Politische Entwicklungen in den "Volksrepubliken" im Herbst 2016

Zur Dokumentation interner politischer Entwicklungen und damit auch des Charakters der Organisation von Politik in den beiden »Volksrepubliken«, veröffentlichen die Ukraine-Analyse hier Auszüge aus dem wöchentlichen Newsletter »Entwicklungen in ›DNR‹ und ›LNR‹«. Der Newsletter erscheint im Rahmen des Projekts »Menschenrechtsschutz in der Ostukraine. Monitoring, Informationsverbreitung und euro-päische NGO-Kooperation«. Basierend auf der Auswertung von öffentlich zugänglichen Internet-Quellen und erstellt von Nikolaus von Twickel gibt der Newsletter einen Überblick aktueller gesellschaftspolitischer Entwicklungen auf dem Gebiet der selbsternannten »Volksrepubliken Donezk und Luhansk«. Das Projekt wird vom Deutsch-Russischen Austausch (DR A e.V.) in Kooperation mit ukrainischen, polnischen und russischen Partnern durchgeführt und vom Auswärtigen Amt gefördert.Der Newsletter ist im Internet archiviert unter <http://www.civicmonitoring.org/>; Dort finden sich auch die Internetadressen der im Text genannten Originalquellen.Ansprechpartner beim Deutsch-Russischen Austausch sind Tim Bohse (tim.bohse@austausch.org) und Yuliya Erner (yuliya.erner@austausch.org)

Die Redaktion der Ukraine-Analysen

Putschversuch in Luhansk – September 2016

Das größte Ereignis war die angebliche Vereitelung eines Putschversuches in Luhansk. Einer der Hauptverdächtigen – ein ehemaliger »Premierminister« – soll sich in seiner Zelle erhängt haben. Wegen der prekären Lage dort beorderte die »Volksrepublik Donezk« einen prominenten Feldkommandeur nach Luhansk.

Am 20. September (Dienstag) teilte der Luhansker Rebellenchef Igor Plotnitzkij in einer auf YouTube verbreiteten Regierungssitzung mit, dass in seiner »Volksrepublik« ein Umsturzversuch vereitelt worden sei. Plotnizkij nannte keine Schuldigen, sondern erläuterte wolkig, dass die Verschwörer Unterstützung von der Ukraine, seinen eigenen internen Gegnern sowie aus Russland haben könnten. Er fügte hinzu, dass »etwas Ähnliches« auch in der »Volksrepublik Donezk« geplant gewesen sei, aber von den dortigen Sicherheitsdiensten verhindert wurde.

Zwei Tage später, am Donnerstag, wurde Plotnizkij etwas genauer und erklärte, dass der Putschversuch zum Ziel gehabt habe, die Kontrolle Kiews über die »Volksrepublik Luhansk« (»LNR«) wiederherzustellen. »Seid wachsam – solange die Kiewer Junta, das Nazi-Regime, weiterbesteht, wird es solche Versuche geben,« sagte er.

Am 24. September (Samstag), teilte die Generalstaatsanwaltschaft der »LNR« mit, dass mindestens drei prominente Figuren der »Volksrepublik Luhansk« zu den Verschwörern gehört hätten, zwei davon seien gefasst. Einer von ihnen, ex-Premierminister Gennady Zypkalow, habe sich in seiner Zelle erhängt, weil er »befürchten müsse, wegen seiner Mitwisserschaft von den noch in Freiheit lebenden Mitverschwörern umgebracht zu werden.« Zypkalow, der seit seiner Ablösung als Regierungschef im Januar immerhin noch als »Berater« von Republikchef Plotnitsky fungierte, wurde demnach erst in der Nacht zum Samstag festgenommen.

Der andere Festgenommene ist Vitalij Kiseljow, ein hoher Kommandeur der »Volksmiliz« genannten Streitkräfte der »LNR«. Nach Berichten, dass Kiseljow nach Verhören schwer verletzt oder gar gestorben sei, präsentierte die Staatsanwaltschaft den Festgenommen am Montag »lebendig und gesund« im Staatsfernsehen.

