Die "Verfassung für die Wissenschaft" – über die Reform des akademischen Sektors in Polen

Von Rafał Riedel (Universität Oppeln, Oppeln)

Zusammenfassung
Zu den zahlreichen Veränderungen der konservativen Regierung in Polen seit 2015 gehört auch eine umfassende Hochschulreform, die seit Oktober 2018 in Kraft ist. Sie war nötig, so das Regierungslager, weil die zahlreichen Reformen nach 1989 vor allem durch die Kommerzialisierung des schnell wachsenden Systems (dynamischer Zuwachs von Studierenden an öffentlichen und vor allem an neu entstandenen privaten Hochschulen) gekennzeichnet waren, jedoch keine signifikante Qualitäts- und Leistungssteigerung im internationalen Vergleich gebracht hatten. So zielt das aktuelle Reformprojekt auf die Konzentration von Ressourcen auf einige wenige »Flaggschiffe« durch die Stärkung der Rolle der Hochschulrektoren und des Ministeriums auf Kosten der bisher weit verbreiteten Autonomie. Polnische wissenschaftliche Einrichtungen sollen mehr Forschung betreiben und sich international zeigen, unterstützt durch eine großzügigere staatliche Finanzierung, die verstärkt auf Evaluierungen basiert. Kritiker werfen der neuen »Verfassung für die Wissenschaft« vor, das Hochschulsystem zu zentralisieren und dadurch politisch zu instrumentalisieren

Die »Verfassung für die Wissenschaft«, eine im Oktober 2018 eingeleitete Reform des Ministers für Wissenschaft und Hochschulwesen, Jarosław Gowin, und seines Ressorts, weckte Hoffnungen und Erwartungen, bedeutete aber auch neue Herausforderungen für den polnischen Hochschulsektor. Es handelt sich insofern tatsächlich um eine revolutionäre Reform, als ihre wichtigsten Punkte auf wesentliche Aspekte des Hochschulsystems abzielen: berufliche Förderung, Finanzierung, Evaluationskriterien, universitäre Verwaltungsstrukturen usw.

Es blieb jedoch das Problem der unklar definierten Rolle der Hochschule als Institution in ihrer sozioökonomischen und kulturellen Umgebung. Die Hochschule als intellektuelle Gemeinschaft spielt eine wichtige Rolle für das Funktionieren der Gesellschaft, indem sie neue Ideen entwickelt, das kritische Denken fördert und Wissen verbreitet. Die zeitgenössischen Visionen von Universität und Hochschule wurden von verschiedenen Faktoren beeinflusst – auf der einen Seite von dem Ethos der zivilisatorischen Mission, auf der anderen Seite von den Forderungen, die der Staat und der Markt an die Universität stellen. Das Zusammenspiel Letzterer hat die akademische Welt mehr in Richtung Wettbewerb und Innovation gezogen sowie in Richtung soziale Verantwortung oder schlicht hin zu den Ideen von Wissen und Fortschritt. Die akademischen Institutionen stellen dabei nicht (mehr) nur Aufklärung bereit, sondern sie gewährleisten auch die Ausbildung von Fachleuten. Die permanente Neudefinition ihrer Beziehungen gegenüber dem Markt und dem Staat geht einher mit dem Versuch, gleichzeitig autonom zu bleiben.

Zwischen dem Staat und den Kräften des Marktes zu balancieren, bedeutet auch, auszutarieren zwischen der vereinnahmenden Politik des Staates auf der einen Seite und dem Risiko, zum Konsumgut zu werden und klientelistischen Beziehungen ausgesetzt zu sein, auf der anderen Seite. Nach 1989, in der Phase der Transformation in Polen haben die Befürworter der neoliberalen Umstrukturierung des Marktes den Fetisch des Utilitarismus in die Hochschulen eingeführt. Die Fürsprecher der Markteffizienz implementierten einige Elemente der »wilden Liberalisierung« auch in die polnischen Universitäten. Die in der Periode nach 1989 beobachtete »Reforminflation« brachte vor allem ein überreguliertes System und weniger das Paradigma der Innovation hervor, das im Informationszeitalter der wissensbasierten Gesellschaft notwendig ist.

