Die Turkman Sahra zwischen imperialer Aufteilung, kolonialer Fremdherrschaft und nationalstaatlicher Marginalisierung: Zur historischen und aktuellen Lage der Turkmenen in Iran

Von Jousef Kor (Berlin)

Zusammenfassung
Das traditionelle Siedlungsgebiet der Turkmenen wird heute vor allem mit dem staatlichen Territorium von Turkmenistan assoziiert, wenn nicht sogar gleichgesetzt. Dabei wird jedoch oft vergessen, dass Turkmenen auf beiden Seiten des Flusses Atrak leben, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die imperialen Einflusszonen von Russland und Iran markierte und 1881 vertraglich als imperiale Grenze formalisiert wurde. In seinem Unterlauf vor seiner Mündung ins Kaspische Meer stellt der Atrak bis heute einen Teil der Grenze zwischen Iran und Turkmenistan dar. Im Gegensatz zum Beispiel zur Durand-Linie zwischen Afghanistan und Pakistan oder der Grenze zwischen dem tadschikischen und afghanischen Badachschan handelt es sich hierbei um einen weniger bekannten Fall von kolonialer Grenzziehung im 19. Jahrhundert mit anhaltender Bedeutung für das heutige Zentralasien. Auch in diesem Fall haben externe Kolonialmächte ohne Rücksicht auf lokale Vorstellungen und Praktiken von Raumbeziehung eine Grenze durch das traditionelle Siedlungsgebiet der Turkmenen gelegt. Der Beitrag möchte einen Einblick in diese wenig bekannte Geschichte der iranischen Turkmenen geben und zentrale Entwicklungen ihrer Ethnogenese im Kontext von kolonialer Fremdherrschaft und antikolonialer Autonomiebestrebung nachzeichnen. Die Nachwirkungen von imperialer Geopolitik und die andauernde Marginalisierung und Unterdrückung durch die iranische Zentralregierung definieren bis heute die Lage der ca. eine Million Turkmenen in den iranischen Provinzen Golestan, Nord-Chorasan und Razavi-Chorasan.

Die Turkman Sahra im 19. Jahrhundert: Aufteilung, Fremdherrschaft und Widerstand

Um die aktuelle Lage der Turkmenen in Iran zu verstehen ist ein Blick in die Geschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und auf die damalige regionale Geopolitik notwendig. Nach dem Ende des Ersten Russisch-Persischen Krieges im Jahr 1813 einigten sich das Russische Kaiserreich und der Iran unter der Kadscharen-Dynastie im Vertrag von Golestan auf die Festlegung der gemeinsamen Grenze im Südkaukasus. Die Klärung der Grenz-Frage im Westen ließ jedoch die ungelöste Grenz-Frage auf der Ostseite des Kaspischen Meeres offen. Hier bezogen sich imperiale Machtprojektionen Russlands und Irans auf die Turkman Sahra (»Turkmenenwüste«), das traditionelle Siedlungsgebiet der Turkmenen. Heute wird mit dem Begriff die überwiegend von Turkmenen bewohnte Gorgan-Ebene in der iranischen Provinz Golestan gemeint, historisch bezieht sich der Name jedoch auf das gesamte turkmenische Siedlungsgebiet um das Kopet-Dag-Gebirge zwischen Kaspischem Meer, Karakumwüste und der Oase von Merw (Mary) im heutigen Turkmenistan. Im Gegensatz zu Turkmenistan, wo sich seit der Schaffung der Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik im Jahr 1924 eine neue politische Vorstellung von turkmenischer Territorialität durchgesetzt hat, wird der geographisch konnotierte Begriff unter den iranischen Turkmenen bis heute verwendet. Vor allem in der persischsprachigen Historiographie wird die Turkman Sahra als imperiales Grenzland beschrieben, im dem die staatliche Autorität des iranischen Shahs durch den weitläufigen Raum der Wüste in die »Stammesterritorien« angeblich »wilder« und »unregierbarer« Nomaden verblasste (vgl. Khazeni 2007).

Das Russische Reich hat die Unfähigkeit der Kadscharen, in der Turkman Sahra staatliche Autorität durchzusetzen, erkannt und strategisch zur Schwächung des Iran ausgenutzt. So rebellierten 1813 Yomut-Turkmenen vermutlich mit russischer Unterstützung gegen den kadscharischen Shah in Astarabad (heute Gorgan). Auch genoss Kiyat Khan, das Oberhaupt der turkmenischen Dschafarbai-Dynastie, russische Unterstützung bei seinen Streifzügen in iranisches Territorium, nach denen er sich jedes mal wieder unter die Protektion russischer Oberherrschaft am Ufer des Kaspischen Meeres zurückziehen konnte (Eden 2018, S. 174–175). Das System der indirekten Herrschaft verhinderte jedoch nicht, dass die Turkmenen auch russische Soldaten und Beamte gefangen nahmen, um sie dann für die Zahlung von Lösegeldern wieder freikaufen zu lassen.

