Einführung
Die »Junarmija« (»Junaja armija«; dt.: »Junge Armee«) beging am 28. Mai 2022 den sechsten Jahrestag ihrer Gründung. Nikita Nagornyj sandte seine Glückwünsche an die jungen Mitglieder, wobei er sagte: »Auf euren Schultern liegt eine äußerst wichtigte Aufgabe, nämlich die Traditionen der patriotischen Erziehung zu bewahren und zu mehren. Ich wünsche euch, dass ihr neugierig seid, dass ihr in eurem Bereich zu Profis werdet, dass ihr euch um eure Familien kümmert und sie liebt wie auch alles [um euch] herum. Bewahrt die Natur, seid unserem Vaterland von Nutzen. Das nämlich ist echter Patriotismus.« (Junarmija 2022e). Die »Junarmija« ist eine von vielen patriotischen Organisationen, die in Russland für junge Menschen gegründet wurden. Sie wurde 2016 vom russischen Staat unter der Federführung von Verteidigungsminister Sergej Schojgu gegründet, und zwar im Rahmen des staatlichen Projekts »Patriotische Erziehung für Bürger der Russischen Föderation in den Jahren 2016 bis 2020«. Die Organisation bietet Aktivitäten in militärischem Stil an, beispielsweise Märsche, das Auseinander- und Zusammenbauen von Waffen oder die Beteiligung an militärischen Gedenkveranstaltungen (siehe Koshkin et al., 2020, S. 391; Kerntopf 2016, S. 4; Junarmija, 2023). Die Organisation richtet sich an Kinder und Jugendliche von 8 bis 18 Jahren, ist laut eigenen Angaben in »89 Föderationssubjekten« (also sowohl in international anerkannten Regionen Russlands als auch in annektierten Territorien, die ukrainisches Staatsgebiet sind, Anm. d. Redaktion) vertreten und hat gegenwärtig 1,4 Millionen junge Mitglieder. Sie ist außerhalb des russischen Bildungssystems angesiedelt, lehnt sich aber an dieses an und bietet ihre Aktivitäten als Ergänzung zum Lehrplan an. Diese sind zwar nicht obligatorisch, berühren aber die breiteren Narrative des russischen Staates und werden hinsichtlich der Sozialisierung kommenden Generation des Landes genauso wertgeschätzt wie das formale Bildungsangebot. Die Organisation stellt im Kern tatsächlich eine »junge Armee« dar und vermittelt eine sehr spezifische Linie des Patriotismus, die über das ursprüngliche Ziel des Staates hinausgeht, der bei Jugendlichen die Liebe zum Heimatland fördern will. Die Junarmija strebt an, dass junge Russ:innen gewillt sein sollen, sich auch für das Heimatland zu opfern (s.: Viroli, 1995, S. 1 und Anderson zit. nach: Goode, 2018, S. 259).
Opferung und Hingabe für den Staat können auf verschiedene Weise definiert werden, wobei viele Jugendorganisationen wie die »Wolontjory Pobedy« (dt.: »Freiwillige des Sieges«) oder die »Molodaja Gwardija« (dt.: »Junge Garde«) besondere Zwecke verfolgen. Zwar werden nicht alle Mitglieder von »Junarmija« eine militärische Karriere einschlagen, doch werden viele Beteiligte gut für den Wehrdienst gerüstet sein, wenn sie die Organisation verlassen. Das Opfer von Mitgliedern der »Junarmija« für den Staat besteht weitestgehend darin, sich den russischen Streitkräften anzuschließen und in den Krieg zu ziehen. Andere Organisationen werden eher eine Rolle übernehmen, die den Staat unterstützt. Deren Mitglieder mögen zwar nicht physisch auf den Armeedienst vorbereitet werden, doch bringt man sie zu einer Unterstützung der staatlichen Ziele. Es ist dann offen, ob sich das nun letzten Endes in einem Wehrdienst manifestiert, in Aktivitäten wie Spendensammlungen für das Militär oder diskursiver Unterstützung für die militärischen Ziele des Staates. Worin auch immer der zentrale Zweck einer Organisation besteht, der Staat bildet die Mitglieder über körperliche Ertüchtigung und Indoktrination aus. Damit soll eine Anerkennung einer führenden Stellung des Militärs in der Gesellschaft und der Glaube gestärkt werden, dass ein starkes Militär der Sicherheit Russlands dient. Zudem soll über eine umfassende militärische und patriotische Erziehung der Glaube gefestigt werden, dass ein starkes Militär unabdingbar für die Sicherheit Russlands ist. Da dieses System der militärischen und patriotischen Erziehung sehr umfassend ist, haben Schüler:innen nur wenig Raum, alternative Narrative oder Einstellungen zu erkunden.
