Kommentar von Wladimir Putin zu Memorial bei der gemeinsamen Sitzung des Präsidenten mit dem Menschenrechtsrat am 09.12.2021

Im »nichtöffentlichen« Teil der Sitzung fragte der Journalist Nikolaj Swanidse Putin über die Gerichtsverhandlungen in Bezug auf Memorial International und das Menschenrechtszentrum Memorial. Der Präsident antwortete, dass er diesbezüglich zusätzliche Materialen angefordert habe und merkte an, dass der Gerichtsprozess über die Auflösung noch nicht abgeschlossen sei: »Natürlich habe ich zur Kenntnis genommen, was hinsichtlich Memorial in den Medien berichtet wurde. Und ich habe natürlich darum gebeten, mir zusätzliche Materialien zur Verfügung zu stellen, um mir ein Bild vom Geschehen zu machen«, sagte Putin (Zitat nach RIA Nowosti, https://ria.ru/20211209/putin-1763033539.html).

»Hinsichtlich der internationalen Organisationen, die Memorial zu verteidigen versucht: Diese sind bei uns in das Verzeichnis der terroristischen und extremistischen Organisationen aufgenommen worden. Das ist natürlich eine Frage, die weiterer Untersuchungen bedarf«, erklärte Putin und erwähnte insbesondere Hizb ut-Tahrir. Dokumente belegten laut Putin, dass die Organisation [Memorial, Anm. d. Redaktion] mehrfach demonstrativ Gesetzesverstöße begangen habe.

Dabei unterstrich der Präsident aber auch, dass er der Organisation [Memorial, Anm. d. Redaktion] Achtung entgegenbringe. Aus dem für ihn eigens für die Sitzung erstellten Bericht [derartige Berichte werden von der Präsidialverwaltung oder den Geheimdiensten erstellt, Anm. der Redaktion] las Putin einen Befund vor, demzufolge »einige Personen« von Memorial als Opfer politischer Repressionen deklariert worden wären, die »nach Erkenntnissen israelischer Fachleute« den Nazis gedient hätten.

Anmerkung

Memorial International merkt in einer Stellungnahme vom 13. Dezember 2021 (https://www.memo.ru/ru-ru/memorial/departments/intermemorial/news/649) an, dass eine Datenbank mit Millionen von Einträgen (https://base.memo.ru/) Fehler enthalten kann. Die Personen, die Putin bei der gemeinsamen Sitzung mit dem Menschenrechtsrat als Nazikollaborateure bezeichnete, wurden von Memorial schon am 27. August 2021 aus der Opfer-Datenbank gelöscht. Memorial bedauert, dass sich Putin aus Sekundärquellen bedient, anstatt sich direkt an Memorial zu wenden. Ein Grund für die Fehleranfälligkeit der Datenbank ist auch, dass immer noch der Zugang zu umfangreichen Archivbeständen fehlt.

Quelle: Ausschnitt aus »Wideokonferenzija Putina s tschlenami SPTsch. Glawnoe« (»Videokonferenz von Putin mit den Mitgliedern des Menschenrechtsrates. Das Wichtigste«), Nowaja Gaseta, 09. Dezember 2021,https://novayagazeta.ru/articles/2021/12/09/videokonferentsiia-putina-s-chlenami-spch-glavnoe.

Zum Weiterlesen

Analyse

Miliz + Polizei = Pilizei? Medwedews Ansätze zu einer Reform von Innenministerium und Miliz

Von Hans-Henning Schröder
Im Kontext seiner Modernisierungskampagne hat Präsident Dmitrij Medwedew Ende 2009 eine Reform des Innenministeriums (MWD) und der Miliz eingeleitet, die in Russland breit diskutiert wird. Er fordert eine Reorganisation der ineffizienten Behörden, die in der Öffentlichkeit nur geringes Ansehen genießen. Ein neues Polizeigesetz, das im August 2010 im Internet zur Diskussion gestellt wurde, soll Grundlage für eine durchgreifende Reform sein, die Innenbehörden und Polizei effizienter und bürgerfreundlicher machen sollen. Bisher ist unklar, wie dies durchgesetzt werden soll. Ein Grundproblem bleibt, dass Staatsanwaltschaft und Inlandsgeheimdienst FSB in die Reform nicht einbezogen wurden. (…)
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