Außerdem wird in der Sache ein weiterer ranghoher Vertreter der »Volksrepublik« gesucht – Alexej Karjakin, bis Ende März Vorsitzender des »LNR«-Parlaments. Karjakin, der lange als einer der führenden Köpfe der Luhansker Rebellen galt, wird nun per Steckbrief auf der Website der Staatsanwaltschaft als Verbrecher vorgestellt.

Karjakin meldete sich am Montag aus einem Versteck in Russland zu Wort. In einem Interview der Jekaterinburger Nachrichtensite ura.ru erklärte er, dass Zypkalow wohl ermordet wurde, weil er sich weigerte, seine Leute zu verraten. Karjakin beklagt, dass unter Plotnizkij korrupte und proukrainische Leute die Macht in der »LNR« übernommen hätten.

Wegen der instabilen Lage in Luhansk wollen die Donezker Rebellen ihren führenden Feldkommandeur Arsenij Pawlow, besser bekannt als »Motorola«, mit seinem Bataillon »Sparta« in die Nachbarrepublik geschickt haben. Entsprechende Aussagen machte der Donezker Rebellenchef Alexander Sachartschenko am 22. September (Donnerstag) im russischen Sender Life – sie fanden aber keine Erwähnung in den offiziellen »DNR« Medien.

Auch Plotnizkijs Aussage, dass ein Umsturz auch in der »DNR« vereitelt worden sei, fehlt in den dortigen Medien. Plotnizkij erläuterte am 22. September, dass er damit die Festnahme eines angeblichen Rings ukrainischer Agenten in Jasinuwata bei Donezk Anfang des Monats meinte. Die Meldung des Geheimdienstes der »Volksrepublik Donezk« hatte damals Schlagzeilen gemacht, weil die fünf Festgenommen alle Teenager waren.

Öffentliche Erklärungen über einen geplanten Umsturz hat es in den »Volksrepubliken« bisher nicht gegeben, jedoch ist die Lage in Luhansk schon lange instabiler als in Donetsk. In den von der »LNR« kontrollierten Gebieten sind in den letzten Monaten mehrere prominente Feldkommandeure ums Leben gekommen. Am 6. August soll Republikchef Igor Plotnizkij einen Anschlag überlebt haben, als eine Bombe in unmittelbarer Nähe seines Autos detonierte.

Am 24. September erklärte die »LNR«-Generalstaatsanwaltschaft, dass das Attentat auf Plotnizkij »höchstwahrscheinlich« von ukrainischen Agenten ausgeführt wurde.

Sowohl im Fall des Anschlags auf Plotnizkij wie auch in Bezug auf den Putschversuch haben ukrainische, aber auch russische Beobachter deutliche Zweifel an den offiziellen Versionen angemeldet. Der aus Luhansk stammende Journalist Andrej Dihtjarenko sieht in dem »Putschversuch« lediglich eine Säuberungsaktion Plotnizkijs gegen seine internen Widersacher, die von »LNR«-Geheimdienstchef Leonid Passotschnik (offiziell »Minister für Staatssicherheit«) angeführt werden.

Alle drei bekannten Verschwörer, Karjakin, Zypkalow und Kiseljow, stehen dem ersten »LNR«-Anführer Valerij Bolotow nahe, der im August 2014 von Plotnizkij abgelöst wurde. Passotschnik, der wie Bolotow und Karjakin aus Stachanow stammt, gehört Dihtjarenko zufolge auch zu dieser Gruppe.

[Auszug aus Newsletter Nr. 1]

»Vorwahlen« – September/Oktober 2016

Ende September und Anfang Oktober drehte sich in den »Volksrepubliken« der Ostukraine offiziell fast alles um die am Sonntag, den 02. Oktober abgehaltenen »Vorwahlen« (sog. Primaries).