Welche Ideologie wird im russischen Bildungssystem indoktriniert?
Die erwähnte aufopfernde »Vaterlandsliebe« wird über Russlands Bildungssystem vermittelt, das als wirksames Instrument zur Indoktrinierung der zentralen Werte und Ideale des Kreml bekannt ist. Indoktrinierung wird in dieser Analye in Anlehnung an Robert Sutherlands Studie von 1985 über Jugendliteratur verstanden. Die hat aufgezeigt, wie staatliche Ideologie in sowjetrussische Jugendliteratur eingewoben war und dadurch deren Elemente und Überzeugungen kommenden sowjetischen Generationen vermittelt werden sollten. Die Autorin hat Sutherlands Systematik zur Identifizierung indoktrinierender Elemente in der Literatur an russische Schulbücher angelegt (siehe Edwards 2021a) und herausgefunden, dass in russischen Geschichtslehrbüchern seit den 1990er Jahren Ideologien präsent waren, die sich insbesondere auf militarisierten Patriotismus beziehen. Dabei wird deutlich, dass das Bildungswesen eindeutig als Forum eingesetzt wird, um jungen Menschen Patriotismus einzuträufeln. Nicht nur in der Ära Putin, sondern schon in der Amtszeit Jelzins und davor waren (sowjet-)russische Geschichtslehrbücher und der Unterricht so aufgebaut, dass sie sich um militärische Unternehmungen und Kämpfe Russlands drehen, die letztendlich in Siegen mündeten. Putin hat diesem Patriotismus und dem militärischen Ruhm lediglich ein neues Framing gegeben, indem sie als zentrales Ziel des russischen Staates hingestellt werden. Der Einsatz von Erziehung zur Indoktrinierung ist gewiss kein neues Phänomen in Russland, und auch nicht anderswo (siehe Mathers and Edwards 2022). Indoktrination ist am häufigsten in der politischen Bildung zu beobachten, die ja von Natur aus dazu dient, den Adressaten bestimmte Ideale und Werte über Staat und Nation zu vermitteln.
Studien zu Indoktrinierung im Unterricht sind auch in asiatischen Ländern und in Nordamerika verbreitet. Hier argumentieren Wissenschaftler:innen, dass Indoktrinierung nicht als Vermittlung von Werten in Erscheinung tritt, die für die Nation zentral sind, sondern als Botschaft und Anerziehung für Schüler:innen, damit diese das Vorgehen des Staates einhellig anerkennen. Andernfalls würden sie als unpatriotisch erachtet (siehe Yan Wing Leung 2004, S. 117).
Militaristischer Patriotismus ist seit Jahrhunderten eine der Hauptideologien des russischen Staates. Er war schon zu Zeiten Peters I. (1672–1725) präsent. Da reicht es schlichtweg nicht, Liebe für das eigene Land zu empfinden, man soll sich auch dafür opfern. Den jungen Menschen in Russland wird bereits sehr früh in ihrem Leben gesagt, dass es für sie Situationen geben wird, wo sie Russland militärisch verteidigen müssen. Der Staat entwickelt spezielle Seminare für junge Menschen, bei denen es das Ziel war, die Persönlichkeit von Mitgliedern der »Junarmija« weiterzuentwickeln, unter anderem als Verteidiger:in (s.: Yunarmiya 2022d). Dieser vorgefasste Glaube, dass die Jugend auf Russlands nächsten Krieg vorbereitet sein müsse, entstammt der in der russischen Gesellschaft prominenten Vorstellung von einer belagerten Festung. Die Mentalität der belagerten Festung, die eine Weltsicht unterstützt, der zufolge Russland ein verwundbares Land ist, das von feindlichen Nachbarn umgeben ist, kann sicherlich nicht allein als Merkmal der Ära des Putin-Regimes gelten (siehe Edwards 2021b, S. 312).
