Die Radikalisierung der polnischen Debatte zur europäischen Flüchtlingskrise

Von Karolina Wigura (Observatorium der Öffentlichen Debatte, Warschau), Łukasz Bertram (Kultura Liberalna, Warschau)

Zusammenfassung
Im Februar 2016 machte das Titelblatt eines polnischen Wochenmagazins nicht nur in der internationalen Presse, sondern auch in den sozialen Medien die Runde. Zu sehen war eine hellhaarige, in die Fahne der Europäischen Union gewickelte Frau, die sich vor Attacken dunkelhäutiger Männerhände wehrte. – Die AutorInnen präsentieren Analyseergebnisse des Observatorium der Öffentlichen Debatte der Stiftung Kultura Liberalna, die anhand der Untersuchung ausgewählter polnischer Presse- und Internetpublikationen, die im rechten Spektrum den Ton angeben, ermittelt wurden. Thema sind die Darstellung der »europäischen Flüchtlingskrise« in der Zeit zwischen September 2015 und Februar 2016. Hervorzuheben ist, dass die Analyse nicht das Ziel verfolgt, das Gesamtbild der polnischen öffentlichen Debatte in den betreffenden Monaten vorzustellen. Die Analyse konzentriert sich ausschließlich auf die von den AutorInnen als gefährlich erachteten Radikalisierungen, was das Spektrum der von ihnen analysierten Publikationen deutlich eingrenzt.

Im Februar 2016 machte das Titelblatt eines polnischen Wochenmagazins nicht nur in der internationalen Presse, sondern auch in den sozialen Medien die Runde. Zu sehen war eine hellhaarige, in die Fahne der Europäischen Union gewickelte Frau, die sich vor Attacken dunkelhäutiger Männerhände wehrte. Die Bildunterschrift lautete: »Islamische Vergewaltigung Europas«. In den Medien wie der Washington Post oder The Independent wurde das Titelblatt als schockierend bezeichnet; auch wurde darauf hingewiesen, dass es Angst vor syrischen Immigranten säe, indem Assoziationen hervorgerufen würden, die charakteristisch für die rassistische Darstellung der Juden oder dunkelhäutiger Menschen vor einigen Jahrzehnten waren.

Das rechte Magazin wSieci, von dem hier die Rede ist, ist die viertgrößte gesellschaftspolitische Wochenzeitung auf dem polnischen Markt, nach dem katholischen Gość Niedzielny und den linksliberalen Newsweek Polska und Polityka. Ganz offensichtlich stellt das Titelblatt vom Februar 2016 einen passenden Ausgangspunkt für die Analyse der Radikalisierung der Sprache in der öffentlichen Debatte in Polen dar.

In diesem Artikel präsentieren wir die Analyseergebnisse des Observatorium der Öffentlichen Debatte (Obserwatorium Debaty Publicznej – ODP) der Stiftung Liberale Kultur (Kultury Liberalnej), die anhand der Untersuchung ausgewählter polnischer Presse- und Internetpublikationen ermittelt wurden. Außer dem bereits erwähnten wSieci, führt das Observatorium auch ein Monitoring polnischer Tageszeitungen durch, und zwar der linksliberalen Gazeta Wyborcza, der Mitte-Rechts-Zeitung Rzeczpospolita und der Boulevardzeitung Fakt (vergleichbar mit der deutschen Bild). Außerdem werden die genannten Wochenmagazine Polityka, Newsweek Polska, wSieci sowie das rechte Magazin Do Rzeczy beobachtet. Bei den im Internet vertretenen Medien werden die Inhalte von vier informierend-publizistischen Portalen untersucht: des linken Dziennik Opinii (de facto die Internetausgabe der Vierteljahresschrift Krytyka Polityczna), des liberalen NaTemat.pl sowie zweier eindeutig rechter Portale – Fronda.pl (konservativ-katholisch und gleichzeitig boulevardblattmäßig wegen der sensationsheischenden Schlagzeilen und der Verwendung von Umgangssprache) und Niezalezna.pl, die online-Schwester der Papierversion der rechten Gazeta Polska, die ähnlich wie wSieci die Regierung von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) unterstützt. Diese Medien wurden nicht nur in Hinblick auf ihre Popularität und Identifizierbarkeit ausgewählt, sondern auch mit dem Ziel, die Repräsentativität der Untersuchung mit links, Mitte und rechts annähernd zu gewährleisten.