Mit dem Ende des zweiten Russisch-Persischen Krieges 1828 erlegte das Russische Reich der iranischen Seite den Vertrag von Turkmantschai auf, der das Kaspische Meer zur ausschließlich russischen Einflusszone erklärte und Iran de facto in einen Klientelstaat des Russischen Reiches verwandelte. Gleichzeitig war St. Petersburg an keiner weiteren Schwächung Irans interessiert (Morrison 2020, S. 410). Daher ging Russland erneut in direkte Gespräche mit der iranischen Seite, um eine Lösung für die Grenz-Frage auf der östlichen Seite des Kaspischen Meeres zu finden. Trotz der Proteste von Kiyat Khan konnten sich beide Seiten bis 1839 informell auf ihre jeweiligen imperialen Einflusszonen einigen. So versicherte die russische Seite der iranischen Regierung, den Fluss Atrak als de-facto-Grenze des Kadscharischen Reiches anzuerkennen. Damit war der Weg frei, das Territorium der schiitischen Kadscharen weit in die Siedlungsgebiete der sunnitischen Turkmenen auszudehnen.

Mit der informellen Aufteilung der Turkman Sahra begannen beide Imperialstaaten eine mehrere Jahrzehnte andauernde Kampagne zur »Befriedung« der »widerspenstigen« Turkmenen auf »ihrer« jeweiligen Seite des Atrak. Das wichtigste Mittel zur Durchsetzung ihrer imperialen Herrschaftsansprüche gegenüber den Turkmenen war für beide Seiten schließlich Gewalt, darunter militärische Kampagnen gegen turkmenischen Siedlungs- und Weidegebiete (auyl), die Ermordung von turkmenischen Oberhäuptern und Adligen sowie die Vertreibung einzelner Gruppen. Größere Angriffe der Iraner gegen die Turkmenen erfolgten 1858 in Karr-e Qal’a und 1860 in Merw. Die kadscharische Herrschaft über die Turkmenen blieb jedoch schwach und unvollständig. Im Rahmen der weiteren Landexpansion des Russischen Reiches nach Zentralasien führte die russische Armee 1879 ihre erste großangelegte Militärkampagne gegen die Turkmenen unter der Teke-Dynastie in Gök-Tepe durch, wobei der russische Angriff jedoch am hartnäckigen Widerstand der Turkmenen scheiterte.

Im Dezember 1880 begann die zweite russische Kampagne zur militärischen Unterwerfung der Teke, die schließlich in der zweiten Schlacht bei Gök-Tepe im Januar 1881 gipfelte. Diesmal waren die Turkmenen der massiven Feuerkraft der russischen Armee unterlegen, die nach dem Überwinden der Festungsmauern ein Massaker unter der fliehenden turkmenischen Bevölkerung der Stadt anrichtete. Die Schlacht und das anschließende Massaker gelten bis heute als eine der blutigsten Episoden der imperialen Expansion des Russischen Reiches in Zentralasien. Nachdem die Turkmenen nördlich des Atrak fortan der direkten Kolonialherrschaft Russlands unterworfen waren, erhielt die bisher nur informell gelöste Grenzfrage neue Relevanz. Im September 1881 kamen beide Seiten darin überein, den Fluss Atrak im Vertrag von Ahal als de-jure-Grenze zwischen den Imperialstaaten zu formalisieren. Im selben Jahr territorialisierte die russische Kolonialmacht ihre Herrschaft auf dieser Seite des Kaspischen Meeres durch die Schaffung des Gebietes Transkaspien als Teil des 1867 gegründeten Generalgouvernement Turkestan.

Da der Vertrag von Ahal mit Bezug auf die Oase von Merw uneindeutig war, befürchtete Russland ein Ausgreifen der nun vertraglich verbrieften iranischen Souveränität von Chorasan nach Merw (Morrison 2020, S. 466). Gleichzeitig nahm man in St. Petersburg wahr, dass Iran für eine Annexion der Oase zu schwach sein würde, was wiederum einen Aufstand der Turkmenen ermöglichen könnte. Um die eigene Herrschaft über die Turkmenen zu konsolidieren und eine Expansion des Iran verhindern, annektierte Russland 1884 schließlich die Oase von Merw inklusive der dort lebenden Turkmenen. Der Widerstand der Turkmenen war damit endgültig gebrochen und flammte erst mit dem Zerfall des Russischen Reiches im Ersten Weltkrieg wieder auf, als sich die turkmenische Bevölkerung am allgemeinen Aufstand gegen die russische Herrschaft in Zentralasien beteiligte. In diesem Zusammenhang beging die russische Armee 1916 im östlichen Teil der Turkman Sahra auf heute turkmenistanischer Seite weitere Massaker an turkmenischen Zivilisten.