Die Hochschulreform, die im Jahr 2018 gesetzlich geregelt wurde, schlug darin fehl, ein echtes Gleichgewicht zwischen und gegenüber den politischen Kräften und denen des Marktes zu finden. Sie kündigt eine auffällige Verschiebung zu einer Re-Zentralisierung der polnischen Hochschullandschaft an, wobei mehr öffentliche Mittel in »Flaggschiff-Universitäten« fließen, auf Kosten der kleineren und peripheren Hochschulen. Auch sehen Kritiker der Reform eine politische Instrumentalisierung des akademischen Sektors. Das neue Gesetz verleiht den Politikern nicht nur mehr Macht, sondern organisiert auch die internen Verwaltungsstrukturen der Hochschulen dahin gehend um, dass die Rektoren mit einer noch nie da gewesenen Machtfülle ausgestattet werden. Darunter leidet die Autonomie der anderen Hochschulgremien, die im polnischen akademischen Sektor außerordentlich stark war.

Bislang entwickelte sich die polnische Hochschule also im Paradigma der Anpassung, indem sie auf die jeweils auftretenden Determinanten reagierte. Der Hochschulsektor in Polen hat – wie auch in vielen anderen ostmitteleuropäischen Ländern – nach 1989 Veränderungen auf einem relativ hohen Niveau erfahren und war sowohl internen Faktoren wie Demographie und Vermarktung als auch externen Faktoren wie Europäisierung oder Bologna-Prozess ausgesetzt. Daher ist es wichtig, die Hochschulreform bzw. die Reformierung des Bildungswesens in Polen in dem breiteren Kontext der Veränderungen nach 1989 zu betrachten. Aus dem extrem bürokratisierten System vor 1989 wurde das polnische Hochschulwesen infolge der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Transformation befreit und in ein stark auf den Markt ausgerichtetes Wettbewerbsmodell überführt. Die Anwendung marktorientierter Maßnahmen zielte vor allem darauf ab, auf den, auch demographisch begründeten, Massen-Trend im Hochschulsektor zu reagieren (in den 1990er und den beginnenden 2000er Jahren setzte der Massenbetrieb in vielen, wenn nicht allen ostmitteleuropäischen Staaten ein), sowie auf den in kommunistischer Zeit entstandenen Nachholbedarf der Gesellschaft.

Der historische Hintergrund

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems wurde die polnische Hochschullandschaft auf den Ruinen des bisherigen akademischen Systems errichtet, das umfassend indoktriniert (insbesondere die Wirtschafts- und die Sozialwissenschaften) und von Repressionen durchdrungen war, zudem war es stark zentralistisch ausgerichtet. Das weckte das Bedürfnis nach Emanzipation, Liberalisierung und Dezentralisierung, was dem allgemeinen Klima der Transformation der 1990er Jahre entsprach. Zwischen 1991 und 1995 verdoppelte sich die Zahl der Studierenden. Aufgrund der Liberalisierung im Jahr 1997 (die Möglichkeit, private Hochschulen zu gründen, das dem freien Markt entlehnte Konkurrenzverhalten zwischen den Hochschulen, die klientelistische Einstellung gegenüber den Studenten u. ä.) wurde die Anzahl der privaten Universitäten größer als die der staatlichen. Im akademischen Jahr 2010/11 erreichte der Anteil aller Studierenden im Verhältnis zu ihrer Alterskohorte mit 53,8 Prozent den Höhepunkt.

Ende des ersten, Anfang des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts machte sich die demographische Implosion an den Hochschulen bemerkbar. Dies war vor allem deshalb schmerzhaft, weil sich die meisten akademischen Einrichtungen in Polen auf didaktische Studiengänge wie die Lehrerausbildung fokussiert hatten. Insbesondere gilt dies für die privaten Hochschulen. In Polen hatte sich das private Hochschulwesen im Wesentlichen als Subsystem des staatlichen entwickelt. Der private Sektor funktionierte in der Regel (mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen) wie eine »akademische Kooperative«. Insofern kann die Entstehung und die Existenz des privaten Sektors als das Resultat eines Mangels im öffentlichen Sektor betrachtet werden. Abgesehen von einigen wenigen bemerkenswerten Ausnahmen, wurde im privaten Hochschulwesen keine Forschung betrieben und waren die privaten Hochschulen ausschließlich Institutionen mit pädagogischem und didaktischem Lehrangebot. Finanziert mit Hilfe von Studiengebühren, standen sie mit den staatlichen Universitäten in einem Wettbewerb um dieselben Ressourcen, was einen Interessenskonflikt bei den Hochschullehrern hervorrief, die sehr häufig parallel sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor arbeiteten.