Das Monitoring, das vom Observatorium durchgeführt wird, konzentriert sich auf sieben thematische Bereiche, in denen es, unseren Untersuchungen zufolge, am häufigsten zu Radikalisierungen kommt. Dies sind 1. Gender, Rechte der Minderheiten, Familie, Veränderungen des Lebensstils; 2. die Flugzeugkatastrophe von Smolensk und ihre Konsequenzen; 3. Geschichte, Geschichtspolitik, Formen des Patriotismus, Nationalfeiertage; 4. Religion, das Verhältnis zur katholischen Kirche und den Katholiken, das Verhältnis zu Vertretern anderer Religionen, das Verhältnis zu Nichtgläubigen und Atheisten; 5. Arbeit, Wirtschaft, das Bild der Gewerkschaften und der Arbeitgeber; 6. Fremde, andere, das Verhältnis zu Immigranten und nationalen Minderheiten, das Verhältnis zu Flüchtlingen und 7. Politik und Medien, die Rivalität zwischen Milieus mit unterschiedlichen Weltanschauungen.

Entsprechend der Methodologie des Observatorium drücken sich Radikalisierungen nicht allein in Hasssprache aus. Dazugezählt werden außerdem beleidigende und insinuierende Äußerungen, die den guten Namen der betreffenden Person oder sozialen Gruppe verleumden, sowie Radikalisierungen auf der Ebene von Schlagwörtern, Titeln und Presseillustrationen, die allerdings keine Deckung in den dargestellten Inhalten finden. Dieses Vorgehen dient dazu, die Aufmerksamkeit des Lesers zu erlangen, weshalb provokante Titel oder Bilder meistens auf die Titelseite gesetzt werden, wie im oben angeführten Beispiel.

Im Folgenden stellen wir die Untersuchung des Themas »europäische Flüchtlingskrise« in der Zeit zwischen September 2015 und Februar 2016 durch das Observatorium vor. Hervorzuheben ist allerdings, dass unsere Analyse nicht das Ziel verfolgt, das Gesamtbild der polnischen öffentlichen Debatte in den betreffenden Monaten vorzustellen. In diesem Fall hätten wir auch die Gesamtheit der rationalen, fachlich fundierten und gut argumentierten Äußerungen untersuchen müssen. Hier konzentrieren wir uns jedoch ausschließlich auf die von uns als gefährlich erachteten Radikalisierungen, was das Spektrum der von uns analysierten Publikationen deutlich verengt.

Charakteristik der polnischen öffentlichen Debatte

Polen ist im Gegensatz zu Deutschland ein Land mit einer charakteristisch konfrontativen öffentlichen Debatte. Nach 1989 wurden viele Verlautbarungen außerordentlich markant formuliert, was im Kontrast zum relativ ruhig verlaufenden politischen Prozess stand. In dieser Zeit zeichneten sich zwischen den publizistischen Opponenten zwei Trennungslinien besonders deutlich ab.

Die erste lässt sich mit der Formulierung »wir und sie« bezeichnen, die noch aus der Zeit der Volksrepublik Polen stammt und die Konfrontation zwischen der Opposition und den Machthabern bezeichnete. Die Aufspaltung zwischen den ehemaligen Dissidenten bzw. den Anhängern der Solidarność und den Repräsentanten der ehemaligen kommunistischen Macht überdauerte in hohem Maße die Zäsur von 1989; die Soziologin Mirosława Grabowska beschrieb sie als »postkommunistische Einteilung« in post-Solidarność-Parteien einerseits und Erben der in der Volksrepublik regierenden Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei (PZPR) andererseits. Unter den Bedingungen des Aufbaus der Parteiendemokratie, in der Koalitionen und Kompromisse geschlossen werden müssen, begann sich diese Einteilung allerdings zu verwischen. Dieser Prozess wurde von der steigenden Mobilität der Gesellschaft, dem Wechsel der Generationen und Modernisierungsprozessen, auch infolge des Einflusses der Europäischen Union auf Polen, verstärkt.