Die Turkman Sahra im frühen 20. Jahrhundert: Reform, Revolution und Autonomie

Im frühen 20. Jahrhundert wurden turkmenische Intellektuelle auf beiden Seiten des Atrak von den reformislamischen Ideen des krimtatarischen Lehrers und Herausgebers Ismail Gasprinski erfasst. Dieser warb seit dem späten 19. Jahrhundert unter den muslimischen Bevölkerungsgruppen des Russischen Reiches für eine tiefgreifende soziokulturelle Transformation durch die Einführung moderner Lehrmethoden und -inhalte nach gleichermaßen islamischen und westlichem Vorbild. Turkmenische Studenten, die in Baku, Istanbul oder Ufa mit der Lehre Gasprinskis in Kontakt gekommen sind, eröffneten nach ihrer Rückkehr Schulen, in denen mit Hilfe der »neuen Lehrmethode« (usul-i jadid) neben Koranexegese Fächer wie Mathematik, Geographie und Geschichte gelehrt wurden. Im Gegensatz zu den traditionellen arabischsprachigen mekteps und den russisch- oder persischsprachigen Schulen der beiden Kolonialmächte, lag der Fokus in diesen Schulen auf der turkmenischen Sprache und Literatur. Die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben und die Beherrschung von Literatursprache galten für die Reformer schließlich als Grundvoraussetzung für die Modernisierung der turkmenischen Gesellschaft (Clement 2018, S. 21). Auch wenn diese Reformer zahlenmäßig wenig waren, waren sie die ersten, die ab den 1910er Jahren eine turkmenische Nationalidentität formulierten, die sie vor allem aus dem Turkmenischen als eigenständiger Turksprache ableiteten.

Der Zerfall des Russischen Reiches, die Machtergreifung der Bolschewiki und der anschließende Bürgerkrieg ermöglichten den turkmenischen Reformern auf beiden Seiten des Atrak, ihren Vorstellungen von einer modernen turkmenischen Nation durch Forderung nach politischer und kultureller Autonomie Ausdruck zu verleihen. Der Diskurs der turkmenischen Reformer deckte sich mit dem Ziel der bolschewikischen Nationalitätenpolitik, durch die Gründung nationaler Territorien, die Vereinheitlichung und Latinisierung von Nationalsprachen, die Ausbildung nationaler Kader und Kampagnen zur Massenalphabetisierung eine Modernisierung »rückständiger« Bevölkerungsgruppen zu erzwingen. Schließlich erkannte auch Lenin den Atrak als Grenze an. Die Turkmenen der Turkman Sahra blieben damit zwar geteilt, gleichzeitig wurde so der Weg für die Etablierung einer turkmenischen Autonomie unter sowjetischer Herrschaft geebnet. Nachdem Aschgabat zwischen 1918 und 1920 kurzzeitig unter menschewikische Herrschaft gefallen war, wurde das Gebiet Transkaspien in die 1918 gegründete Turkestanische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik eingegliedert. Am 27. Oktober 1924 wurde nördlich der Flüsse Atrak und Sumbar (einem Zufluss des Atrak) mit Gaygysyz Atabajew als erstem Premierminister die Turkmenische SSR gegründet, aus der 1991 schließlich das unabhängige Turkmenistan hervorging.