Militärische und patriotische Erziehung in Russland
Die Förderung eines umfassenden patriotischen Erziehungsprogramms in Russland ist seit langem ein Ziel des russischen Präsident Wladimir Putin gewesen. Unter Putin sind einige beträchtliche Veränderungen am russischen Bildungssystem vorgenommen worden, seit er 1999 Präsident wurde. Die russische Regierung begann 2001 mit der Finanzierung einer Initiative zur patriotischen Erziehung, die darauf abzielte, Menschen auf den Staatsdienst vorzubereiten, und zwar zu Friedens- wie zu Kriegszeiten (siehe Goode 2016, S. 1; Khodzhaeva et al. 2017, S. 2). Seit 2001 ist die Geschichtsbildung ein Bereich, dem Putin besondere Aufmerksamkeit widmet. Er setzte Kommissionen ein und legte Projekte auf, um das, was er als wahre Vergangenheit Russlands betrachtet, gegenüber jenen zu verteidigen, die die Geschichte verzerren wollen. Hierzu zählt eine Initiative zur Einführung eines Schulbuches, das eine eindimensionale, einheitliche Fassung der nationalen Geschichte Russlands vermitteln soll, die frei von Widersprüchen ist (siehe Brandenberger 2015, S. 192; Laruelle 2011). 2013, im Vorfeld der Annexion der Krim, erneuerte der russische Staat sein Bestreben, ein einheitliches Schulbuch für den Geschichtsunterricht einzuführen. Als Begründung für dieses Buch führte der russische Staat viele Diskurselemente an, die heute im Kontext des Krieges gegen die Ukraine verwendet werden. Das gilt vor allem für die These, der Westen würde versuchen, die Geschichte Russlands umzuschreiben. Die Verfassungsänderungen, die 2020 vorgenommen wurden, umfassten auch eine Bestimmung zur »historischen Wahrheit«, die Putins Botschaft bekräftigt und ihr Rechtskraft verleiht. Sie lautet: »Die Russische Föderation ehrt das Gedenken an die Verteidiger des Vaterlandes und gewährleistet den Schutz der historischen Wahrheit. Eine Schmälerung der Bedeutung der Heldentat des Volkes bei der Verteidigung des Vaterlandes ist nicht zulässig.« (Art. 67.1, Abs. 3, Verfassung der Russischen Föderation). Die Einschränkung einer kritischen Diskussion über den »Großen Vaterländischen Krieg« ist in Russland nichts Neues. 1995 hatte es Rufe gegeben, dass eine Neubewertung der Herrschaft Stalins und dessen Handelns während des Krieges, die seinerzeit von einer Generation neuer Historiker:innen vorgenommen wurde, eine absichtliche »Schwärzung« der Erinnerung an den »Großen Vaterländischen Krieg« darstelle (siehe Edwards and Rabbia 2022, S. 76). Seither haben verschiedene Politiker:innen und NGOs, beispielsweise Veteranenorganisationen, zu einer Versicherheitlichung der Geschichte in Russland aufgerufen, um die Taten jener zu bewahren, die sich da damals während des Krieges geopfert haben.
Im August 2023 schließlich verkündete der russische Bildungsminister die Herausgabe neuer Geschichtsbücher für Schüler:innen der höheren Sekundarschulklassen. Diese enthalten das offizielle Narrativ von Russlands »militärischer Spezialoperation« in der Ukraine (siehe Faulconbridge 2023). Diese Geschichtsbücher, die aus Kostengründen noch nicht in den Schulen eingeführt wurden, sind von Wladimir Medinskij herausgegeben worden, dem Vorsitzenden der Interministeriellen Kommission für Geschichtsbildung. Damit wurde das einheitliche Geschichtsbuch Realität, das vor rund zehn Jahren diskutiert wurde. In einem Reuters-Artikel vom 10. August 2023 heißt es, das Buch »spiegelt Putins Blick auf die Geschichte wider: Stolz auf die Leistungen der Supermacht Sowjetunion, Empörung wegen der Erniedrigungen durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und Lobpreisung für die ›Wiedergeburt‹ Russlands unter der Herrschaft des ehemaligen KGB-Spions, die am letzten Tag des Jahres 1999 begann.« (siehe Faulconbridge 2023). Der Artikel beleuchtet das klare Ziel des Staates, Bildung als Instrument einzusetzen, um ein einheitliches Narrativ zur russischen Geschichte voranzutreiben und die Möglichkeit zu verdrängen, dass junge Menschen sich mit alternativen Narrativen und kritischen Überlegungen befassen.