Analog zur »postkommunistischen Einteilung« wurde anschließend von der »post-Solidarność-Einteilung« gesprochen. Diese bezeichnete eine weltanschauliche Einteilung von eher national-katholisch eingestellten Personen auf der einen und eher liberal eingestellten Personen auf der anderen Seite. Erstere charakterisieren u. a. die Forderung nach einer stärkeren Präsenz der Religion im öffentlichen Leben, eine konservative Einstellung in Fragen des Lebensstils, die Anknüpfung an polnische nationale Traditionen, die Kritik an der Europäisierung der nationalen Identität sowie die stärkere Akzentuierung der Souveränität Polens auf der internationalen Bühne. Letztere sprechen sich entschieden für die Trennung von Kirche und Staat und eine liberalere Einstellung zur Familie aus und unterstreichen die Bedeutung der Europäischen Union für eine offene und demokratische Modernisierung Polens. In institutioneller Hinsicht werden diese beiden Tendenzen mit den beiden derzeit größten Parteien, die in der Solidarność wurzeln, identifiziert, das sind Recht und Gerechtigkeit und die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO).

Das Aufeinandertreffen dieser zwei Weltanschauungen fand so sehr bar aller Nuancen statt, dass fast in Kriegsrhetorik von zwei »Lagern« und zwei »miteinander verfeindeten Polen« (im Sinne von: Land Polen) gesprochen wurde. Dabei hängten sich beide Seiten gern etwas an. Beispielsweise ist ein eher konservatives und katholisches Polen in den Augen der Liberalen eines der »Paranoiker« und »autoritärer Persönlichkeiten«. Die liberale Seite dagegen besteht nach Meinung ihrer Widersacher aus den »Ausverkäufern Polens« und »seelenlosen Neoliberalen«.

Ein zusätzlicher Katalysator der Einteilung im polnischen Diskurs war die Flugzeugkatastrophe von Smolensk, bei der im April 2010 der damalige Präsident Lech Kaczyński und seine Ehefrau sowie 94 hochrangige Vertreter des politischen und öffentlichen Lebens Polens tödlich verunglückt sind. Die Einstellung zu dieser Katastrophe und ihre Erklärung – entweder gestützt auf die Ergebnisse der sogenannten Miller-Kommission, die von der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk einberufen worden war, oder gestützt auf Verschwörungstheorien und die These eines russischen Anschlags und des Verrats durch die damalige PO-Regierung – wurden zur Grundlage für die Definition der parteilichen und politischen Zugehörigkeit in Polen.

Radikalisierungen in der polnischen öffentlichen Debatte in den Jahren 2014 bis 2016

In den Jahren 2014 bis 2016 ließ sich in Polen eine stärker werdende Polarisierung und Verfeindung zwischen den beiden Lagern beobachten. Dazu kam es aus mehreren Gründen, vor allem gab es in den Jahren 2014/15 eine Häufung politischer und symbolischer Ereignisse. Am 16. November 2014 fanden im ganzen Land die Wahlen auf der Ebene der Selbstverwaltung, am 10. und 24. Mai 2015 fanden die Präsidentenwahlen und am 25. Oktober 2015 die Parlamentswahlen statt. Hinzu kam der fünfte Jahrestag der Flugzeugkatastrophe von Smolensk am 10. April 2015. Alle diese Daten und Anlässe hatten zur Folge, dass die politischen Fragen und Probleme im Kontext des stattfindenden Wahlkampfes diskutiert wurden; in einer anderen Situation hätten sie womöglich nicht solch heftigen Streit hervorgerufen. Ein herausragendes Beispiel für ein Thema, das direkt vor den letzten Wahlen aufkam und besonders viele Kontroversen hervorrief, ist die sogenannte europäische Flüchtlingskrise – was jedoch auch nicht bedeutet, dass die Art und Weise des Diskurses eine direkte Ableitung aus dem polnischen Wahlkalender ist.

Radikalisierungen und die europäische Flüchtlingskrise

Die aktuellen Radikalisierungen in den polnischen Medien, die im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise 2015/16 stehen, lassen sich in fünf Kategorien einordnen.