Ziel der »Primaries« genannten Abstimmung, die im Wesentlichen auf die Städte Luhansk und Donezk beschränkt war, ist offenbar weniger das Ergebnis, sondern vielmehr die öffentliche Demonstration der Tatsache, dass man Wahlen abhält. So meldete die »Volksrepublik Donezk« (DNR), dass in 505 der 514 Wahlbezirken Mitglieder der gleichnamigen Partei »Republik Donezk« (offiziell handelt es sich um eine Bewegung, die auch das Parlament der »DNR« kontrolliert) als Sieger hervorgingen. Die restlichen neun Bezirke gingen an »Freier Donbass«, die einzig andere im Parlament vertretene Bewegung.

In Donezk wurde Amtsinhaber Igor Martynow mit 83 Prozent zum Sieger der Vorwahl zum Bürgermeisteramt erklärt. Martynow hatte vorher gesagt, dass er und sein Hauptkonkurrent, der örtliche Postchef Artjom Serdjukow, »eigentlich keine großen Meinungsunterschiede« hätten.

Da die »Vorwahl« ja nur das Kandidatenfeld für die eigentliche Wahl einschränken soll, ist das ein klares Signal, dass es außerhalb des herrschenden politischen Spektrums keine politische Aktivität geben kann.

Die »Volksrepublik Luhansk« (LNR) veröffentlichte zunächst kein Ergebnis und erklärte, dass die Auszählung andauert.

Führende Vertreter der Separatisten wurden nicht müde, die angeblich internationale Bedeutung der Abstimmung hervorzuheben. »Wir müssen zeigen, dass wir einen zivilisierten Rechtsstaat errichtet haben, der offene und gerechte Wahlen abhalten kann,« erklärte der Donezker Rebellenführer Alexander Sachartschenko.

Sein Luhansker Kollege Igor Plotnizkij behauptete, dass sich alle Beteiligten als »ebenbürtige Mitglieder der Weltpolitik« fühlen konnten und dass die Abstimmung ein weiterer wichtiger Schritt »zum Bau der Eigenstaatlichkeit« sei.

Die offiziellen Medien beider »Volksrepubliken« räumten in ihrer Berichterstattung viel Platz für Ausländer ein, die als »Wahlbeobachter« die Abstimmungen durchweg in höchsten Tönen lobten. In Luhansk befand sich darunter auch der deutsche Journalist Manuel Ochsenreiter, der Chefredakteur von »Zuerst«, ein von dem bekannten rechtsextremen Verleger Dietmar Munier herausgegebenes Magazin.

Vor den ausländischen Wahlbeobachtern bedankte sich Plotnizkij am Montag für deren Mut – der sei größer als der von US-Senator John McCain, der einer Einladung der »LNR« nicht gefolgt war: »Eure Wahrheit und Aufrichtigkeit sind unsere Waffe gegen die Pseudodemokratie und Doppelmoral des Westens,« sagte er.

Plotnizkij beschrieb die Abstimmung als Zeichen echter Demokratie nach mehr als 20 Jahren »sogenannter demokratischer Wahlen« in der Ukraine, die er als »Theater« mit nach einem »vorab bekannten Drehbuch verteilten Rollen« bezeichnete.

Ukrainische Medien betonten, dass die Wahlbeteiligung trotz groß angelegter Kampagnen und billigen Lebensmittelangeboten vor den Wahllokalen in Donezk nicht sehr hoch war. Die »DNR« veröffentlichte keine offizielle Prozentangaben zur Wahlbeteiligung, sondern teilte mit, dass 370,517 Stimmen abgegeben und mehr als 600,000 Wahlzettel gedruckt wurden – was einer Quote von knapp 62 Prozent entspricht.

Das Minsker Abkommen sieht vor, dass in den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten Lokalwahlen abgehalten werden, aber nach ukrainischem Recht. Die Separatisten, die mehrfach angekündigt haben, Wahlen nach ihren Vorstellungen abzuhalten, betonen, dass Vorwahlen im Einklang mit Minsk stehen, weil sie nur vorläufig seien. Die Regierung in Kiew bezeichnet die »Primaries« als Farce und warnt, dass sie den Friedensprozess gefährden.

Kritik an den »Primaries« kam vergangene Woche auch aus Russland – vom ehemaligen Donezker »Verteidigungsminister« Igor Girkin, der als Sprachrohr der von Moskau abgesetzten Separatistenführer der ersten Stunde gilt.

