Russische Infrastrukturprojekte auf der Krim – Zwischenbilanz

Von Julia Kusznir (Jacobs University Bremen)

Seit 2014 ist die annektierte Krim und damit auch Russland mit einer Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert, die die wirtschaftliche Entwicklung der Halbinsel stark hemmen. So ist die Krim zum Beispiel komplett vom ukrainischen Wassersystem abgeschnitten. Die Wasserknappheit hat vor allem für die regionale Landwirtschaft spürbare Folgen. Unter anderem musste der Anbau von Getreide stark eingeschränkt werden. Große Probleme gibt es bei der Trinkwasserversorgung der großen Industriestädte. Davon abgesehen kam es zu einer Energieblockade; dann wurden die Stromlieferungen der Ukraine auf die Halbinsel komplett eingestellt. Die Verkehrswege sind ebenfalls blockiert. Und auch die westlichen Wirtschaftssanktionen und die damit einhergehende wirtschaftliche Isolation spielen eine Rolle.

Zur Bewältigung dieser Probleme hat die russische Regierung im Jahr 2015 zahlreiche Infrastrukturprojekte entwickelt und ein umfangreiches soziales und wirtschaftliches Förderprogramm ausgearbeitet, das ursprünglich bis zum Jahr 2020 laufen sollte. Es umfasste mehr als 800 Bauprojekte, die die Halbinsel vor allem in Bezug auf die Wasser-, Strom- und Gasversorgung von ukraini­schen Lieferungen unabhängig machen und zu einer der wirtschaftlich dynamischsten Regionen Russlands machen sollten. Für die Zukunft ist geplant, dass die Infrastrukturprojekte durch neue Entwicklungsprojekte ergänzt werden, die die militärische Präsenz Russlands auf der Halbinsel stärken sollen.

Finanzierung der Infrastrukturprojekte

Zur Finanzierung der Infrastrukturprojekte wurden ursprünglich 681 Milliarden Rubel (zum damaligen Zeitpunkt etwa 9,5 Milliarden Euro) eingeplant. Im Laufe der Jahre hat sich der Finanzbedarf des Programms aufgrund steigender Bau- und Renovierungskosten aber kontinuierlich erhöht, sodass die Behörden die geplante Summe mehrfach nach oben korrigieren mussten. Außerdem dauerte die Umsetzung der Infrastrukturprojekte länger als geplant. Das führte dazu, dass die russische Regierung das Förderprogramm im September 2018 bis zum Jahr 2022 verlängern und die Gelder aus dem föderalen Haushalt erneut nach oben korrigieren musste (vgl. http://government.ru/orders/selection/405/33942/). Die Gesamtsumme der Fördermittel wurde nun auf 877,8 Milliarden Rubel (etwa 11,1 Milliarden Euro) festgesetzt. Im Januar 2019 wurde ein weiteres staatliches Förderprogramm »Sozioökonomische Entwicklung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol« ins Leben gerufen, das eine ausgewogene soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Halbinsel garantieren soll. Im Rahmen dieses Programms werden zwischen 2019 und 2022 zusätzlich noch weitere 309,5 Milliarden Rubel (etwa 4 Milliarden Euro) für regionale Projekte auf der Krim ausgegeben (vgl. http://government.ru/docs/35601/). Die Halbinsel gehört zu den am stärksten subventionierten Regionen Russlands. Im Jahr 2018 zum Beispiel machten die finanziellen Zuschüsse aus dem föderalen Haushalt laut Schätzung ca. 76 Prozent des regionalen Haushalts der Krim aus (vgl. http://business-crimea.com/2018/12/25/preodolet-dotacionnost/).

Realisierung der Infrastrukturprojekte

Welche Infrastrukturprojekte wurden bereits realisiert? Und inwiefern konnten die Schwierigkeiten mit der Wasser-, Strom- und Gasversorgung sowie den Verkehrswegen gelöst werden?

Um die Wasserversorgung sicherzustellen, wurden artesische Brunnen gebohrt, drei Wasserwerke gebaut und Stauseen in Betrieb genommen. Zusätzlich werden Wasserkanäle und Leitungen renoviert. Die russischen Behörden hoffen, dass die Krim durch diese Maßnahmen bis Ende 2019 ununterbrochen mit Wasser versorgt werden kann. Außerdem planen die Behörden, eine Wasserleitung vom russischen Festland durch die Straße von Kertsch zur Halbinsel zu verlegen.

Um die Stromversorgung der Krim zu gewährleis­ten, hat Russland 2014 bis 2016 die sogenannte »Energiebrücke« eingerichtet, die die Halbinsel ans russische Stromnetz anschließt. Sie umfasst unter anderem vier Seekabel von der Region Kras­nodar durch die Straße von Kertsch auf die Krim, mit einer Gesamtkapazität von 800 Megawatt. Zusätzlich hat Russland zahlreiche mobile Gasturbinenkraftwerke auf der Krim errichtet, um auch den Spitzenbedarf decken zu können. 2015 wurde mit dem Bau von zwei Wärme­kraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 940 Mega­watt begonnen; eines davon steht in Simferopol, das zweite in Sewastopol. Beide wurden am 18. März 2019 offiziell in Betrieb genommen.