Die revolutionären Entwicklungen im Gebiet Transkaspien ermutigten auch die Turkmenen unter iranischer Herrschaft zu einer nachdrücklicheren Forderung nach Autonomie. Am 4. März. 1919 kamen die adligen Oberhäupter der turkmenischen Gruppen des Iran in Gonbad-e Qabus zu einer Nationalversammlung zusammen. Die Versammlung rief das autonome Gebiet der iranischen Turkmenen aus und wählte den Gelehrten Osman Ahun zu ihrem politischen Oberhaupt. Die Kadscharen-Dynastie war durch die konstitutionelle Revolution seit 1905 geschwächt, während die Russischen Revolutionen von 1917 National- und Autonomiebewegungen von ethnischen Minderheiten in der iranischen Peripherie befeuerten. 1920 gründeten Autonomisten in der nordwestlichen Provinz Gilan am Kaspischen Meer die Iranische Sozialistische Sowjetrepublik und drohten mit Hilfe der Roten Armee nach Teheran zu marschieren. Um eine weitere Sowjetisierung des Iran zu verhindern inszenierte der Brigadegeneral Reza Pahlavi im Februar 1921 mit britischer Unterstützung einen Militärputsch gegen Ahmad Shah Qajar. Direkt nach der Errichtung seiner Militärdiktatur begann Reza mit der Niederschlagung der nationalen Autonomiebewegungen und der gewaltsamen Reintegration abtrünniger Gebiete in Gilan, Mazandaran und Chorasan. Die turkmenische Autonomie in der Turkman Sahra wurde 1925, sechs Jahre nach ihrer Gründung, durch vier Divisionen der iranischen Armee brutal niedergeschlagen. Die Turkman Sahra kam damit endgültig unter dauerhafte direkte iranische Herrschaft. Der Widerstand der Turkmenen war schließlich eines der letzten Hindernisse für Rezas persönliche Ambitionen auf dem Weg zur vollständigen Machtergreifung. Im Dezember 1925 begründete Reza die Dynastie der Pahlavi und ließ sich zum ersten Shah des neuen »Imperialstaates Persien« ernennen.

Die iranischen Turkmenen seit 1925: Marginalisierung, Enteignung und Hoffnung

Um sein Regime zu konsolidieren begann Reza mit einer bis dahin beispiellosen Kampagne zur Assimilation von ethnischen Minderheiten in den neuen Staat, der gemäß seiner Vorstellungen von einer modernen und homogenen iranischen Nation umgestaltet werden sollte. Die Mittel zur Zwangs-Persifizierung der iranischen Peripherie waren erneut militärische Gewalt, staatliche Repression und institutionalisierter Chauvinismus, der sich vor allem gegen die kleineren Minderheiten wie die Turkmenen richtete. In der iranischen Turkman Sahra wurden alle turkmenischsprachigen Schulen geschlossen und Persisch als alleinige National- und Verkehrssprache durchgesetzt. Die Eröffnung turkmenischer Bibliotheken wurde verboten. Um Rezas Herrschaft zu entgehen flohen mehrere Zehntausend Yomut-Turkmenen von der Gorgan-Ebene in die Turkmenische SSR. Gleichzeitig profitierten die iranischen Turkmenen von den grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, die nach einem 1921 geschlossenen Freundschaftsvertrag zwischen Sowjetrussland und Iran aufblühten (der Vertrag wurde noch unter kadscharischer Herrschaft geschlossen aber später von Reza anerkannt). Die Möglichkeiten zum Austausch zwischen den iranischen und sowjetischen Turkmenen verschlechterten sich erst mit dem Beginn der sowjetischen Zwangskollektivierung ab 1929, die eine neue Fluchtbewegung von Turkmenen auslöste, diesmal aus der Sowjetunion in den Iran (Sneath 2007, S. 142). Im Verlauf der 1930er Jahre kühlten die iranisch-sowjetischen Beziehungen weiter ab, nachdem Reza damit begann die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich massiv auszubauen, um den sowjetischen und britischen Einfluss auszubalancieren.

Da Reza Angst vor sowjetischen Spionen unter den Ankömmlingen hatte, nahm die Repression gegenüber den Turkmenen zu. Gleichzeitig kopierte er von Stalin die Praxis, die Turkmenen durch erzwungene Sesshaftwerdung besser kontrollierbar zu machen. Dafür ließ er den iranischen Teil der Turkman Sahra auf Beschluss des iranischen Scheinparlamentes zu seinem privaten Eigentum erklären, für das er eine eigene Verwaltungsstruktur einrichtete. Diese Behörde setzte die Turkmenen auf ihren eigenen Weideflächen fortan als unbezahlte Arbeiter ein. Nachdem der Widerstand gegen dieses neofeudale System zunahm, wurden die Weideflächen zu überteuerten Preisen teilweise wieder an die Turkmenen zurückverkauft. Nach einer Unterbrechung während der sowjetischen Besatzung Nordirans zwischen 1941 und 1946 wurde die systematische Enteignung der iranischen Turkmenen unter der Herrschaft von Mohammad Reza Pahlavi, Rezas Sohn und Nachfolger, wiederaufgenommen. General Mousaian wurde als Sonderbeauftragter des Shahs eingesetzt, um turkmenisches Land an Offiziere der Armee, einflussreiche Personen aus der Verwaltung und private Großgrundbesitzer zu verkaufen. Auf diese Weise wurden bis in die 1960er allein im Bezirk Akkala weitere 8.000 ha Land von den iranischen Turkmenen enteignet. Zudem wurde der Zuzug von ethnischen Iranern aus anderen Landesteilen in die turkmenischen Gebiete staatlich gefördert. Zu diesem Zeitpunkt war der Austausch zwischen den iranischen und sowjetischen Turkmenen bereits zum Erliegen gekommen, nachdem die iranisch-sowjetische Grenze, die seit 1935 geschlossen war, mit Beginn des Kalten Krieges zu einer hermetisch versiegelten Barriere zwischen dem sozialistischen und kapitalistischen Lager wurde.