Die Strömung der Zivilisationskritik

In rechten Printmedien und online-Publikationen wurde der Andrang der Migranten auf Europa als islamische Invasion nach Europa dargestellt. Andere verwendete Begriffe waren: Einfall, Eroberung, Durchdringung bzw. wurden die Flüchtlinge als »Armee« bezeichnet. In den untersuchten Printmedien tauchten auch Analogien zu den persischen Überfällen auf das antike Griechenland und sogar zum Überfall der Roten Armee auf den Westen im Jahr 1920 [»Wunder an der Weichsel« – die Red.] auf. Wichtig scheint hier der Hinweis, dass es sich um Worte aus dem Feld der militärischen Terminologie handelt – manchmal wurde direkt von »Krieg« geschrieben –, die Gewalt konnotieren sowie einen durchdachten Plan der Bekenner des Islam, auf europäischem Territorium stärker zu werden, wider den Willen der bisherigen Einwohner.

Diese Botschaft wurde in den von uns beobachteten Publikationen mit der Kritik am heutigen Europa verknüpft, das als Gebiet beschrieben wurde, das dem gewaltigen Einfluss der linken Ideologie unterliegt, die zur Zerstörung der zivilisatorischen Fundamente des Kontinents führen wird oder bereits geführt hat, das heißt der christlichen Religion, der Familie und der Tradition. Geschrieben wurde von einer »Links-Gender-Verblödung und Depravation der westlichen Gesellschaften« und teilweise auch vom Plan der politischen Linken, die Nationen und das christliche Europa zu zerstören, dank »der Strategie, den Kontinent mit der größten Zahl von ›Flüchtlingen‹ zu sättigen«. Europa, das seit Jahrzehnten von der Linken gesteuert werde, ist laut der analysierten Publikationen demoralisiert, schwach, feige und, von der politischen Korrektheit gefesselt, »ideologisch erstickt«. Seine Bürger wissen nicht, wie sie sich vor der Bedrohung schützen können.

Die Autoren, die sich in die Strömung der Zivilisationskritik einschreiben, warnen vor dem Ende Europas und seiner Zivilisation (bei dieser Gelegenheit wird vom »Selbstmord« Europas oder »Euthanasie« gesprochen), das nicht nur mit den Händen der Moslems, sondern auch ihrer Gebärmütter (sic!) vollbracht wird. Der katholische Publizist Tomasz Terlikowski warnte, dass ein wesentlicher Faktor dieses Krieges die Demographie und der Rückgang der Geburtenrate der Europäer sei, was insbesondere im Vergleich zur Gebärfreudigkeit der Moslems beunruhigend sei. Der Publizist ruft folglich dazu auf: »Wenn wir die Angelegenheit nicht in unsere eigenen Hände nehmen (und nicht nur in diese), dann werden uns die Moslems besiegen. Und gar nicht mal mit Hilfe des Terrorismus, sondern mit Hilfe der Gebärmütter ihrer Frauen.« Ein anderer Publizist schrieb von einer »demographischen Bombe« des Islamischen Staates (IS), den er mit dem Islam als solchem identifizierte. Aus dieser Perspektive steht vor unserem Kontinent – wenn er nicht zur Besinnung kommt – die Wahl zwischen »Alterung und Aussterben des metrosexuellen Europa« und »revolutionärem Schlachthof«.

Die Strömung der Kulturkritik

Im Verständnis der Kulturkritik, die in den polnischen rechten Medien geäußert wird, wird die kommende Invasion nach Europa von islamischen/asiatischen Horden/Wilden/Pest vollzogen. In den Vordergrund werden Vergewaltigungen gerückt, die symbolisch an Europa und real an ihren Einwohnerinnen vollzogen werden. Charakteristisch sind hier Generalisierungen und Formulierungen von Schlussfolgerungen über die gesamte, millionenstarke, ausdifferenzierte Gemeinschaft der Muslime auf der Grundlage einzelner Ereignisse (Verbrechen oder Straftaten) oder größerer Prozesse – bei letzteren beispielsweise werden weitere Faktoren wie Armut ignoriert. Fronda hat in diesem Zusammenhang kundgetan: »Mehr Moslems bedeutet mehr Vergewaltigungen. Wer das nicht sieht, ist blind oder dumm« oder »der Islam in der arabischen Ausgabe verkörpert alles, wogegen zivilisierte Menschen kämpfen«.