Das Vorantreiben dieser einheitlichen, unifizierten Fassung der russischen Nationalgeschichte durch den Staat ist nicht auf Geschichtsbücher beschränkt. Die sind zwar exzellente Instrumente, um die Ideale des Staates zu vermitteln, doch könnten Schüler:innen sie langweilig oder sich wiederholend finden (siehe Volunteers of Victory 2022). Daher wird die Erziehung im Klassenzimmer durch »aufregendere« und interaktive Bildungsaktivitäten ergänzt, die die Schüler:innen zu aktiven Mitgliedern der russischen Gesellschaft machen sollen. Und hier geht es vorwiegend um Rollen zum Schutz und der Stärkung des Staates. Schulen organisieren Besuche von Veteran:innen, die in die Schulen kommen, wie auch Besuche zu Hause bei Veteran:innen. Auch gibt es Aktionen zur Pflege von Kriegsdenkmälern und die Beteiligung an militärisch geprägten Sportspielen, sowie im gegenwärtigen Konflikt eine Unterstützung von Soldaten an der Front durch Care-Pakete und Briefe. 2014 bot die Russische Militärhistorische Gesellschaft zusammen mir Russlands Föderaler Tourismus-Agentur (der ebenfalls Medinskij vorstand) Geschichtsexkursionen für junge Menschen an. Damit sollte die Geschichtsbildung gefördert werden, indem die Vermittlung intensiver, anschaulicher und aufregender wird (siehe McGlynn 2023, S. 148). Nach Februar 2022, also dem Beginn des russischen vollumfänglichen Einmarsches in die Ukraine, sind im Mai 2022 im Vergleich zum Mai 2021 doppelt so viele militär-patriotische Veranstaltungen abgehalten worden (siehe RE: Russia 2023).
Während das Bildungswesen in Russland den Schwerpunkt darauf legt, bestimmte, den Staat stützende Werte in der Gesellschaft zu verankern, steht dahinter auch ein sehr praktischer, materieller Zweck: Damit soll sichergestellt werden, dass es in der Zukunft genügend Personal für das Militär gibt (siehe Yunarmiya 2022c). Es wird zunehmend auf eine körperliche Fitness geachtet, die sich an militärischen Fähigkeiten orientiert. Ein Beispiel, bei dem junge Menschen solche Fähigkeiten erwerben, sind Mitglieder des militär-patriotischen Clubs »Welikowrashskaja drushina wo imja Swjatogo blagowernogo knjasja Dmitrija Donskogo« (dt. in etwa: »Gefolgschaft Welikij Wrag zu Ehren des Heiligen Fürsten Dmitrij Donskoj«) im Gebiet Nishnij Nowgorod, der der Russisch-Orthodoxen Kirche nahesteht. Zu deren Aktivitäten gehört es, mit MP-Attrappen durch den Schnee zu robben (https://t.me/ostorozhno_novosti/14007). Im September 2023 wurde in russischen Schulen eine militarisierte körperliche Ausbildung junger Menschen eingeführt. Damit umfasste der Lehrplan nun ein obligatorisches Programm zur »militärischen Grundausbildung« (siehe Meduza 2023). Patriotismus wird also in Russlands Bildungssystem durch eine Reihe von Erzählungen im formalen Bildungsbereich vermittelt, die durch eine Kooptierung junger Menschen in bestimmten Rollen ergänzt wird, wobei sie ganz bestimmte Rollen verkörpern und praktizieren können – so, wie es ein »guter Patriot« meist tun würde.
