Erste Session des Kongresses, Moskau, 19. März 2014
Wir, Vertreter der Intelligenzija Russlands, sind verpflichtet, die Regierung vor einem historischen Fehler zu warnen, der derzeit begangen wird, nämlich vor dem Bestreben, einen Teil eines unlängst noch brüderlichen Landes, der Ukraine, mit Hilfe von Streitkräften Russlands unter seine Kontrolle zu bringen. Der erste Schritt, eine Angliederung der Krim an Russland, ist bereits getan, das erste Blut bereits vergossen. Weitere Schritte auf diesem Weg wären mit einem Blutvergießen unvorhersagbaren Ausmaßes verbunden, mit einer Isolierung Russlands, mit einer Verwandlung des Landes zu einem Paria, und letztendlich zu einem Land der »Dritten Welt«, auf Jahrzehnte vom zivilisatorischen Weg abgekommen.
Heute, da die Mehrheit unserer Mitbürger in der unternommenen Aggression kein gefährliches Abenteuer sieht, und keine Vergewaltigung internationalen Rechts, sondern eine Rückkehr zum »Recht des Stärkeren«, der sich alles erlauben kann, ist es die Aufgabe denkender und aufrechter Menschen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, damit sich das Land nicht im Verlauf dieses grausamen Experiments selbst vernichte, wie es sich bereits während des kommunistischen Experiments fast vernichtet hat. Wir sind verpflichtet, uns nicht von einer monströsen Propaganda beeinflussen zu lassen, nicht in Hass gegen brüderliche und ferne Völker zu verfallen, keine Lügen zu wiederholen, nicht zu denunzieren, uns nicht an jenem unserem moralischen Niedergang zu ergötzen, der bereits zu einer patriotischen Ekstase geraten ist.
In den dramatischsten Momenten der Geschichte hat die Intelligenzija stets versucht, der Gesellschaft einen moralischen Bezugspunkt zurückzugeben, denn außerhalb von Moral gibt es keinen Staat, keine Politik, keine Wirtschaft.
Diese Aufgabe haben wir uns auch jetzt gestellt, da wir die unterschiedlichsten Menschen dazu aufrufen sich um die Idee einer friedlichen Regulierung der Konflikte sowohl mit der Ukraine als auch mit der Weltgemeinschaft zusammenzuschließen. Sich weniger dazu zusammenzuschließen, um gegen etwas anzugehen, sondern vielmehr dazu, um auf seinem für zu beharren: Für unser Heimatland, das nicht zum Aggressor werden soll und darf. Für denkende und selbständige Menschen, die zu Apostaten und Volksfeinden erklärt werden. Für einen Dialog mit der modernen Welt, die sich nicht anschickt, in vorhistorische Vergangenheit abzugleiten. Für das Schicksal unserer Kinder, die eine Injektion verantwortlicher Freiheit brauchen.
Die Probleme von Krieg und Frieden sind global, betreffen die ganze Welt, und wir hoffen auf die Unterstützung unserer Bewegung durch die Weltöffentlichkeit.
Wir rufen alle, denen die Entscheidung über Gegenwart und Zukunft nicht gleichgültig ist, dazu auf sich uns anzuschließen.
Ljudmila Alexejewa Menschenrechtlerin, Moskauer Helsinki-Gruppe
Lija Achedshakowa; Theater- und Filmschauspielerin, Volkskünstlerin Russlands
Alexandr Belawin, Physiker, korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften
Walerij Borschtschow, Menschenrechtler
Jelena Bukarjowa, Dr. habil., Biologin
Jurij Wdowin, Menschenrechtler, »Bürgerkontrolle«
Wladimir Wojnowitsch, Schriftsteller
Jelena Wolkowa, Philologin und Kulturwissenschaftlerin
Olga Gegijewa, Juristin
Swetlana Gannuschkina, Menschenrechtlerin, »Bürgerhilfe«
Leonid Gosman, »Stiftung Historische Perspektive«
Nina Karli, Schriftstellerin, Publizistin, Menschenrechtlerin
Sergej Kowaljow, Menschenrechtler, »Menschenrechtsinstitut«
Swetlana Lewi, Caritasschwester
Natalja Mawlewitsch, Literaturübersetzerin
Andrej Makarewitsch, Rockmusiker, Dichter, Sänger, Komponist
Jelena Marinitschewa, Übersetzerin
Alexandr Medjanik, Dichter, Übersetzer
Wladimir Mirsojew, Theater- und Filmregisseur, Drehbuchautor
Oksana Mysina, Schauspielerin, Regisseurin, Rocksängerin
Anna Oshiganowa, Dr., Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie und Anthropologie der Russischen Akademie der Wissenschaften
Alla Pokrowskaja, Volkskünstlerin Russlands, Professorin
Natalja Poljakowa, Schriftstellerin, Dichterin
Lew Ponomarjow, Menschenrechtler, Bewegung »Für die Menschenrechte«
Irina Prochorowa, Verlegerin
Jurij Rost, Journalist
Eldar Rjasanow, Filmregisseur, Drehbuchautor, Schauspieler, Dramaturg, Schriftstelle
Ilja Simanowskij, Physiker
Andrej Smirnow, Theater- und Filmschauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Volkskünstler Russlands
Lew Timofejew, Schriftsteller
Ljudmila Ulizkaja, Schriftstellerin
Natalja Fatejewa, Theater- und Filmschauspielerin
Übersetzung: Hartmut SchröderQuelle: <http://novayagazeta.livejournal.com/1721285.html>