Die Hauptkritik richtet sich auf den Multikulturalismus, der als linke Erfindung dargestellt wird und als zur Niederlage verurteilter Versuch, Gruppen zu integrieren, deren friedliches Zusammenleben nicht möglich ist. Der Publizist von wSieci, Jan Pietrzak, verglich dessen Schädlichkeit mit den Ergebnissen des Kommunismus, während Marcin Wolski von Gazeta Polska bzw. Niezalezna.pl seine Zurückweisung und Verbot forderte. Barbara Stanisławczyk, vor kurzem von der PiS eingesetzte Vorsitzende des Polnischen Radio, beurteilte die Flüchtlingswelle als »finale Etappe des Multikulturalismus«, als »weitere Etappe der Zerstörung der christlichen Zivilisation«, die zu einem »weichen Totalitarismus« führen werde.

Zu einer Intensivierung dieser Narration trugen die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten bei. Ein Publizist von wSieci schreibt daher über Deutschland, das »von Moslems, die sich einen Spaß daraus machen, die weiblichen Einwohner zu vergewaltigen,« überflutet ist. Fronda setzt die Narration der Invasion fort und weist darauf hin, dass gerade Vergewaltigungen dabei eine wichtige Waffe darstellen, wie in Stammeskriegen »in denen es um das Aussäen der eigenen Samen, die Erniedrigung von Frauen und Männern, die Zerstörung des gesellschaftlichen Netzes des Gegners geht. Das ist kein Angriff auf Einzelpersonen, sondern auf die ganze Gemeinschaft«.

Die Thematik des islamistischen Terrorismus

Relativ wenig deutlich zeigt sich in den analysierten Medien das Thema islamistischer Terrorismus, was nicht bedeutet, dass er vollkommen abwesend ist. Diese Narration wird weniger mit Hilfe der verwendeten Sprache aufgebaut als vielmehr mittels Frequenz. Charakteristisch für Fronda, etwas weniger für Niezalezna.pl, ist die Veröffentlichung von einer großen Anzahl von Meldungen, die über die Bedrohung alarmieren, dass zusammen mit den Flüchtlingsmassen Gesandte des Islamischen Staates in Europa eindringen. In einem der Artikel wurde die syrische Nation in toto als »Nation der Anhänger des Terrorismus« bezeichnet. In einer anderen Meldung ist die Information zu lesen, dass die Flüchtlinge auf ihren Telefonen Fotos von Exekutionen gespeichert hatten, die der Islamische Staat durchgeführt hatte, allerdings wurde nicht mitgeteilt, wie viele Personen dies betraf. Über die von Moslems dominierten Viertel europäischer Städte als »Brutstätte der Terroristen« schrieb wiederum ein Publizist von wSieci, wobei er die tatsächlich damit verbundenen Probleme vereinfachte. Eine zeitweilige Intensivierung der Botschaft vom Terrorismus trat direkt nach den Anschlägen in Paris am 13. November 2015 auf. Fronda warnte, dass »wir in Polen auch Anhänger Allahs haben, die uns ums Leben bringen wollen!« Witold Waszczykowski, der zwei Tage später in das Amt des polnischen Außenministers berufen wurde, stellte fest, dass er nach den Anschlägen »Diskussionen einer durchgedrehten Linken« gehört habe. Das Portal Niezalezna.pl wiederum betitelte die erste Meldung über das tragische Ereignis »Die Terroristen ›bereicherten kulturell‹ Paris«, was von einer gewissen Schadenfreude zeugt.