Um den Erdgasbedarf der Krim zu decken, wurde im Dezember 2016 die 400 Kilo­meter lange Gaspipeline »Krasnodar–Krim« mit einer Jahreskapazität von bis zu vier Milliarden Kubikmetern in Betrieb genommen. Die Erdgasversorgung der Krim wurde dadurch erst einmal gesichert.

Um Flüge auf die Krim attraktiver zu machen, hat die russische Regierung Steuervergünstigungen ein­geführt und den Flughafen Simferopol in das staatli­che Programm zur Subventionierung des Regionalver­kehrs mit aufgenommen. 2018 ging ein neues Terminal am Flughafen Simferopol in Betrieb, das die Abfertigung von 6,5 Millio­nen Passagieren pro Jahr möglich machen soll. Auch mit der Auto- und Eisenbahnbrücke von 19 Kilo­metern Länge über die Straße von Kertsch (soge­nannte Krimbrücke) soll das Anbindungsproblem langfristige gelöst werden. Die Brücke wurde im Mai 2018 für PKW und Busse offiziell eröffnet. Die Eisenbahnbrücke soll Ende 2019 in Betrieb genommen werden.

Zu den wichti­gen Infrastrukturprojekten im Bereich Verkehr gehört auch der Bau der über 250 Kilometer langen, vierspu­rigen Autobahn »Tawrida«. Sie soll ab Ende 2020 die Stadt Kertsch mit Simferopol und Sewastopol verbin­den. Die Kosten wurden ursprünglich auf 85 Milliarden Rubel, Ende 2018 bereits auf 149,3 Milli­arden Rubel (etwa 2 Milliarden Euro) geschätzt (vgl. https://www.interfax.ru/russia/644544).

Schwierigkeiten bei der Umsetzung

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Infrastruktur auf der Krim in den letzten fünf Jahren durch die Investitionen aus Russland wesent­lich verändert hat. Die drängendsten Probleme der Energieversorgung wurden bewältigt. Für alle Bereiche der Infrastruktur wurden langfristige Lösungs­ansätze entwickelt. Die Situation ist allerdings in vielen Bereichen pre­kär. Die westlichen Sanktionen und fallende Ölpreise auf dem Weltmarkt machen es der russischen Regierung schwer, die Staatseinnahmen auf dem notwendigen Niveau aufrechtzuerhalten und die Infrastrukturpro­jekte auf der Krim weiter problemlos zu finanzieren. Es wird dringend nach neuen Finanzierungsquellen gesucht. Die staatlichen Haushaltspläne werden überarbeitet und andere regionale Förderprogramme zugunsten der Krim gekürzt oder gestrichen. Außerdem schränken die westlichen und ukrainischen Sanktionen sowohl die Investitionen und technische Ausstattung als auch den Flug- und Schiffs­verkehr drastisch ein. Gleichzeitig bestehen weiterhin Konflikte mit der Ukraine, insbesondere im Zusammenhang mit der Erdgasindustrie und den Erdgasvorkommen.

Außerdem beklagen die russischen Behörden Miss­wirtschaft und Inkompetenz der regionalen Verwal­tung bei der Verwendung der föderalen Fördermit­tel. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Skandale aufgedeckt: Unterschlagung födera­ler Gelder und Korruption. Laut Medienberich­ten sind diese Probleme auch nicht schnell zu lösen, da es nach der Annexion zur keinem Austausch der Eli­ten in den regionalen Machtstrukturen kam. Die alten Kader, ihre Clans und Familienangehörige, die an den Projekten beteiligt sind, unterstützen sich gegenseitig. Zur Bekämpfung der Korruption und zur Erhöhung der Effizienz der regionalen Verwaltung wurden Beamte aus der föderalen Verwaltung eingestellt. Außerdem wurde 2016 eine besondere Kommission für die Verwaltung des Förderprogramms ins Leben gerufen.

Ein weiteres Problem sind die langfristigen Kosten der Infrastrukturprojekte. Die russische Regierung versucht, russische Unternehmen für Investitionen in die Infra­strukturprojekte zu gewinnen. 2015 wurden eine freie Wirtschaftszone auf der Halbinsel geschaffen und Steu­ervergünstigungen eingeführt. Die Unternehmen hat­ten es wegen der westlichen Sanktionen und der feh­lenden institutionellen Rahmenbedingungen aber nicht eilig, sich an den Infrastrukturprojekten zu beteiligen. Damit bleiben die Projekte auch zukünftig eine hohe Belastung für den Staatshaushalt.

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