Die Zunahme patriotischer Organisationen unter der Herrschaft von Putin ist ein Phänomen an sich. Organisationen wie »Junarmija«, »Wolontjory pobedy« (»Freiwillige des Sieges«), die »Junge Garde« und die nicht mehr aktiven »Naschi« (»die Unseren«) treten als Anhängsel des russischen Staates in Erscheinung. Auf Fotos dieser Organisationen sind vorwiegend gerade junge Menschen zu sehen. Sie sollen diejenigen erscheinen, die zahlreiche vom Staat genehmigte Aktivitäten initiiert und betrieben haben. Damit soll die Illusion geschaffen werden, dass die Jugend die Initiativen des Kreml massiv unterstützt. Es ist auch zu bedenken, dass viele dieser Organisationen als Reaktion auf politische oder militärische Probleme gegründet wurden, vor denen Russland stand. Die Bewegung »Naschi« wurde beispielsweise als Antwort auf die Orange Revolution 2004 ins Leben gerufen, und zwar mit dem Ziel, sich gegen regierungskritische Aktionen zu organisieren. Die »Freiwilligen des Sieges« wurden 2015, ein Jahr nach der Annexion der Krim, aufgrund ihrer Rolle bei den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Sieges im »Großen Vaterländischen Krieg« gegründet. Die Mitglieder dieser Organisationen dienen als Vorbilder für junge Russ:innen und werden als »gute Patrioten« dargestellt. Auf der Internetseite von »Junarmija« heißt es in einem Beitrag zu den Unterstützungsbriefen an russische Soldat:innen, die in der Ukraine kämpfen: »Junarmija-Leute sind standhaft. Es sind Jugendliche, die man den Stolz des Landes nennen kann.« Dann folgt eine Liste von Qualitäten, die sie bei ihren Aktionen gezeigt hätten (Yunarmiya 2022a).
Diese Organisationen und das Bild, das im staatlichen Diskurs zum militarisierten Patriotismus auf markante Weise von der Jugend gezeichnet wird, machen deutlich, dass die Indoktrinierung mit militärisch-patriotischen Werten, die im formalen Bildungssystem Russlands erfolgt, nur ein Teil des gesamten Puzzles ist. Möglicherweise ist aber noch wichtiger, dass junge Menschen mit Vorbildern in Berührung kommen, die die Narrative glaubhaft machen. Jekaterina Tschishikowa, die stellvertretende Vorsitzende des Zentralen Stabes von »Junarmija«, hat dies treffend deutlich gemacht. Sie verwies darauf, dass Mitglieder von »Junarmija« heldenhafte Taten vollbrachten, damit es ihre Altersgenossen im ganzen Land ihnen gleich tun können (s.: Yunarmiya 2022b). Sie nennt einige Beispiele für »heldenhaftes« Verhalten, unter anderem das einer Junarmija-Einheit, die an dem Projekt »Erinnerung der Generationen« mitwirkt, bei dem die Mitglieder Begräbnisorte von Soldat:innen des »Großen Vaterländischen Krieges« wiederherstellen und Archivrecherchen über Angehörige dieser Helden betreiben.
Fazit
Die Erkenntnis, dass das Bildungssystem in Russland die jungen Generationen aktiv mit militärischen und patriotischen Idealen indoktriniert, ist nicht neu. Die Indoktrinierung hat sich für den russischen Staat als wichtig erwiesen, weil sie bei der Absicherung des Diskurses zum russischen Militarismus erfolgreich ist. Diese Indoktrinierung ist nicht nur in staatlichen Bildungseinrichtungen festzustellen. Sie tritt auch beim Vorgehen des russischen Staates zu Tage, der versucht, kritisches Denken zu bestimmten historischen Themen zu beschneiden. Die Indoktrinierung ist somit auch – und womöglich sogar vorrangig – in der außerschulischen Erziehung und in Jugendorganisationen wie der »Junarmija« präsent. Dort wird versucht, militarisierten Patriotismus zu einem Spiel zu machen, das Spaß bringt und das man betreiben kann. Sowohl formal wie auch informell wird den jungen Menschen vermittelt, welche Eigenschaften und Unternehmungen dazu gehören, ein guter Patriot zu sein, was letztlich das anzustrebende Ziel ist. Junge Russ:innen werden über Aktivitäten mit Beispielen guter Patriot:innen in Berührung gebracht, z. B. durch Treffen mit Veteran:innen, unterstützende Briefe und Päckchen für russische Soldat:innen an der Front in der Ukraine. Die wohl wichtigsten Vorbilder für diese Spielart Patriotismus sind die jungen Menschen selbst, wenn sie nämlich angeworben werden, um an militärisch-patriotischen Aktivitäten teilzunehmen, und die Jugend dann als Eigenwerbung gegenüber anderen Jugendlichen wirkt und es so aussehen lassen, als sei es die Eigeninitiative dieser jungen Menschen. Aus der facettenreichen russischen Erziehungslandschaft ergeben sich für den Staat viele Möglichkeiten, die Jugend mit militärisch-patriotischen Idealen zu indoktrinieren. Das legt den Schluss nahe, dass Militarismus und Patriotismus für geraume Zeit prägnante Merkmale der russischen Identität bleiben werden.
Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder