Möglichkeiten einer deutsch-polnisch-tschechischen Zusammenarbeit

Von Martin Svárovský (European Values Center for Security Policy, Prag)

Kommentar

Aus Anlass des 30. Jahrestages des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages hat die Redaktion der Polen-Analysen um einen Kommentar zu den deutsch-polnischen Beziehungen aus tschechischer Sicht gebeten.


Polen spielt in den außenpolitischen Beziehungen Deutschlands eine wichtigere Rolle als die Tschechische Republik. Dies wurde gleich nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems deutlich, als Polen den Verhandlungen des Zwei-plus-Vier-Vertrages (»Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland«) beiwohnte. Die Bedeutung Polens wurde auch im Vorfeld der EU-Beitrittsverhandlungen klar, als unterschiedlich eng gefasste EU-Erweiterungen abgewägt wurden. Zu den am besten vorbereiteten Ländern wurden die Tschechische Republik, Slowenien und die baltischen Staaten gezählt. Deutschland machte – was irgendwie logisch war – deutlich, dass es eine erste EU-Erweiterung entweder mit Polen geben werde oder überhaupt keine.

Die Ostpolitik der Europäischen Union

Die Kooperation mit Polen im Rahmen der europäischen Ostpolitik war sogar in den deutschen Koalitionsvereinbarungen verankert. Auf der anderen Seite ist die deutsche historische Bürde gegenüber Polen größer als gegenüber Tschechien. Tschechien hat zudem bessere politische Beziehungen auf der regionalen Ebene aufgebaut, zum Beispiel zu Sachsen oder Bayern.

All dies sollte aber nicht als Wettbewerb eingeordnet werden. Im Gegenteil, die Möglichkeiten wechselseitiger tschechisch-polnischer Synergien und Bemühungen zur Entwicklung einer intensiven Kooperation zwischen Polen, Deutschland und der Tschechischen Republik sollten genutzt werden. Die Tschechische Republik und Polen teilen mit Deutschland zwar nicht denselben Ansatz, was Osteuropa betrifft. Wenn die Tschechen und Polen aber die Östliche Partnerschaft am Laufen halten wollen, ist Deutschland unverzichtbar. Abgesehen von Expertise, dem Aufbau von Institutionen, Flaggschiff-Initiativen und der beharrlichen Vertretung des Standpunktes, dass das Konzept der Östlichen Partnerschaft für die gesamte EU attraktiv ist, ist es nichts weniger als Geld, das zählt. Die Tschechische Republik und Polen waren beide Befürworter eines größeren Anteils von EU-Mitteln für die Programme der Östlichen Partnerschaft. Ohne die Unterstützung Deutschlands können wir die Rolle des Befürworters nicht spielen. Große Länder wie die Ukraine brauchen ebenfalls enorme ausländische Investitionen. Die Tausenden von deutschen Unternehmen, die in der Ukraine investieren, spielen eine entscheidende Rolle. In einigen Bereichen wie beispielsweise im Gesundheitswesen sind deutsche Investitionen eine wesentliche Vorbedingung für Erfolg.

Ein wichtiger Indikator für die Bedeutung der deutsch-polnischen Kooperation im Bereich der europäischen Ostpolitik war, inwieweit Polen als gleichberechtigter Partner im französisch-deutsch-polnischen Format akzeptiert wurde. Genau das stand hinter der polnischen Strategie, im Tausch für die »Erwärmung« der deutsch-russischen Beziehungen (2008–2011) zu erreichen, dass das Weimarer Dreieck der entscheidende Akteur für die Gestaltung der europäischen Politik gegenüber Russland sei. Ein polnischer Erfolg in diesem Bemühen wäre im Interesse der Visgrád-Gruppe und der baltischen Staaten. Doch schlug die Strategie mehrmals fehl, nicht zuletzt wegen des französischen Widerstands. Die Einrichtung des Normandie-Formats (Deutschland, Frankreich, Russland, Ukraine) ohne Polen war für diese Strategie ein großer Dämpfer.

Sicherheit und Verteidigung

Trotz Diskrepanzen auf der politischen Ebene nimmt Deutschland eine solide Position in Sachen Sicherheit und Verteidigung an der NATO-Ostflanke ein. Die »Battlegroup« der Enhanced Forward Presence (EFP) in Litauen wird von Deutschland als einer Rahmennation geführt. In Friedenszeiten trainieren die multinationalen NATO-Gefechtsverbände zusammen mit den litauischen Streitkräften. Deutschland gehört zusammen mit den USA, dem Vereinigten Königreich, Schweden, Belgien, Norwegen und Israel zu den größten militärischen Unterstützern in den baltischen Staaten.

