinie entlang der Teilung Nord-Süd rückte bei der Wahl deutlich in den Hintergrund, da die SDPK in fast allen Landesteilen dominierte, während Respublika–Ata-Schurt und die Kirgistan-Partei auch in den nördlichen Oblasten Stimmen erhielten. Darüber hinaus konnte Bir Bol einen südlichen und Önögüü einen westlichen Wahlbezirk für sich entscheiden. Nach der Wahl kündigte der SDPK-Vorsitzende Tschynybai Tursunbekow eine Koalition im eigenen ideologischen Block an. Nachdem alle parlamentarischen Fraktionen ihre Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit angekündigt hatten, formierte sich jedoch ein übergroßes Viererbündnis aus SDPK, Ata Meken, Kirgistan-Partei und Önögüü unter der Führung von Premierminister Sarijew. Innerhalb der ideologisch relativ kompakten Mitte-Links-Koalition konnte die SDPK ihre Rolle als dominanter Akteur im Parlament behaupten.

Im April 2016 trat Premierminister Sarijew nach einem Korruptionsskandal im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe für ein millionenschweres Infrastrukturprojekt von seinem Amt zurück und kam damit einem parlamentarischen Misstrauensvotum zuvor. Bereits wenige Tage später wählte das Parlament überraschend schnell und eindeutig Sooronbai Dscheenbekow (SDPK) zum neuen Premierminister. Dscheenbekow galt nun als Spitzenkandidat für die nächste Präsidentschaftswahl 2017.

Die Viererkoalition zerbrach bereits wieder im November 2016, was die endgültige Loslösung der Hauptkonfliktlinie von der Systemfrage markierte. Infolge des Konfliktes um ein von der SDPK geplantes Verfassungsreferendum kündigten Ata Meken und Önögüü der SDPK die Regierungszusammenarbeit auf. Die Reform sah eine Ausweitung der allgemeinen Regierungsbefugnisse vor und sollte vor allem dem Premierminister mehr Macht einräumen. Kritiker:innen sahen den parlamentarischen Charakter des kirgisischen Regierungssystems gefährdet. Nur wenige Tage nach dem Koalitionsbruch bildete sich ein neues Mehrheitsbündnis aus SDPK, Kirgistan-Partei und Bir Bol, welches Dscheenbekow erneut zum Premierminister wählte. Trotz einiger Erwartungen kam es nicht zur Bildung einer großen Koalition zwischen SDPK und Respublika–Ata-Schurt, welche die Reform ebenfalls unterstützte. Respublika–Ata-Schurt blieb in der Opposition, kündigte jedoch ihre Unterstützung in kritischen Abstimmungen an. In der Folge verlief sich die Chance auf eine ideologisch kohärente Regierung mit kleinstmöglicher Parteienanzahl. Da das Referendum genügend Unterstützer:innen im Parlament fand und die Kritiker:innen der Reform zunehmend in die Isolation gerieten, war für die Bildung der Koalition aus SDPK, Kirgistan-Partei und Bir Bol die geringe inhaltliche Differenz entscheidend, während das minimale Gewinnkriterium keine Rolle spielte.

Die Verfassungsreform wurde beim Referendum im Dezember 2016 schließlich von knapp 80 % der kirgisischen Bevölkerung angenommen, was die Regierung und den Premierminister als die zentralen Instanzen der Exekutive etablierte. Bei der regulären Präsidentschaftswahl im August 2017 gewann der bisherige Premierminister Dscheenbekow von der SDPK erwartungsgemäß im ersten Wahlgang. Die bestehende Mehrheitskoalition aus SDPK, Kirgistan-Partei und Bir Bol stimmte daraufhin für den vorherigen Leiter der Präsidialverwaltung, Sapar Isakow (SDPK), als neuem Premierminister, dessen Amtszeit jedoch bereits im April 2018 wieder endete. Versäumnisse u. a. bei der Vorbereitung auf die jährliche Heizperiode und der Mangel an staatlicher Kontrolle bei der Modernisierung des zentralen Heizkraftwerkes in Bischkek sorgten für Unzufriedenheit in Regierung wie Opposition und resultierten in einem erfolgreichen parlamentarischen Misstrauensvotum gegen Isakow. Der anschließende Rücktritt des Kabinetts war die erste durch ein Misstrauensvotum erzwungene Auflösung der Regierung in der Geschichte Kirgistans. Auf das Ende der Regierung Isakow folgte der Zusammenschluss der Fraktionen von SDPK, Kirgistan-Partei, Bir Bol und Respublika–Ata-Schurt zu einer neuen übergroßen Koalition. Mit den parlamentarischen Ressourcen von 95 der 120 Sitze war dieser Zusammenschluss die größte bisher gebildete Koalition des Landes. Mittels übergroßer Mehrheit entstand eine Situation der Dominierung des Parlamentes durch die Koalitionsfraktionen, nachdem die Opposition nur noch verschwindend geringen Einfluss auf Gesetzgebung und parlamentarische Debatten nehmen konnte. Die Situation erlaubte der Regierungskoalition die Umsetzung eigener Vorhaben im Schnelldurchlauf, was sie bereits am Tag ihrer Gründung demonstrierte, als sie den parteilosen Kandidaten Muchammedkaliy Abylgasijew zum neuen Premierminister wählte. Die SDPK und die Kirgistan-Partei hatten an diesem Punkt ihre Fähigkeit zur Koalition mit allen im Parlament vertretenen Parteien bewiesen.

