"Grüner Konservatismus"? Über die polnische Klima- und Energiepolitik

Von Rafał Riedel (Universität Oppeln, Oppeln)

Zusammenfassung
Zu dem Zeitpunkt, als Deutschland sein letztes Steinkohlebergwerk in Bottrop schloss, entwickelte die polnische Regierung einen Plan, auf welche (neue) Weise der Kohlesektor zu bezuschussen sei. Diese Gegenüberstellung spitzt den Unterschied zwischen der polnischen und der deutschen Herangehensweise an die Klima- und Energiepolitik zu. Die Jahreswende 2018/19 ist aus mehreren Gründen ein guter Zeitpunkt, um einige wichtige Aspekte der aktuellen polnischen Klima- und Energiepolitik zu beleuchten. Im Dezember 2018 fand in Kattowitz (Katowice) die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP24) statt, die polnische Regierung beriet eine weitere energiepolitische Strategie für Polen und, ebenfalls Ende 2018, fand eine politische Debatte über einen raschen legislativen Weg statt, eine Strompreiserhöhung für das Jahr 2019 zu umgehen. Diese drei Ereignisse veranschaulichen die wichtigsten Probleme und Herausforderungen Polens in der Klima- und Energiepolitik.

Die Dekarbonisierungspolitik in Polen ist aus vielerlei Gründen schwierig, von denen drei hier näher vorgestellt werden. Erstens ihre Ausgangslage – mehr als 90 Prozent des Energiemixes machen Kohlenwasserstoffverbindungen aus. Zweitens sind die vergleichsweise reichen Kohlevorkommen eine Art Fluch und wenig hilfreich für eine moderne, grüne Energiepolitik. Drittens stellen die aus der vergangenen Epoche geerbten starken Gewerkschaften im Bergbausektor eine gut organisierte Interessenvertretung dar, die sich für die Aufrechterhaltung des Status quo im Energiesektor einsetzt.

Vor allem aber muss auf den vollkommenen Mangel an Verantwortungsbewusstsein bei den politischen Eliten, egal welcher Partei, hingewiesen werden, die seit Jahrzehnten auf effektive Modernisierungsschritte verzichten, die die polnische Energiepolitik aus der Dämmerung des 19. Jahrhunderts herausführen würden. Die von der Dynamik des politischen Lebens in Polen diktierte Kurzsichtigkeit erlaubt es nicht, langfristige Ziele umzusetzen, die aber für Handlungen im Bereich Klima und Energie typisch sind. Dies ist vor allem ein Problem der politischen Kultur in Polen, deren Spezifik es nicht erlaubt, eine ausgewogene Klima- und Umweltschutzpolitik auszuarbeiten. Es ist kein Zufall, dass es im polnischen Parteiensystem keine klassische »grüne Partei« gibt und die ökologische Agenda in der politischen Debatte vollkommen marginalisiert wird.

COP24 – der Klimagipfel 2018 in Kattowitz

Im Dezember 2018 war Polen Gastgeber des UN-Klimagipfels. Beschlossen wurde das »Kattowitzer Paket«, das heißt gemeinsame Regeln für die praktische Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Allerdings trug die Organisation des Gipfels in Polen nicht dazu bei, die Qualität der Diskussion über die polnischen Probleme der Energiepolitik zu stärken. Im Gegenteil, der Gipfel im Dezember wurde in die politische Zauberei integriert, die sich jedes Jahr zu dieser Jahreszeit in Oberschlesien (Górny Śląsk) abspielt. Oberschlesien mit seiner Hauptstadt Kattowitz ist das wichtigste Kohlebecken in Polen; dort sind die meisten Bergleute der Europäischen Union beschäftigt. Der in Oberschlesien populäre Tag der Heiligen Barbara, der Patronin der Bergleute, am 4. Dezember ist seit kommunistischen Zeiten traditionell mit Besuchen politischer Würdenträger und nicht enden wollenden Versprechungen für die Bergbaulobby verbunden. Am 3. Dezember 2018, also am Vorabend des Feiertags der Bergarbeiter, besuchte Präsident Andrzej Duda den Klimagipfel und stellte fest, dass Polen wirksam gegen die Luftverschmutzung kämpfe und dies auch weiterhin tun werde. Gleichzeitig verteidigte er hartnäckig die intensive Kohleförderung in Polen, die Polen in die Spitzengruppe der Umweltsünder auf dem Alten Kontinent platziert. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki trieb wiederum in die weiten Regionen wunschgeprägter Phantasie ab, als er kundtat, dass Polen einer der führenden Akteure bei Maßnahmen zur Beschränkung der globalen Erwärmung sei. Das ist Polen nicht. Die Fakten vermitteln genau gegenteilige Ergebnisse.

