Deutsch-polnischer Aktionsplan (Juli 2024)

Mit einem gemeinsamen Aktionsplan haben die deutsche und die polnische Regierung konkrete Initiativen und Projekte benannt, durch die die Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland gestärkt werden soll.

Präambel

[…]

Gemeinsam haben wir das Ziel, überzeugende Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu finden und unsere europäische Zukunft zu gestalten, ohne dabei die Vergangenheit zu vergessen. Wir sind uns bewusst, dass Erinnerung und Aussöhnung in den deutsch-polnischen Beziehungen ihren festen Platz haben müssen. Aussöhnung ist ein Prozess, der keinen Schlussstrich erlaubt. Er wird an die nächste Generation weitergegeben und stets aufs Neue erfahren.

Die Regierungen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland sind fest entschlossen, durch konkretes Handeln die Erwartungen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen und haben sich daher bei den diesjährigen Regierungskonsultationen am 2. Juli 2024 in Warschau auf den folgenden Aktionsplan geeinigt, in dem die Ausrichtung unserer Zusammenarbeit niedergelegt ist und der ein ganzes Bündel neuer Initiativen und Projekte umfasst.

Zusammenarbeit in bilateralen Angelegenheiten

[…]

Die Rolle der Geschichte

Die Vergangenheit spielt für die deutsch-polnischen Beziehungen eine besondere Rolle. Der Zweite Weltkrieg und die Untaten und Verbrechen, die die deutschen Aggressoren in der NS-Zeit an Polinnen und Polen begangen haben, sind im historischen Gedächtnis noch ausgesprochen präsent. Für viele Polinnen und Polen zählen diese Erinnerungen zur kollektiven Identität.

Die beiden Regierungen führen einen intensiven Dialog über Maßnahmen zur Unterstützung für die noch lebenden Opfer des deutschen Angriffs und der Besatzung in den Jahren 1939 bis 1945, des Gedenkens sowie der Sicherheit. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess wird die Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung spielen.

Vor diesem Hintergrund legen wir besonderen Wert auf die Gründung eines Deutsch-Polnischen Hauses im Zentrum Berlins zur Erinnerung an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs. Zudem legen wir besonderen Wert auf die schnellstmögliche Fertigstellung eines Projekts, das an einem zentralen Standort in Berlin in würdiger Weise an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnert. Im Rahmen des Deutsch-Polnischen Hauses sollte insbesondere ein Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung Polens von 1939 und 1945 errichtet werden. Dieses Denkmal wird durch einen informativen Teil in Form einer Dauerausstellung erweitert, die ein umfassendes Bild der deutschen Besatzung Polens zeichnet.

Wir erkennen die Anstrengungen und die jahrelange Arbeit an, die polnische und deutsche Fachleute und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in das Projekt eines deutsch-polnischen Geschichtsschulbuches mit dem Titel »Europa – Unsere Geschichte« investiert haben. Wir verpflichten uns, die breite Verwendung des Schulbuches als Unterrichtsmaterial in polnischen und deutschen Schulen zu fördern.

Wir arbeiten daran, die Zusammenarbeit in der Erinnerungspolitik zu stärken, unter anderem mit dem Europäischen Netzwerk Erinnerung und Solidarität (ENRS). Wir werden gemeinsam noch stärker darauf hinarbeiten, dass weitere europäische Länder sich am ENRS beteiligen.

Wir unterstützen die Zusammenarbeit der Staats- und Bundesarchive beider Länder, insbesondere der Staatlichen Archive Polens (Naczelna Dyrekcja Archiwów Państwowych) und des Bundesarchivs. Die verbesserte Zusammenarbeit kann die Recherche zu Sammlungen, die verschiedenen Möglichkeiten der beiderseitigen Nutzung von Ressourcen und digitalen Kopien, die Sicherung von Sammlungen und das Management einer modernen digitalen Dokumentation umfassen.

Die polnische Seite wird zu einer Konferenz der aktuell in Polen und Deutschland existierenden Museen und Gedenkstätten einladen, die an im Zweiten Weltkrieg verübte Verbrechen erinnern. Die Konferenz wird sich zu einer Plattform für Fachleute entwickeln, die dem Austausch von Erfahrungen beim Schutz und Management von Gedenkstätten dient (Dialog, Informationsaustausch, Zusammenarbeit, Erarbeitung von Programmen, Formulierung von Empfehlungen für die Zukunft entsprechender Einrichtungen und für ihre Organisatoren).

[…]

Quelle: Die Bundesregierung. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975244/2295276/b5e9e128f9d0909349fd9a57f04cbe69/2024-07-02-deu-pol-aktionsplan-de-data.pdf?download=1 (abgerufen am 09.10.2024).

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Analyse

Mühsamer Wiedereinzug der Demokratie – das erste Jahr der Regierung Tusk

Von Stefan Garsztecki
Ein knappes Jahr nach Übernahme der Regierungsverantwortung durch die Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska – KO) mit Ministerpräsident Donald Tusk und seinen Koalitionspartnern Die Linke (Lewica) und Dritter Weg (Trzecia Droga) sind die Umfragewerte für die aktuelle Regierung zwar gut, aber Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) liegt im September respektive im Oktober nur wenig hinter der KO. Ein Wahlsieg der Opposition ist also bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr nicht ausgeschlossen. Umso wichtiger wäre für die Regierung die Aufarbeitung der acht Regierungsjahre der PiS, der unter anderem die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, die Vereinnahmung der öffentlich-rechtlichen Medien und auf dem Feld der Außenpolitik die Isolierung Polens vorgeworfen wird. Ein Jahr nach Amtsantritt sind die Veränderungen im Bereich der Innenpolitik aber noch nicht sehr weit gediehen, da ohne einen Präsidenten aus dem eigenen Lager eine nachhaltige Umgestaltung schwerfällt. So bleibt es bisher vor allem bei parlamentarischen Untersuchungskommissionen und dem Abbau des PiS-Umfeldes in Medien und staatlichen Institutionen. (…)
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