Im Juni 2020 und damit nach einer der längsten Amtsperioden eines kirgisischen Premierministers trat Abylgasijew im Zuge einer Korruptionsaffäre im Zusammenhang mit der Vergabe von Lizenzen für Funkfrequenzen zurück. Ersetzt wurde Abylgasijew durch seinen bisherigen und ebenfalls parteilosen Stellvertreter Kubatbek Boronow, den die Regierungskoalition als Interimspremierminister bis zur Parlamentswahl im Oktober 2020 einsetzte. Diese durch massive Manipulation geprägte Wahl löste schließlich die dritte Revolution aus, die den Anfang vom Ende des parlamentarischen Regierungssystems in Kirgistan einläutete.

Fazit: Koalitionen als bloßes Mittel zur Macht?

Im Rückblick stellte sich keine Koalitionsregierung in Kirgistan als dauerhaft stabil heraus. In den betrachteten zehn Jahren gab es sechs Parteienbündnisse, unter denen insgesamt neun Premierminister verschlissen wurden. Die temporär stabilste Koalition aus SDPK, Ata Meken und Ar-Namys hielt sich drei Jahre und verkraftete dabei mehrere externe Schocks. Jedoch erwies sich auch diese inhaltlich kompakte Koalition als keine dauerhafte Option, da bei der Wahl im Oktober 2015 einzig die SDPK einen erneuten Regierungsauftrag erhielt. Die Hälfte der sechs Parteienbündnisse waren übergroße Koalitionen, die zwar kurzfristig praktikable Antworten auf politische Krisen ermöglichten, jedoch keine nachhaltige Stabilität garantierten, da ihr erdrückender Effekt auf den parlamentarischen Pluralismus außerparlamentarische Formen der Opposition hervorrief. Die letzte übergroße Koalition aus SDPK, Kirgistan-Partei, Bir Bol und Respublika–Ata-Schurt konnte zweieinhalb Jahre technokratisch »durchregieren«, bevor sie sich im Vorfeld der Parlamentswahl 2020 auflöste, nachdem die SDPK und Respublika–Ata-Schurt parteiinterne Spaltungen durchliefen.

Besonders bemerkenswert ist die Rolle der SDPK, die im gesamten untersuchten Zeitraum dauerhaft mitregierte und der dominante Akteur im Parlament war. Durch die während der zwei Legislaturperioden unter Beweis gestellte Fähigkeit zur Koalition mit allen anderen Parteien stabilisierte die SDPK die parlamentarische Demokratie anfangs, benutzte die eigene zentrale Position mit der Zeit jedoch nur noch als Mittel zum Machterhalt um der Macht willen. Mit dem Erstarren des Parlamentarismus unter der Dominanz der SDPK retardierte schließlich auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes. Die ungelösten Probleme offenbarten sich besonders stark während der Corona-Pandemie und bildeten den Hintergrund der dritten Revolution von 2020, die durch eine der unfairsten Wahlen in der Geschichte des Landes ausgelöst wurde. In den zwei Jahren nach der Revolution von 2020 hat sich die politische Landschaft in Kirgistan grundlegend gewandelt und sowohl das parlamentarische Regierungssystem als auch die SDPK gibt es heute nicht mehr.

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Lesetipps / Bibliographie

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Analyse

Wahlkreisarbeit ohne Wahlkreis. Abgeordnete und regionale Wählerschaft in Kasachstan und Kirgistan

Von Esther Somfalvy
In Kasachstan und Kirgistan gibt es keine Wahlkreise. Die Abgeordneten des kasachstanischen Unterhauses (Madschilis) und des kirgisischen Parlamentes (Dschogorku Kenesch) werden nach Verhältniswahlrecht mittels landesweiter Parteilisten gewählt und sollen, so der explizite Anspruch ihres Mandates, die gesamte Nation repräsentieren und kein bestimmtes Gebiet. Auch ohne formale Bindung an Wahlkreise widmen die Abgeordneten beider Parlamente bei Reisen »in die Gebiete« der Wählerschaft viel Zeit und Ressourcen. Dabei besteht in beiden Staaten ein Zielkonflikt zwischen dem landesweiten Mandat und dem Anspruch, eine enge Bindung mit der lokalen Wählerbasis herzustellen und damit Disparitäten zwischen den Gebieten zu überwinden; die praktische Umsetzung ist unterschiedlich. In Kasachstan findet die Arbeit in den Gebieten in enger Abstimmung mit und koordiniert durch die Parteiorganisationen statt, womit die Herausbildung eines geographischen Fokus in der Bindung des Abgeordneten an das Elektorat unterbunden werden soll. (…)
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