Die soziale Thematik

Noch weniger präsent, aber doch eine regelmäßig auftauchende Kategorie der Radikalisierungen sind Formulierungen, die zur sozialen Thematik gehören. Hier findet eine Verknüpfung der Kategorien Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten statt. In dieser Perspektive sei eines der wichtigsten Ziele derjenigen, die herkommen, sich den Zugang zu den westeuropäischen Sozialhilfen zu sichern. Dies verbindet sich mit der Überzeugung, dass alle, die aus den Maghrebstaaten oder aus dem Nahen Osten kommen, faul sind und bei den schwer arbeitenden Europäern schmarotzen wollen. Die eindeutigste Bezeichnung ist hier »sozialer Dschihad«. Der angebliche Drang zur Sozialhilfe kann mit anderen Zielen kombiniert werden, was beispielsweise in einem Text des bekannten rechten Bloggers Matka Kurka (Piotr Wielgucki) deutlich wird, der regelmäßig auch in Fronda veröffentlicht. Dieser schrieb »der asiatische Mob strömt nach Europa mit einem einzigen Ziel – sich auf die Sozialhilfe stürzen und seinen Fanatismus aufzwingen.«

Die politische Thematik

Die hier an letzter Stelle besprochene, aber sehr präsente und ausdifferenzierte Radikalisierungskategorie wird von Botschaften gebildet, in denen sich die Flüchtlingsfrage mit der Politik der europäischen Institutionen sowie der polnischen Behörden verflicht. Diese Narration geht einher mit der Demaskierung der verborgenen Absichten Deutschlands, das, nicht genug damit, dass es die Kosten für die eigenen Fehlentscheidungen (Öffnung der Grenzen für die Flüchtlinge) auf die anderen Staaten abwälzen will, auch noch eine imperialistische Haltung anderen europäischen Ländern gegenüber einnimmt. In dieser Narration klingen Vorwürfe mit, dass sich die Regierung von Angela Merkel in das traditionelle deutsche Streben nach Expansion und Dominanz einschreibt, das einst mit Hilfe des Nationalsozialismus zum Ausdruck kam und heute mit der Politik des Multikulturalismus.

Das Einverständnis der letzten Regierung unter Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, zwischen den europäischen Ländern eine Flüchtlingsquote zu vereinbaren, erscheint in diesem Kontext nicht nur als Freigabe des Weges an die Weichsel für eine »islamische Horde«, sondern auch als Vergewaltigung der polnischen Souveränität und Unterordnung unter die Anordnungen (das »Diktat«) der EU und Berlins. Für den PiS-Politiker Jarosław Zieliński, gegenwärtig stellvertretender Innenminister, dauert die Unterwürfigkeit gegenüber Deutschland bereits seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch die PO und war Donald Tusk als Ministerpräsident nichts anderes als ein »deutscher Diener«. Das Internetportal Niezalezna.pl bezeichnete die Unterordnung unter das »Diktat des Westens« als »Kapitulation«, und Fronda stellte das Datum des 17. September 2015, als die Entscheidung über eine Aufteilung der Flüchtlinge auf europäische Länder fiel, neben den 17. September 1939, als die Rote Armee nach Polen einmarschierte, das sich gegen die Wehrmacht verteidigte. Etliche Kommentare rief das Titelblatt des Wochenmagazins wSieci (Nr. 38/2015) hervor, auf dem das Bild von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz, in Gewand und Kopftuch gekleidet und mit einem Sprengstoffgürtel ausgestattet, zu sehen war, mit dem Titel: »Ewa Kopacz brockt uns auf Befehl Berlins die Hölle ein«. Die Verbindung von islamischer Invasion und antideutschen Ressentiments schlägt sich auch auf einem anderen Titelblatt dieses Magazins nieder. Zu sehen sind Moslems, die einen polnischen Schlagbaum niederreißen, was an die zur Bildikone gewordene gestellte Aufnahme der Wehrmachtssoldaten von 1939 in eben dieser Haltung erinnert.

Die polnische Islamophobie als Imitation des Westens

Die angeführten Beispiele für Radikalisierungserscheinungen in polnischen rechten Magazinen lassen sich in Anbetracht ihrer Eindeutigkeit leicht in die in der letzten Zeit verbreitete Argumentation einfügen, dass in Polen ähnlich wie in anderen ostmitteleuropäischen Ländern zurzeit eine populistische, illiberale, auch nationalistische Wende stattfindet. Allerdings sind wir der Meinung, dass diese Interpretation zu schlicht ist und dass die dargestellten Radikalisierungen in den Kontext der umfassenderen gesellschaftlich-politischen Krise in ganz Europa eingeordnet werden müssen.