Girkin, besser bekannt unter seinem Alias Igor Strelkow, bezeichnet die Vorwahlen in einer Videobotschaft als »das gleiche Potemkinsche Dorf« wie die jüngste Wahl zur russischen Staatsduma. »Nur mit noch mehr Marionettenhaftigkeit und Groteske,« fügt er hinzu.

Russische Nachrichtenagenturen berichteten am 26. Oktober dass die Republikchefs Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizkij den für 6. November angesetzten Termin [für die eigentlichen Wahlen] per Dekret gestrichen hätten. Ein neues Datum gibt es diesmal nicht.

Diese Nachricht fand eine schnelle Weiterverbreitung in ukrainischen Medien, war allerdings auf den offiziellen Webseiten der Separatisten nur schwer zu finden – ein mögliches Indiz dafür, dass es sich um eine Entscheidung handelt, die den Machthabern schwer fiel.

Die »Volksrepubliken« hatten ihre eignen, ursprünglich für Herbst 2015 geplanten Wahlen mehrfach verschoben – in Donezk erst auf den 20. April, dann auf den 24. Juli und schließlich auf November.

Als wahrscheinlichster Grund der mehrfachen Verschiebungen wurde russischer Druck auf die Separatisten vermutet. Die jüngste Wahl-Absage wurde zudem am selben Tag bekannt, an dem sich die »Trilaterale Kontaktgruppe« in Minsk traf – eine Woche nach dem Berliner Gipfel des »Normannischen Quartetts« vom 19. Oktober. Die Kontaktgruppe aus Vertretern Russlands, Ukraine und der OSZE beriet am 26. Oktober unter anderem auch über die Modalitäten von Lokalwahlen.

In der »Volksrepublik« Donezk (»DNR«) wurde am 4. November eine Frage-Antwort Konferenz »Direkter Dialog« mit Republikchef Sachartschenko vor geladenem Publikum organisiert, in dem dieser Lobeshymnen für sein zweijähriges Amtsjubiläum entgegennahm.

Die als »Primaries« genannten Vorwahlen vom 2. Oktober waren laut Sachartschenko die Reaktion auf Vorwürfe, dass die »DNR« keine Eigenständigkeit habe und keine für die Durchführung von Wahlen notwendige Sicherheit garantieren könne.

Die für den 2. November geplanten Wahlen seien abgesagt worden, um die Chance nach Umsetzung des Minsker Abkommens zu wahren. Die (bereits dreimal aufgeschobene) Abstimmung soll im Jahr 2017 endlich stattfinden – entweder gemäß Minsk (also nach ukrainischem Recht), oder eigenständig (d. h. ohne die Teilnahme ukrainischer Parteien und in ukrainisch kontrolliertes Gebiet geflohener Wähler). »Wir haben keine Angst vor Wahlen, auch mit Beobachtern, denn am Ende gewinnen wir, sowohl politisch als auch militärisch,« erklärte Sachartschenko.

[Auszüge aus den Newslettern Nr. 2, 3, 5 und 6. Ebenfalls in dieser Ausgabe der Ukraine-Analysen findet sich eine Stellungnahme der European Platform for Democratic Elections zu den Vorwahlen in den »Volksrepubliken«.]

Attentat auf Donezker Feldkommandeur »Motorola« – Oktober 2016

Am Sonntag, den 16. Oktober, gegen 23:00 Uhr Moskauer Zeit meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax, dass Arseni Pawlow, besser bekannt als »Motorola«, bei einer Explosion in Donezk getötet worden sei.

Dem Bericht zufolge explodierte eine Bombe im Aufzug von Pawlows Wohnblock, als dieser ihn benutzte. Wenig später bestätigte dies Denis Puschilin, der Parlamentsvorsitzende und Chefunterhändler der »Volksrepublik Donezk« der offiziellen Nachrichtensite DAN.