Wie andere ethnische Minderheiten auch haben die iranischen Turkmenen gehofft, mit der Revolution von 1978 ihre kulturellen und politischen Rechte wiedererlangen zu können. Entsprechend lautete der turkmenische Slogan während der Revolution »Wir müssen lesen, wir müssen schreiben, wir fordern turkmenische Schulen und die Rückgabe des enteigneten Landes« (Oku gerek, had gerek, turkmence mahtap gerek, elden gedenin yerleri kayterip almak gerek). Wie in den revolutionären Jahren der 1920er konnten die iranischen Turkmenen die Zeit zwischen dem Zerfall der iranischen Monarchie und der Errichtung der islamistischen Mullah-Diktatur für die Stärkung ihrer Minderheitenrechte nutzen. Ein Bündnis aus turkmenischen Intellektuellen und progressiven Aktivisten etablierte 1979 eine weitere inoffizielle Autonomie in der iranischen Turkman Sahra. Diese Phase ist unter den iranischen Turkmenen bis heute bekannt als »Zeit des Rechts und der Exekutive« (Doure-ye kanun wa setad). Wie ihr Vorgänger von 1919 wurde auch diese Autonomie blutig beendet, als das islamistische Regime in Teheran die turkmenischen Bestrebungen nach politischer Anerkennung 1980 mit militärischer Gewalt und unter Begehung zahlreicher Verbrechen militärisch niederschlug.

Gegenwart und Ausblick

Seit der Niederschlagung der zweiten turkmenischen Autonomie ringen die iranischen Turkmenen vergeblich für die Anerkennung ihrer politischen und kulturellen Rechte als nationaler Minderheit. Obwohl die Verfassung der Islamischen Republik Iran von 1979 für nationale Minderheiten den Unterricht in ihrer Erstsprache vorsieht, gibt es in der Turkman Sahra bis heute keine turkmenischsprachigen Schulen. Auch in anderen Punkten hat sich die Situation der iranischen Turkmenen seit 1925 bzw. 1979 nicht verändert. Die Wahlkreise in der Provinz Golestan sind seit der Pahlavi-Zeit zum Nachteil der Turkmenen unverändert geblieben. Öffentliche Ämter in Regional- und Lokalverwaltungen werden weiterhin von schiitischen Iranern besetzt, die den sunnitischen Turkmenen aus ethnischen oder religiösen Gründen oft feindlich gesinnt sind. Bis heute sind die Turkmenen eine der am wenigsten repräsentierten und eine der am meisten entrechteten nationalen Minderheiten in Iran. Aber der Kampf der Turkmenen für ihre Rechte geht weiter und bleibt integral im Kampf von allen nationalen Minderheiten für Demokratie und Menschenrechte in Iran, in der Region und in der Welt.

Lesetipps / Bibliographie

  • Clement, Victoria. 2018. Learning to Become Turkmen: Litaracy, Language, and Power, 1914-2014. University of Pittsburgh Press.
  • Eden, Jeff. 2018. Slavery and Empire in Central Asia. Cambridge University Press.
  • Khazeni, Arash. 2007. The Turkmen in Eighteenth and Nineteenth Century Persian Chronicles. Central Eurasian Studies Review 6 (1/2): 8–13. http://www.cesr-cess.org/pdf/CESR_06_12.pdf">https://web.archive.org/web/20120211133055/http://www.cesr-cess.org/pdf/CESR_06_12.pdf.
  • Morrison, Alexander. 2020. The Russian Conquest of Central Asia: A Study in Imperial Expansion, 1814-1914. Cambridge University Press.
  • Saray, Mehmet. 1989. The Turkmens in the Age of Imperialism: A Study of the Turkmen People and Their Incorporation Into the Russian Empire. Columbia University Press.
  • Savory, Roger. 1980. Iran Under the Safavids. Cambridge University Press.
  • Sneath, David. 2007. The Headless State: Aristocratic Orders, Kinship Society, and Misrepresentations of Nomadic Inner Asia. Columbia University Press.

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