Die polnische Hochschulbildung und Wissenschaft hat seit 1989 eine Reihe substantieller Reformen durchgemacht. Die Veränderungen im Management und in der Verwaltung der Hochschule, bei den Studentenzahlen, in den akademischen Berufen, bei der Finanzierung, den Kontrollstandards, den Bewertungskriterien und vielem mehr waren abhängig von vielerlei sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Ursachen. Die Veränderungen betrafen sowohl quantitative Aspekte wie Studentenzahlen oder die Anzahl von Fakultäten und Instituten als auch qualitative Aspekte wie die akademische Autonomie und Freiheit, die Dualität von öffentlichen und privaten Einrichtungen, das Regime der Gebühren und den Wettbewerb um die Forschungsfinanzierung. All das trat ein und interagierte im Kontext der postkommunistischen Transformation, der Europäisierung und Globalisierung.

Folglich sah sich das polnische Hochschulwesen knapp 30 Jahre einer intensiven Modernisierung ausgesetzt, die unter den Stichworten Kommerzialisierung und Privatisierung durchgeführt wurde. Auf der anderen Seite basiert die staatliche Finanzierung immer noch auf der Anzahl der Studierenden und des akademischen Personals mit akademischem Grad. In der Vergangenheit wurden die vom Staat garantierten Einmalzahlungen durch Drittmittel ergänzt. In der Phase des demographischen Hochs leisteten die Studiengebühren in manchen Studiengängen einen wesentlichen Beitrag zum Universitätsbudget. Aktuell, in der Phase des demographischen Tiefs, sind die Universitäten fast vollständig von der staatlichen Finanzierung abhängig – des Ministeriums, des Nationalen Wissenschaftszentrums (Narodowe Centrum Nauki – NCN) des Nationalen Zentrums für Forschung und Entwicklung (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju – NCBiR) usw.

Diagnosen und Reformansatz

Die Absicht und die Vision von Minister Gowin waren, die Qualität der polnischen Hochschulen durch eine Reform umfassend zu verbessern, um sie international wettbewerbsfähig zu machen, so im Bereich der Wissenschaft, der Lehre und der Kontakte zu Wirtschaft und Business.

Bis dahin verlief die Evolution der polnischen Hochschullandschaft – wie bereits oben dargestellt – vom stark bürokratisierten, aus dem Kommunismus ererbten System, über das marktgesteuerte kommerzialisierte System bis zum aktuellen System, in dem wir nach dem Rückgang der Massenunis den Kampf um die Ressourcen beobachten, die Rückkehr zu staatlicher Zentralisierung (als eines der Elemente der autoritären Tendenzen in der polnischen Politik) und im Ergebnis die Schwächung der universitären Autonomie.

Die niedrige Position der polnischen Universitäten in den Rankings war eines der Schlüsselargumente für die Reform, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern sollte. Abgesehen von Einzelfällen erfolgreicher Internationalisierung, ist der polnische Hochschulsektor sprachlich, fachlich und in vielerlei Hinsicht mehr nach außen abgeschlossen. Die transnationale Interaktion und der internationale Austausch sind eher oberflächlich. Trotz Veränderungen infolge des Bologna-Prozesses beleuchten die internationalen Rankings wiederholt den geringen wissenschaftlichen Output und die schwache Wettbewerbsfähigkeit der polnischen Hochschulbildung. Auf der formalen Ebene, siehe beispielsweise die Umsetzung der Vorgaben des Bologna-Prozesses, läuft das polnische Hochschulsystem relativ reibungslos. Auf der funktionalen Ebene wie zum Beispiel bei der Teilnahme an europaweiten Programmen (Horizon 2020, Stipendien des Europäischen Forschungsrates) ist es deutlich marginalisiert. Die wissenschaftliche Karriere und Förderung sind in Polen immer noch enorm von der Habilitation abhängig, und dieses System fördert die Loyalität gegenüber dem hochschulinternen Establishment. Die Publikationsstrategien sowohl der älteren als auch der jüngeren Wissenschaftler konzentrieren sich auf den polnischen Markt, der allerdings keine Verbindung zum internationalen Publikationsmarkt aufweist. In vielen Fachdisziplinen gibt es keinen einzigen Zeitschriftentitel, der international bekannt ist oder der zumindest in den internationalen Indizes auftaucht. Die Zunahme von Publikationen geringerer Qualität nahm rasch ein hohes Ausmaß an, was die Forschung in Polen nicht voranbringt und schlicht kontraproduktiv ist.

Infolge dessen initiierte die mit absoluter Mehrheit regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) eine offene Ausschreibung für Gesetzesentwürfe zur Reform des Hochschulwesens. 15 Teams reichten ihre Vorschläge ein, von denen drei ausgewählt wurden. Diese Methode ging mit dem Paradigma der Zunft einher, da der Entscheidungsprozess teilweise den wichtigsten Stakeholdern übertragen wurde, um die Legitimierung des Reformprozesses zu bezeugen. Die Auswahl der drei Teams, die von den drei größten Hochschulstandorten, Warschau, Krakau (Kraków) und Posen (Poznań), kamen, deutete schon an, wie das Ministerium das Spielfeld zu strukturieren gedachte, insbesondere mit Blick auf den In- und Output der Reform, die vor allem diese drei Standorte bedient. Da der Minister sich das Recht offen hielt, den drei Vorschlägen auch nicht zu folgen, wurde die Strategie eines von Beginn an offenen und inklusiven Prozesses suggeriert. Alle drei Positionspapiere empfahlen die Zentralisierung und Konzentration von Ressourcen beim Rektor als Führungsperson, was auf Kosten der bestehenden Gremien geht, während die externen Interessengruppen in der Regierung systematisch einbezogen werden.

Die Zentralisierung (sowohl des Hochschulwesens als auch auf der Ebene der jeweiligen Hochschule), die Politisierung und die Beeinträchtigungen der akademischen Autonomie bringen Gewinner und Verlierer im polnischen Hochschulwesen hervor. Die Rückkehr des öffentlichen Finanzmonopols ist eine starke Voraussetzung und ein Anreiz dafür, die Abhängigkeit von den öffentlichen Finanzen in eine Abhängigkeit von den öffentlichen Autoritäten zu überführen, was in einem so stark politisch instrumentalisierten System wie dem polnischen automatisch politische Abhängigkeit bedeutet. Die Hochschulreform führt eine nützliche Allianz zwischen der Politik (dem Ministerium und der regierenden Partei) und den Hochschulrektoren herbei, die zu den Protagonisten des Wandels werden. Die enge Kooperation der Parteiideologen mit den Verfechtern des Reformprogramms gilt es, durch das Prisma der Interessen der handelnden Rektoren zu betrachten: Diese Interessengruppe war in der Lage, Vorteile aus der Reforminitiative zu ziehen, und verwandelte ihre organisatorisch privilegierte Position in eine beträchtliche Machtkonzentration. Dies vollzog sich auf Kosten der etablierten akademischen Institutionen der demokratischen Interessengruppen.

Die akademische Demokratie (die Universität als Gemeinschaft von Wissenschaftlern), die ein deutliches Merkmal der postkommunistischen akademischen Institutionen in Polen war, wurde in eine »korporationistische Autokratie« konvertiert, in der Rektoren die dominante Position einnehmen. Bemerkenswert ist, dass die Rektoren, die in der Polnischen Rektorenkonferenz (Konferencja Rektorów Akademickich Szkół Polskich – KRASP) und anderen Gremien organisiert sind, einen starken organisatorischen Vorteil genießen, was ihnen gegenüber anderen, diffuseren Interessen in der Universität ermöglicht, bei der Erlangung ihrer Ziele relativ erfolgreich zu sein. Das Paradoxe ist, dass die Rektoren, die die Spitzenposition der universitären Elite besetzen, den Kern der bereits bestehenden universitären Strukturen repräsentieren: Revolutionäre Reformen durch diejenigen implementieren zu lassen, die an der Spitze des zu reformierenden Systems stehen, klingt unglaubwürdig, insbesondere wenn die Diagnose, die zu der Reform veranlasste, auf überkritischen Aussagen über die Qualität der Forschung und Lehre derjenigen Institutionen basiert, die von den betreffenden Rektoren jahrelang geleitet wurden.

Gleichzeitig führte die Stärkung der Autonomie der Rektoren zu der relativen Herabstufung der Interessen anderer Gruppenvertreter. Alle anderen Ebenen der Universitätshierarchie (Fakultäten, Institute, Lehrstühle und sogar einzelne Wissenschaftler) sind vom Rektor und dessen Interessen abhängiger geworden. Die Einführung eines so zentralisierten Systems war möglich, weil es keine Möglichkeit des Vetos aufseiten all der anderen, diffuser organisierten Interessenvertreter gab.

Trotz des langen Konsultationsprozesses weckte die Reform mit Blick auf den Geldfluss, die Standardisierung der Wissensinhalte, die neuen Formen administrativer Beaufsichtigung, die Einordnung in Parameter, die quantitative Evaluierung, die öffentlichen Rankings usw. beträchtliche Skepsis. Die Implementierung der Reform ist ein in Etappen verlaufender Prozess und je deutlicher die Konsequenzen der Reform werden, desto größer wird der Widerspruch. Die reformbegleitenden Konsultationen waren Pseudoberatungen in großem Stil, und alle darüber befragten Beteiligten – mit der bemerkenswerten Ausnahme der Rektoren – bestätigten die Oberflächlichkeit der Konsultationen [die Befragungen fanden im Rahmen eines Forschungsprojektes statt, siehe die Informationen am Ende des Textes auf Seite 6; Anm. d. Übers.]. Die Reform wurde vom Parlament unterstützt, die Konsultationen künstlich inszeniert und die Forderungen vieler akademischer Kreise ignoriert. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich die eher verstreuten Interessengruppen (z. B. Fakultäten, Universitätswissenschaftler) kollektiv mobilisieren, um die Implementierung der Reform zu untergraben oder zu sabotieren, und ob sie langfristig in der Lage sein werden, Polens lange Tradition der akademischen Selbstverwaltung und Demokratie wieder herzustellen.

Die Reform wurde aus weiteren Gründen kritisiert. Reformgegner forderten, dass die Repräsentationsfunktion in den Gremien, die die Universität leiten und verwalten, nicht vom guten Willen des Rektors abhängig sein darf. »Wir brauchen Autonomie für die Universitäten, nicht Autonomie für die Rektoren«, hieß es in den »Posener Thesen«, die Protestierende im Sommer 2018 aufgestellt haben. Die schärfste Kritik wurde jedoch an der Zentralisierung geübt. Diese manifestiert sich am deutlichsten in der Konzentration der Ressourcen in den wenigen großen Flaggschiff-Universitäten, was auf Kosten der zahlreichen kleineren Hochschulen geht.

Die Akkumulation von Ressourcen an ausgewählten Standorten weckt Assoziationen an den sogenannten Matthäus-Effekt – »Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat« (Mt.25,29). Hier kündigt sich eine Lähmung des Systems an und es wird kaum möglich sein, die oligarchischen Strukturen zu durchbrechen. Mit Blick auf die Qualität der Wissenschaft ist diese Situation kontraproduktiv. Die Hochschulreform zielte darauf, die polnische Hochschullandschaft in Forschungsuniversitäten und ein stärker elitäres Modell zu verwandeln. Paradoxerweise dienten die populistischen anti-elitären Parolen als Mittel, die breite Öffentlichkeit von der Notwendigkeit der Reform zu überzeugen, wobei die Konzentration von Ressourcen in der Hand einiger weniger Institutionen ein noch elitäreres System erschafft, in dem qualitativ hochwertige Ausbildung nur für wenige zugänglich ist.

Das Hochschulsystem in ein stärker staatlich-zentralistisches Modell zu überführen, erinnert an die kommunistische Vorgehensweise vor 1989. Die Konzentration der Ressourcen im Prozess der Zentralisierung läuft Gefahr, die Mehrheit der polnischen Hochschulen an den Rand zu drängen. Es garantiert auch nicht bessere Leistungen derjenigen wenigen großen Universitäten, die die konzertierten Mittel bewirtschaften. Die bisherige Anhäufung von Forschungsfonds brachte keinen wissenschaftlichen Output, der international beachtet worden wäre. Sie mündete vielmehr in einer höheren Anzahl von qualitativ minderwertigen Publikationen, die in lokalen Verlagen erscheinen.

In der Praxis erwiesen sich die regelmäßigen Evaluierungen des wissenschaftlichen Personals anhand der bibliometrischen Indikatoren und anderer Standards nicht als Wettbewerbsmechanismus, der bessere Leistungen aktiviert hätte. Die kulturelle Norm der »Loyalität gegenüber der eigenen Universität« verhindert eine auf dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage basierende Wanderbewegung des wissenschaftlichen Personals. Es gibt keinen freien Arbeitsmarkt in der Universitätslandschaft, der Personalaufbau wird von der Logik einer fest geschlossenen Wissenschaftler-Community bestimmt, die weit entfernt ist von tatsächlichem Wettbewerb. Hinzu kommt, dass die relativ niedrigen Gehälter des öffentlichen Sektors auf die »besten Köpfe« nicht gerade motivierend wirken, an der Universität zu bleiben, insbesondere angesichts der niedrigen Arbeitslosenquote und besseren Marktchancen außerhalb des Hochschulsystems. Als eine Folge davon ist die »Verlegenheitsberufswahl« sowohl unter den älteren als auch den jüngeren Wissenschaftlern der Universitäten in Polen zu beobachten.

Zusammenfassung – im Schatten von Humboldt

Der polnische Fall ist von entscheidender Bedeutung, und zwar nicht nur mit Blick auf die Größe des Landes und die relativ große Anzahl der Studierenden, das heißt den relativ großen akademischen Sektor. Polen war für die anderen Länder in Ostmitteleuropa in vielerlei Hinsicht ein Vorbild bei der Transformation im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereich. Aktuell ist es ein wesentlicher Bestandteil des illiberalen Wandels, der in der postkommunistischen Welt vonstattengeht. Die eingeleiteten Veränderungen im akademischen Sektor müssen außerdem in den größeren Kontext der Reformen und Deformationen gesehen werden, die in Polen seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch die PiS im Jahr 2015 eingeleitet wurden. Die Anti-Eliten-Rhetorik, die in der zurzeit dominierenden populistischen Politik praktiziert wird, dient der Delegitimation von Richtern, Professoren und anderen Angehörigen der sogenannten Ober- oder oberen Mittelschicht. Die geschürte revolutionäre Stimmung im Land hilft dabei, die Eliten in vielen Bereichen, einschließlich der universitären Welt, auszutauschen. Der Austausch der Eliten wird auch als Möglichkeit verstanden, jüngere Wissenschaftler zu fördern – in der Praxis trat zutage, dass diese häufig politisch »gut vernetzt« sind.

Wenn eine Regierung nicht unterschiedliche Standpunkte, Offenheit, das freie Denken und intellektuell unabhängige Individuen toleriert, wird sie sich immer im Konflikt mit der autonomen Universität befinden. So hat auch die sich zunehmend autoritär gebärdende PiS-Regierung ein Problem mit der Universität. Bereits im Jahr 2005, als die PiS zum ersten Mal die Regierung führte, war der Kampf gegen die »alten Eliten« ein Bestandteil der praktizierten »De-Kommunisierung« und schlug sich im Lustrationsgesetz nieder.

Die ab dem Jahr 2018 eingeführten Veränderungen im Hochschulwesen bedeuten auch das Ende der Universität als die Form der »Gelehrtenrepublik«, die wir bisher kannten. Anstelle der Humboldtschen Tradition der universitären Freiheit und Unabhängigkeit werden feudale Beziehungen in hierarchischen Strukturen wieder eingeführt. Zentralisierung ist das Schlüsselwort der Reform und äußert sich als Konzentration von Ressourcen in einigen wenigen Flaggschiff-Universitäten sowie als Konzentration von mehr Macht in der Hand der Rektoren und des Ministers.

Die Reformen des Ministeriums für Wissenschaft und Hochschulwesen vernichten die Autonomie und infolgedessen potentiell auch die akademische Freiheit der polnischen Hochschulen. Mit fortschreitender Zentralisierung, zunehmenden Abhängigkeiten von politischen Entscheidungsträgern und der Veränderung der universitären Verwaltungsstrukturen fügt sich die Hochschulreform in eine Reihe politischer Entscheidungen der PiS-Regierung ein, die als Ende des Liberalismus deklariert werden. Da die Standards der liberalen Demokratie und der liberalen Werte auch in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens in Frage gestellt und verletzt werden, kann die Reform des Hochschulwesens aus dem Jahr 2018 als einer der Bausteine der in der Breite wahrnehmbaren Tendenz betrachtet werden, dass in Polen zunehmend autoritäre Lösungen durchgesetzt werden.

Übersetzung aus dem Englischen: Silke Plate

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