Inzwischen hat eine Rechtsänderung der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) neue Investitionen in Windkraftanlagen auf dem Land in Polen unmöglich gemacht. Das Prosumenten-Gesetz [Konsumenten, die gleichzeitig Produzenten sind, d.Red.] wurde bereits in den ersten Tagen der Regierung der damaligen Ministerpräsidentin Beata Szydło (PiS) erfolgreich neutralisiert. Dafür pumpte die Regierung Milliarden Euro Steuergelder in die Bergbauindustrie und umging auf diese und andere Weise gewieft das EU-Verbot von unberechtigter Hilfe der öffentlichen Hand.

Ministerpräsident Morawiecki ist der Meinung, dass Polen die CO2-Emmissionen vor allem durch die Vergrößerung der Waldflächen reduziert, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht. Obwohl diese Argumentation sogar für einen nur halbwegs aufgeklärten Beobachter lächerlich klingt, scheint sie unter den polnischen Bedingungen der bedauernswert geringen Qualität der politischen Debatte Wirkung zu erzielen. Die Wähler bleiben unempfindlich oder taub gegenüber den Stimmen der Ökologen. Es reicht hier die Bemerkung, dass nach 1989 in der polnischen politischen Landschaft keine bedeutende politische Kraft auftrat, die Fragen des Umweltschutzes mit der gebührenden Aufmerksamkeit behandelt hätte.

Im Dezember 2018 zog eine ganze Gruppe führender Politiker der Regierungspartei durch Kattowitz und überholte sich gegenseitig in mehr oder weniger phantasievollen Diagnosen und Erklärungen zu Klima und Energie. Der gemeinsame Nenner aller gehörten Äußerungen der Regierungsvertreter war allerdings, dass sie aus falschen Prämissen abgeleitet wurden, sich auf falsche Daten und unlautere Absichten stützten. Die polnischen Regierenden stehen denen nahe, die entweder die Tatsache der Klimaerwärmung in Frage stellen oder zumindest die Rolle des Menschen in diesem Prozess.

Der Klimagipfel in Kattowitz, dessen Hauptthema die Dekarbonisierung der Wirtschaft war, wurde zur Arena einer peinlichen Reputationskatastrophe der polnischen Regierung. Bereits am ersten Abend wurde Polen von der Organisation Climate Action Network Europe, die für Maßnahmen gegen den Klimawandel kämpft, der Titel »Dinosaurier des Jahres« verliehen, der für das am schlechtesten dastehende Land in der Gruppe der teilnehmenden Länder bestimmt ist. Auch als Verhandlungsführer bewährte sich Polen schlecht, denn als Volkswirtschaft, die von Kohlenwasserstoff in einem ähnlich hohen Maße wie Saudi Arabien abhängig ist, fehlt es ihm an Glaubwürdigkeit. Nicht unwichtig ist außerdem, dass der Gipfel von den Hauptentscheidungsträgern der globalen Politik ziemlich ignoriert wurde. Im Unterschied zu den vorangegangenen Klimagipfeln beispielsweise in Kopenhagen und Paris nahmen am Kattowitzer Gipfel weder die deutsche Kanzlerin Angela Merkel noch der französische Präsident Emmanuel Macron teil, von US-Präsident Donald Trump ganz zu schweigen. Den Klimagipfel in Kattowitz zu veranstalten ist an sich schon sonderbar und seine Eröffnung am Tag der Heiligen Barbara umso mehr. Kattowitz ist das Symbol für die Bergbauindustrie, die Hauptstadt der polnischen (und der europäischen) Kohle. Die Sponsoren des Gipfels waren die größten Umweltverschmutzer – die Jastrzębska Spółka Węglowa (Jastrzębier Kohlegesellschaft), die Polska Grupa Energetyczna (Polnische Energiegruppe) und TAURON – mit dem Kraftwerk Bełchatów an der Spitze (Jahresemission von zirka 40 Millionen Tonnen CO2), doch die polnischen Gastgeber verteidigten um die Wette die polnische Kohle. Den Gipfelteilnehmern setzte der für polnische Städte typische Smog zu (36 der 50 am stärksten verschmutzten Städte Europas liegen in Polen). Die Luft in Polen ist so schlecht wie nirgendwo in der Europäischen Union. Umgerechnet auf 1.000 Einwohner, sterben in Polen an Krankheiten infolge von Luftverschmutzung doppelt so viele Menschen wie in Deutschland und dreimal so viele wie in Frankreich. Der Bericht über die Kosten für die Gesundheit, verursacht durch die Emissionen der Privathaushalte, den das Ministerium für Industrie und Technologie vorstellte, enthält alarmierende Daten. Die Rechnung für den Smog beläuft sich auf 19.000 vorzeitige Todesfälle und 30 Milliarden Zloty Verlust. Dieser Bericht wurde nicht ohne Grund gerade in der Zeit veröffentlicht, als das Energieressort von Krzysztof Tchórzewski die Qualitätsnormen für die Kohle bekannt gegeben hatte. Demnach kann in Polen Kohle jedweder Qualität verfeuert werden, sogar solche, die dem Abfall nahekommt.

Unter den Teilnehmern des Gipfels in Kattowitz dominierte mit Blick auf die Dringlichkeit der Herausforderungen, vor denen wir stehen, ein alarmierter Ton – interessanterweise mit Ausnahme der Gastgeber. Die Repräsentanten der polnischen Regierung bewahrten als einzige ihr Wohlbehagen, vor allem, wenn es um sie selbst ging. Mehr noch, sie zögerten auch nicht, es der Welt zu demonstrieren. Wenn die offizielle Narration nichts mit den Fakten gemein hatte – umso schlechter für die Fakten. Der polnische Präsident Andrzej Duda brillierte bereits mit vielen verblüffenden Äußerungen. Mal erklärte er, dass er nicht verstehe, warum die Europäische Union die traditionellen 100 Watt Glühbirnen verboten hat. Mal behauptete er, dass der »grüne Kreuzzug« von nicht-polnischen Interessen inspiriert sei, und er erklärte, dass er die polnische Kohle nicht »ermorden« lassen werde. Für die polnische Regierung zählt nur der politische Binnenmarkt. Der Bergbaubasis gelang es mit ihren Gewerkschaften, ihre Privilegien aufrechtzuerhalten, und, was noch wichtiger ist, die dominierende Position der Steinkohle im polnischen Energiemix. Die polnische Regierung, Gastgeber des COP24, unternahm viel, um der Welt ihre Einstellung sowohl zum Problem als auch zu den verschriebenen Lösungen zu zeigen. Auf der Prioritätenliste der PiS scheint die globale Katastrophe infolge der Klimaerwärmung nichts zu sein im Vergleich zu den Parlamentswahlen im Jahr 2019.

Die Aussagen führender Entscheidungsträger der PiS-Regierung lassen sich als eine Art ökologische Trolle klassifizieren. Der ehemalige Außenminister Witold Waszczykwoski stellte eloquent fest, dass »Klimaschutz die Rückkehr auf die Bäume oder in die Erdhöhlen« bedeuten könne. Seine Unterstellungen, die im gegenwärtigen Diskurs in Polen als Argumente ausreichen, suggerierten, dass Klimafragen ein politisches Argument seien. »Seien wir nicht naiv, dass dahinter einzig und allein der Wunsch nach Klimaschutz steht. Dahinter stehen mächtige Interessen, vor allem wirtschaftliche.« Ein anderer medial aktiver PiS-Politiker, Bogdan Pęk, hatte keine Zweifel, dass die Erzählung von der globalen Erwärmung die größte Irreführung in der Geschichte der Menschheit sei. Hinter all dem stünde natürlich eine Verschwörung der Banken und ein »nationaler Verrat«. Seiner Meinung nach kommen die Wissenschaftler, die der Theorie vom Einfluss des Menschen auf das Klima widersprechen, in den Medien nicht gebührend zu Gehör, und das sei der Hauptgrund für die Desinformation in Bezug auf dieses Thema. Der Journalist des regierungsnahen öffentlichen Fernsehens Michał Rachoń suchte während einer Diskussion über die erwartete Erhöhung der Strompreise die Zuschauer zu überzeugen, dass die Europäische Union mit ihrer proökologischen Politik die Quelle des Problems sei. Sein Hauptargument war, dass im Mineralwasser, das er trinkt, auch CO2 sei, es aber »nicht vergiftet«. Obgleich dieses Diskussionsniveau schockieren mag, ändert es doch nichts an der Tatsache, dass es in Polen real ist.

»Grüner Konservatismus« oder Fahrkarte für die Titanic?

Vor dem Hintergrund einer so unterkomplex geführten Diskussion erscheint die Stimme von Jadwiga Emilewicz, Ministerin für Industrie und Technologie, bemerkenswert, wenn sie die Aktivitäten der polnischen Regierung als »grünen Konservatismus« bezeichnete. Dies ist einer der interessanteren Vorschläge zur Kategorisierung der Politik der polnischen Regierung, die gegen die Modernisierung gerichtet ist. Die Ministerin sagte nämlich, dass das unlängst vorgestellte neue Konzept der Energiepolitik Polens bis zum Jahr 2040 eine »sehr radikale Reduktion der kohlebasierten Energieproduktion für die nächsten drei Jahrzehnte« vorsehe. »Folglich sind wir uns dessen bewusst, dass diese Transformation notwendig ist, aber sie muss gleichzeitig Sicherheit gewähren und sozialverträglich sein.« Die Attraktivität des Vorhabens soll also darin liegen, , dass die heute getroffenen Entscheidungen in der Perspektive von Jahrzehnten effektiv sein werden. Hier ist darauf hinzuweisen, dass die Kurzfristigkeit als genetische Eigenschaft des polnischen politischen Systems das langfristige Denken, inklusiv über die Themen des Klimaschutzes, nicht begünstigt. Gleichzeitig steht ein solches Denken im Widerspruch zur Dringlichkeit der Herausforderungen, vor denen die globale Klimapolitik steht.

Die PiS-Regierung von 2005 bis 2007 hatte sich schon vor über zehn Jahren ähnlich geäußert. Unter dem Vorwand der Prophylaxe und für den evolutionären Charakter von Veränderungen zugunsten ökologischer Ziele werbend, sind in Polen seit Jahrzehnten jedoch eher gegen die Umwelt gerichtete Handlungen und Entscheidungen zu beobachten, das sind Unterlassungen proökologischer Aktivitäten und in vielen Fällen auch deutlich umweltschädliche Aktivitäten. Emilewicz definierte den Begriff »grüner Konservatismus« als Logik, nach der der Zustand der natürlichen Umwelt (mit allen ihren Ressourcen) der kommenden Generation nicht in einer schlechteren Verfassung vererbt werden soll, als derjenigen, die von der vorangegangenen Generation übergeben wurde. Jedoch weder die Handlungen des im Jahr 2018 ausgewechselten Umweltministers Jan Szyszko (beispielsweise in Sachen Białowieża-Urwald) noch die aktuelle Politik im Bereich der erneuerbaren Energien dient der intergenerationellen ökologischen Solidarität. Ein so verstandener »grüner Konservatismus« stellt sich nicht der Tatsache, dass wir in das Anthropozän eingetreten sind, eine Epoche, in der der Mensch eine dauerhaft intervenierende und bewegende Kraft auf geologischer Ebene ist.

Unterdessen ist festzuhalten, dass der »grüne Konservatismus« als politische Kategorie schon vor langer Zeit im öffentlichen Diskurs auftauchte. Er verbindet Begriffe, Vorstellungen, Argumentationen und Begründungen, die sowohl für das konservative als auch das ökologische Denken charakteristisch sind. Diese unkonventionell bezeichnete intellektuelle Bewegung war ihrerseits eine aktuelle Antwort auf die Krise der Gegenwart. Im 19. Jahrhundert tauchte sie im Süden der Vereinigten Staaten als Antwort auf die Herausforderungen bzw. vielmehr die Folgen und Probleme der Industrialisierung auf. Ähnlich war es in Westeuropa, dort konzentrierten sich die Arbeiten Ernst M. Arndts und Wilhelm H. Riehls auf die negativen Folgen der Urbanisierung und Industrialisierung und traten für den Schutz der Wälder und anderer natürlicher Ressourcen ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bewegung, die den Schutz der Natur mit der Bewahrung traditioneller Werte verband, vollständig marginalisiert, vor allem aufgrund der Entwicklung der ökologischen Linken. Die gegenwärtige Version des »grünen Konservatismus« entstand als Reaktion auf die Entwicklung der Industrie und die sie begleitende Umweltzerstörung. In den Argumentationen der grünen Konservativen kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass die Zerstörung der Natur und die Zerstörung der historisch gewachsenen gesellschaftlichen Strukturen parallele Prozesse sind, die auf ähnliche Quellen und Impulse zurückgehen. Die gegenwärtige Reinkarnation des »grünen Konservatismus« ist zum Beispiel bei den britischen Tories zu finden. Niemand Geringeres als der Premierminister David Cameron wandte sich vom wirtschaftlichen Liberalismus im Stil von Margaret Thatcher ab und setzte auf die ökologische Lebensqualität. Er vollzog damit ein politisches Manöver, das an die vorangegangene Umkehr des Labour-Politikers und Premierministers Tony Blair erinnert, der seine Wählerbasis in der Mitte des politischen Spektrums suchte.

An dieser Stelle lohnt es sich, kurz auf einige fundamentale Berührungspunkte des ökologischen und des konservativen Denkens einzugehen. Die vorherrschende Überzeugung ist, dass es einen grundsätzlichen, schlechthin nicht aufzuhebenden Widerspruch zwischen der konservativen Tradition und dem ökologischen Denken und Empfinden gibt. Der Konservatismus sei ökologisch nicht sensibel und das »grüne Denken« kennzeichnet nur die linken Progressiven mit ihrer aufklärerischen Denkungsart. Das »alte Bürgertum« in Westeuropa ist generell von einer bewahrenden Haltung charakterisiert, die auch Fragen der Umwelt umfasst. Es besteht die Angst vor dem Verlust des Eigenen, Erarbeiteten und gleichzeitig die Ablehnung all dessen, was die existierende Ordnung der Dinge verletzen könnte. Die konservative politische Seite scheint das Feld der Umweltpolitik der Linken überlassen zu haben. Gleichzeitig scheint sich nichts so gut in die konservative Agenda einzuschreiben wie beispielsweise der Schutz der Natur. Daher finden sich in verschiedenen historischen Phasen und an verschiedenen Orten der westlichen Welt auch Fälle, dass die konservative Haltung durch proökologische politische Vorschläge bereichert wird. Die Konservativen nehmen an der Debatte über den Umweltschutz teil und nehmen in ihr Programm viele Punkte der »grünen Agenda« auf, zum Beispiel die Forderung nach Biodiversität.

Die Aversion Konservativer gegenüber radikalen Veränderungen, die gewissermaßen instinktive Vorliebe für den Status quo birgt ein ökologisches Potential. In Zeiten, in denen der wissenschaftliche Konsens suggeriert, dass dynamische Veränderungen auf Kosten der bisherigen Praxis vorgenommen werden müssen, scheinen Konservative jedoch erneut zwei, drei Schritte zurückzubleiben. Die Skepsis gegenüber staatlichen Interventionen in die Prozesse des Marktes ging mit der Priorisierung der Freiheit des Einzelnen als übergeordneter Wert einher (sogar auf Kosten des gemeinsamen Guts, zu dem die Umwelt gehört). Gleichzeitig wird seit dem Philosophen Edmund Burke (1729–1797) der Gesellschaftsvertrag auch intergenerationell verstanden, das heißt zwischen den lebenden sowie den verstorbenen und den noch nicht geborenen Generationen. Die Menschheit wird als Gemeinschaft aufgefasst, die nicht nur die gegenwärtig lebenden Individuen umfasst, sondern auch die früher bzw. zukünftig lebenden. Im konservativen Denken gibt die Verwurzelung in der Tradition dem Leben eines Menschen einen unersetzbaren Wert, weshalb Konservative im 19. Jahrhundert Gefahren wahrnahmen, die aus der gewaltigen Industrialisierung für die Kontinuität der Kultur im weiten Sinne hervorgingen. Es gibt natürlich nichts Konservativeres, als die Rechte der zukünftigen Generationen auf die Nutzung des Erbes, inklusiv des Naturerbes, zu fordern. Kontinuität scheint ein Schlüsselbegriff für das Verständnis des »grünen Konservatismus« zu sein. Das Paradox der Situation besteht darin, dass viele ökologische Bewegungen eine stark linke, mitunter sogar marxistische Rhetorik verwenden und Werte verteidigen, die ohne Zögern als konservative bestimmt werden können. Unter den Wegbereitern des ökologischen Denkens finden sich viele Konservative, obwohl für viele die Verbindung von Umweltschutz und Konservatismus wie die Verbindung von Feuer und Wasser klingt.

Indessen scheinen die polnischen grünen Konservativen diesen Weg der Verbindung von Umweltschutz und Konservatismus nicht gehen und uns vor der Moderne retten zu wollen. Sie bieten ein Antimoderne-Programm an, das in einem nativistischen Weltbild verankert ist. In Polen sieht es so aus, dass der Konservatismus in der Ausgabe der aktuell regierenden PiS jedwede Glaubwürdigkeit auf dem Feld der Umweltpolitik verloren hat. Die Aktivitäten des mittlerweile ehemaligen Umweltministers Jan Szyszko (nicht nur in Bezug auf den Białowieża Urwald), die Vorliebe des fast gesamten Milieus für die Jagd (mit der bedeutenden Ausnahme Jarosław Kaczyńskis) scheint ein wesentliches weltanschauliches Symptom zu sein. Konkrete Handlungen, die dazu führten, dass die Prosumenten-Bewegung erschlagen wurde, bevor sie eigentlich in der Lage war, geboren zu werden, versetzen dem Konzept der Energiediversität, die von der Europäischen Union so stark beworben wird, einen direkten Schlag. Eine Änderung in der Politik im Bereich von Entscheidungen über die Lokalisierung von Windrädern hat den Bau von sowohl Kleininstallationen als auch großen Windradparks unmöglich gemacht.

Im polnischen Kontext muss auch die Frage gestellt werden, wie die Religion und der Konservatismus in der aktuellen ökologischen Debatte zusammenspielen. Anzunehmen wäre, dass der katholische Konservatismus, wenn er authentisch und reflektiert ist, in seinem Wesen »grün« sein müsste und sollte. Das Thema Umweltschutz scheint nicht nur in der Bibel, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, durch, sondern auch in der aktuellen Enzyklika »Laudatio si« (2015). Das Problem besteht darin, dass die Enzyklika nicht gut aufgenommen wurde, sogar in katholischen Kreisen, die Papst Franziskus beschuldigen, der »Propaganda der Ökologen« zu unterliegen und »neuerungssüchtige Thesen« zu vertreten. Insbesondere angesichts der Säkularisierungstendenzen, die gegenwärtig in Polen zu beobachten sind, scheint die Wirkmächtigkeit der Kirche allerdings an Bedeutung zu verlieren.

Der Tanz auf der Titanic – wenn die Unterlassungen zum Feind werden

Der neueste Akt im Kampf an der klima- und energiepolitischen Front in Polen ist die Schlacht mit der Absicht, im Wahljahr 2019 die Strompreise nicht anzuheben. Allein die Tatsache, dass sich die Parlamentarier mit dieser Sache im Eilverfahren und am Ende des Jahres – zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Silvester 2018 – beschäftigten, legt nahe, dass es der Regierung an jedwedem strategischen Denken fehlt, das über den sofortigen politischen Nutzen mit Blick auf die Parlamentswahlen im Herbst 2019 hinausreichen würde. Die Diskussion über die Zufinanzierung für Privathaushalte, die die Strompreiserhöhungen auffangen sollen, wird so verständlich. In Anbetracht der erwarteten gesellschaftlichen Unzufriedenheit, die eine Strompreiserhöhung auslösen würde, suchte die PiS-Regierung nach Möglichkeiten, dieser Situation zu entkommen. In Erwägung gezogen wurden »ungarische« Lösungen, das heißt die genannten Zahlungen an die Privathaushalte zur Kompensation der Erhöhungen. Doch angesichts des inflationstreibenden Potentials bevorstehender Erhöhungen sowie der Möglichkeit, dass die Europäische Kommission eine solches Vorgehen in Frage stellt, verzichtete die PiS-Regierung auf diese Lösung.

Die Subventionierung der Strompreise ist auch mit Blick auf die Ziele des europäischen Klima-Energie-Pakets kontraproduktiv. Vor allem im Zusammenhang damit, dass der Löwenanteil des Stroms in Polen aus Kohle gewonnen wird. Als im Rahmen des europäischen Emissions Trading System (ETS) die Preise für die Zertifikate zum CO2-Ausstoß um 5 Euro pro Tonne Kohlendioxid oszillierten, spürte der polnische Energiesektor die Existenz des ETS überhaupt nicht (nach Schätzungen der Europäischen Kommission ist ein Preis von mehr als 20 Euro pro Tonne Emissionen ein wirksames Stimulans für die Dekarbonisierung). Gegenwärtig, in der Phase nach der Krise, in der die europäische Wirtschaft wieder in Bewegung ist und sich dies auch in steigenden Preisen der ETS-Zertifikate wiederspiegelt, sind die polnischen Kraftwerke gezwungen, dies in ihren Bilanzen zu berücksichtigen. Der steigende Preis für Strom, der auf umweltbelastende Weise produziert wird, ist der Kern des ETS-Mechanismus. Seine Idee ist, dass die Emission von Treibhausgasen immer teurer wird. Die polnische Regierung, die polnische Haushalte mittels Zuzahlungen für Strom subventioniert, subventioniert nicht nur ein weiteres Mal die »schmutzige Energie«, sondern – was vielleicht das Wichtigste ist – wirkt kontraproduktiv gegenüber der europäischen Politik in diesem Bereich, deren Teil sie doch ist.

Letztlich wurden die Senkung der Verbrauchssteuer und eine temporäre Abgabe sowie die Nutzung der Einnahmen aus dem Verkauf der »grünen Zertifikate« (insgesamt über 9 Milliarden Zloty) beschlossen, was die polnischen Stromabnehmer (sowohl die individuellen als auch die institutionellen) effektiv vor einer spürbaren Erhöhung bewahren wird. Der Strompreis wird auf diese Weise also abgepuffert. Die Rechnungen steigen nicht, aber es steigen die Produktionskosten für Strom. Letztlich wird die Stromrechnung also anders verteilt: Sie wird nicht proportional von den Verbrauchern gezahlt, sondern die Steuerzahler kommen für sie auf, da die Ausgleichszahlungen dem Haushalt entnommen werden, wofür ein neuer Fonds geschaffen wurde. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass diese Lösung aus Sicht der Klima- und Energiepolitik der EU kontraproduktiv ist. Sie konserviert die aktuelle Situation im polnischen Energiesektor, die Regierung ordnet sich abermals der Bergbaulobby unter und trägt zu weiteren Jahren der Verspätung bei der Entwicklung grüner Energie in Polen bei.

Niemand hegte den geringsten Zweifel, dass diese Aktion politisch motiviert war, nicht einmal die Vertreter der regierenden Partei verbargen diese Tatsache. Das Hauptmotiv für die eilig vorgenommenen Änderungen war das Wahljahr 2019 mit den Wahlen zum Europäischen Parlament sowie zum polnischen Sejm. Die Kosten für das Gesetz schätzt die Regierung auf fast zehn Milliarden Zloty. Diese Summe ist als Subvention für die ineffektiven Gesellschaften des Staatsschatzes, die für die Energieproduktion verantwortlich sind, zu werten. Die steigenden Produktionskosten für die »schmutzige« Energie sind für die polnischen Stromkonsumenten nicht spürbar, weil die Regierung in Warschau einen neutralisierenden Mechanismus einsetzt – der jedoch unter dem Aspekt der von der EU verabschiedeten Lösungen sowie mit Blick auf die Paradigmen der grünen Wirtschaft der Zukunft kontraproduktiv ist.

Fazit

Die aktuelle Situation im polnischen Energiesektor legt nahe, dass die Zeit anbricht, in der sich die Serien von Unterlassungen in der Klima- und Energiepolitik der vorangegangenen polnischen Regierungen in reale Kosten und Gefahren verwandeln. Die Entwicklung einer effektiven Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen bewirkt, dass diese Energie bereits billiger ist als die aus fossilen Brennstoffen. Indessen steckt der polnische Energiesektor, angebunden an die Interessen der Bergbaulobby, den Konjunkturalismus der Politik und den Nativismus der Polen, immer noch in der Epoche des 19. Jahrhunderts fest.

Bisher beschränkte sich die Effektivität der polnischen Regierungen seit 1989 allein darauf, immer neue Energiestrategien zu formulieren. Bevor die Ziele der einen umgesetzt worden waren, wurde bereits eine neue erarbeitet. Aber das ist gar nicht mal von besonderer Bedeutung, denn die Strategien mit einer Perspektive von 20 oder 30 Jahren sind allenfalls das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden.

Die Argumente, dass die einzuführenden Veränderungen evolutionär sein müssen (»grüner Konservatismus«), müssen ad acta gelegt werden. Sie halten der Konfrontation weder mit den alarmierenden Signalen aus der Wissenschaft noch mit den bisherigen Beobachtungen der Aktivitäten der polnischen Regierung stand. Polen erhielt von der Europäischen Union Zeit und Geld (beispielsweise in Form von kostenlosen Emissionsrechten), seinen Energiemix umzugestalten. Bis jetzt wurde die Zeit vergeudet, während der Kohleimport aus Russland nach Polen wächst und in der Heizperiode 2018/19 ein Rekordniveau erzielt. Es wurden also weder das Ziel der Dekarbonisierung noch der Energiesouveränität erreicht.

Gleichzeitig muss unterstrichen werden, dass es hier nicht nur um die Angst der Politiker vor der Kohlelobby geht. Es handelt sich auch um die politische Angst vor Millionen Polen, die von der billigen Kohle sowohl zum Heizen als auch als in Form von Strom profitieren. Sie haben kein ökologisches Bewusstsein, das es ihnen erlauben würde, die Gefahren wahrzunehmen, die mit der Luftverschmutzung, der Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffen und der relativen Preissteigerung für Strom aus konventionellen Quellen einhergehen.

Eine letzte Bemerkung betrifft den europäischen Kontext und die im Vorfeld der anstehenden Wahlen geführten Diskussionen über einen eventuellen Polexit. Die Kosten-Nutzen-Bilanz der polnischen Mitgliedschaft in der Europäischen Union wird in der Zukunft anders ausfallen als heute. Einer ihrer wichtigsten Aspekte werden die Kosten für die Treibhausgasemissionen sein. Wird die aktuelle Energiepolitik fortgesetzt, kann sich herausstellen, dass die Mitgliedschaft Polens in der EU infolge der jahrelangen Unterlassungen und der nicht vollzogenen effektiven Transformation in Richtung grüner Energie unrentabel wird. Die Kosten für die Erlaubnis für CO2-Emissionen werden steigen und in der Folge werden auch die Kosten für die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen steigen. Für Polen wird das nicht nur steigende Stromkosten bedeuten, sondern auch weit reichende ökonomische Folgen haben, zum Beispiel für die Inflation und die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft. Die Kurzsichtigkeit, die seit Jahrzehnten in der polnischen Energiepolitik zu beobachten ist, beginnt Folgen in Form struktureller Entwicklungsbarrieren zu zeigen, die sich negativ auf das langfristige Wachstum auswirken können.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

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