Aus polnischer Perspektive ist von wesentlicher Bedeutung, dass im Falle Polens die hier besprochenen Aussagen gegenüber einer ausschließlich virtuellen Anwesenheit von Flüchtlingen auftreten. Die Anzahl, die auf der Ebene der Europäischen Union festgelegt wurde, ist noch nicht in Polen eingetroffen und Flüchtlinge aus Syrien oder auch andere Flüchtlinge oder Migranten wählen Polen eher nicht als Ziel oder als Durchgangsland, beispielsweise auf dem Weg nach Deutschland, aus. Daher lässt sich die Hypothese aufstellen, dass die radikalen Aussagen der Publizisten vor allem ein Wortgefecht mit einer bestimmten Vorstellung von der Europäischen Union oder dem Westen zum Ziel haben, insbesondere mit Deutschland, als Ort, der – im Vergleich zu den polnischen Werten – für fremde Werte wirbt und außerdem repressiv gegenüber den Ländern auftritt, die bevorzugen, dass ihre Gesellschaften eine gewisse Homogenität bewahren. Hinzuweisen ist hier auf die wesentliche politische Rolle dieser Argumentation, die sich sicherlich nicht ohne Grund während des Wahlkampfes in Polen herausgebildet hat.

Dies bedeutet aber, dass die Radikalisierungen in Hinblick auf die Flüchtlingsfrage letztendlich zu Konsequenzen wie beispielsweise Stigmatisierung der Syrer führen können, wenn Ende 2016 die ersten nach Polen kommen sollten. Es steht zu vermuten, dass Aussagen wie die oben angeführten dazu beitragen, dass sich die Intoleranz gegenüber dieser Gruppe verstärkt und eine Welle moralischer Panik hervorruft, sobald es zu den ersten Schwierigkeiten bei der Integration kommt.

Allerdings sollten die Ergebnisse der Untersuchung auch in den größeren Kontext der Veränderungen in der Politik nicht nur in Ostmitteleuropa, sondern auch in Westeuropa eingeordnet werden. Erstens ist hier das Phänomen anzuführen, was mit Mabel Berezin als Normalisierung der Sprache der extremen Rechten im Mainstream der Politik bezeichnet werden kann. Demnach werden fremdenfeindliche Äußerungen über Minderheiten auch unter Politikern populär, die aus dem gemäßigten politischen Milieu stammen. Dies betrifft sowohl die lokale als auch die übergeordneten Ebenen der Politik und Berezin führt insbesondere Aussagen von westeuropäischen Politikern an, u. a. Äußerungen zum Thema Multikulturalismus von Nicolas Sarkozy, David Cameron und Angela Merkel.

Zweitens scheinen sich die hier analysierten Radikalisierungen in die Entwicklung der europäischen Parteien der extremen Rechten und der ihnen nahestehenden Presse- und Internetpublikationen einzufügen, was Matti Bunzl am Beispiel der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) dargestellt hat. Auch Bunzl stellte fest, dass die mit jedem Jahr stärker werdenden islamophoben Einstellungen der FPÖ und des ihr nahestehenden Portals Unzensuriert.at eng mit der europaskeptischen Haltung dieser Partei verbunden waren. Ein weiteres Beispiel liefert die Sprache der extremen Rechten in Frankreich – Aussagen von Marine Le Pen über »bakterielle Immigration« sehen den oben besprochenen sehr ähnlich.

Aus diesen beiden Gründen müssen die analysierten Radikalisierungen als paradoxes Beispiel für die Imitation der Politik der westeuropäischen Staaten betrachtet werden. Wenn es so ist und sogar, wenn diese Aktivitäten vor allem dazu dienen sollen, einen Wahlkampf zu führen, rufen sie ehrliche Besorgnis hervor, angesichts ihrer Wirkung, Vorurteile und soziale Konflikte in einer Zeit zu verschärfen, in der die Europäische Union wohl die ernsteste demographische Krise seit ihrer Gründung erlebt.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Die Seite des Obserwatorium Debaty Publicznej der Stiftung Kultura Liberalna sowie das kostenlos zugängliche Archiv der Analysen ist zu finden unter: http://obserwatorium.kulturaliberalna.pl/.

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