Tschechen und Polen mussten die Tatsache akzeptieren, dass sich die deutsche oder französische Gefahreneinschätzung von derjenigen der Länder an der NATO-Ostflanke mit einer Grenze zu Russland unterscheidet. Einer der Gründe ist, dass Russland sie nicht in derselben Weise bedroht. Ein weiterer Grund ist, dass die Gefahreneinschätzung nicht nur auf der Einschätzung der Gefährlichkeit des Gegners beruht, sondern auch die Einschätzung der eigenen Stärke miteinbezieht. Aufgrund der deutlich unterschiedlichen Gefahreneinschätzung können Tschechen und Polen mit Blick auf die Widerstandskraft an der NATO-Ostflanke in erster Linie an die europäische Solidarität appellieren. Solidarität ist dabei keine Einbahnstraße – gleichzeitig müssen sich die Staaten an der NATO-Ostflanke solidarisch mit der westeuropäischen NATO- oder der EU-Agenda zeigen. Nur das berechtigt sie, Gegenseitigkeit zu fordern. Es war daher ein strategischer Fehler der Visegrád-Staaten, die Flüchtlingsquote der Europäischen Union abzulehnen.

Die Abschreckungsstrategie der NATO muss der Vollständigkeit halber auch eine robuste Follow-on Force umfassen, die zum Bereitschafts- und Mobilitätspotential der NATO gehört. Das Rahmennationenkonzept (Framework Nation ConceptFNC) kann Teil der Lösung sein. Das FNC demonstriert, dass sich Deutschland entschieden hat, mehr Verantwortung für den europäischen Teil der NATO zu übernehmen. Deutschland, der zweitgrößte Akteur bei NATO-Auslandsmissionen und -operationen, stellt Kräfte und Strukturen für Fähigkeitscluster bereit und engagiert sich bei der Vorbereitung von Follow-on-Forces innerhalb des Rahmennationenkonzepts. Die Stärkung der europäischen Ambitionen der NATO liegt im strategischen Interesse Polens und der Tschechischen Republik.

Das Potential des Rahmennationenkonzepts zur Verbesserung der Interoperabilität der deutschen, tschechischen und polnischen Streitkräfte sollte weiterentwickelt werden. Es gibt bereits direkte Kooperationen zwischen deutschen und tschechischen sowie deutschen und polnischen Kampfeinheiten. Polnische Soldaten trainieren mit ihren deutschen Kollegen im Rahmen von NATO-Übungen und solche Kooperationen werden auch auf bilateraler Ebene ins Auge gefasst.

Die Haushaltsdisziplin der EU

Bei den Verhandlungen über den mehrjährigen EU-Finanzrahmen spielt Polen heute die wichtigste Rolle unter den »neuen« EU-Mitgliedsländern. Dies ist der einzige Bereich, in dem ich divergierende Interessen in Tschechien und Polen sehe. Die Tschechische Republik, eine entwickelte Industrienation, sollte kein Mitglied der von Polen angeführten Gruppe der »Kohäsionsfanatiker« mehr sein.

In der näheren Zukunft der Europäischen Union sind keine Reformen zu erwarten, die Änderungen in den Verträgen erfordern würden. Für die Tschechische Republik und Polen ist es nicht entscheidend, dass Armin Laschet stärker auf ein föderales Europa ausgerichtet ist als Markus Söder. Wesentlicher ist die Haltung der beiden zur europäischen Wirtschaftspolitik. Wer von den beiden wird der Nachfolger der politischen Linie von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, also Haushaltsdisziplin und Investitionen in Technologien als Wachstumsquelle für die europäische Wirtschaft? Wer, auf der anderen Seite, wird mehr zum franco-sozialistischen Konzept der massiven Finanzspritzen für die europäische Wirtschaft tendieren? Was den Euro oder die Zukunft der Eurozone betrifft, stimmen die polnischen und tschechischen Interessen mit den deutschen überein. Es liegt in unserem Interesse, dass Deutschland keine Vergemeinschaftung der Schulden unterstützt. Das würde eine Zukunft in der Eurozone sowohl für Polen als auch für Tschechien unmöglich machen.

Übersetzung aus dem Englischen: Silke Plate

Über den Autor

Martin Svárovský ist Leiter des Security Strategies Program beim Thinktank European Values Center for Security Policy, Prag (Tschechien) sowie Berater des Vorsitzenden des Ausschusses für Europäische Angelegenheiten im tschechischen Parlament.

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Analyse

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Von Elżbieta Opiłowska
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