Pawlow, russischer Staatsbürger, spielte als Kommandeur eines »Sparta« genannten Bataillons vor allem in den Kämpfen um den Donezker Flughafen eine bedeutende Rolle. In der Ukraine wurde er vor allem für ein Interview verurteilt, in dem er sich brüstet, Gefangene umgebracht zu haben. Seinen ersten großen Auftritt hatte er im Juli 2014: Seine Vermählung mit einer Einheimischen im damals von den Separatisten kontrollierten Slowiansk wurde in russischen Medien als »erste Hochzeit der Volksrepublik Donezk« bezeichnet.

Pawlow war nach Angaben des Donezker Separatistenführers Alexander Sachartschenko bereits im Juni Ziel eines Anschlags. Damals war ein Sprengsatz in einer Donezker Klinik explodiert, es gab aber keine Verletzten.

»Motorola« ist der erste prominente Vertreter der »Volksrepublik Donezk« (»DNR«), der gewaltsam ums Leben gekommen ist. Bisher konnten abgesetzte »DNR«-Anführer wie ex-Parlamentschef Andrei Purgin und ex-Außenminister Alexander Kofman relativ unbehelligt weiterleben. Lediglich im Fall des Anfang 2016 geschassten Chefs der Wahlkommission Roman Ljagin gab es Berichte, dass er geschlagen und eingesperrt wurde.

Puschilin und der Donezker Separatistenführer Alexander Sachartschenko machten ukrainische Agenten für Pawlows Ermordung verantwortlich. »Petro Poroschenko hat den Waffenstillstand gebrochen und uns den Krieg erklärt,« sagte Sachartschenko in einer Erklärung an die Adresse des ukrainischen Präsidenten.

Der aus Donezk stammende Journalist Denis Kasanskij hat minutiös dargelegt, dass die Tat kaum von ukrainischen Spezialeinheiten ausgeführt worden sein konnte, weil Motorola viel zu gut bewacht war und die Täter höchst privilegierten Zugang zu dessen Wohnblock gehabt haben müssten (der Sprengsatz war demnach im Müllschlucker versteckt und wurde genau in dem Moment gezündet, als das Opfer den Fahrstuhl unmittelbar daneben betrat). Auch stellt sich die Frage: warum die ukrainische Seite, wenn sie über solche Fähigkeiten verfügen sollte, einen Feldkommandeur und keine prominentere Führungspersönlichkeit beseitigt.

[Auszüge aus den Newslettern Nr. 4 und 5]

Öffentliche Selbstdarstellung – November 2016

Am 2. November 2016 war der zweite Jahrestag der Wahlen, auf die die Separatisten der »Volksrepubliken« ihre Macht begründen. Die Anführer der beiden »Volksrepubliken« nahmen den zweiten Jahrestag zum Anlass, um sich in der Öffentlichkeit zu profilieren.

In der »Volksrepublik« Donezk (»DNR«) wurde am 4. November eine Frage-Antwort Konferenz »Direkter Dialog« mit Republikchef Sachartschenko vor geladenem Publikum organisiert, in dem dieser Lobeshymnen für sein zweijähriges Amtsjubiläum entgegennahm.

Die Frage-Antwort Konferenz »Direkter Dialog« erinnert ein wenig an die jährliche TV-Show des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die auch streng nach Drehbuch abläuft. Während der 51 Minuten sieht man nur Vertreter von »DNR«-Medien, des sog. Informationsministeriums sowie Bergwerksarbeiter, Lehrer und Mütter. Den letzteren verspricht Sachartschenko, ihre Probleme persönlich zu lösen, indem er die zuständigen »Minister« zur Rede stellt.

Immerhin räumte er ein, dass es eine Masse Probleme mit der Wirtschaft und »niedrigem Lebensstandard« gibt. »Aber dagegen kämpfen wir,« behauptete Sachartschenko und versprach etwa, dass ab 25. Dezember pensionierte Bergarbeiter kostenlos Kohle erhalten sollen.

Wohl nicht zufällig fällt die Image-Veranstaltung mit einer Erneuerung der Internetauftritte Sachartschenkos zusammen. Am Montag wurde seine modernisierte Homepage freigeschaltet, es gibt jetzt einen Twitter-Account, der aber bis Montag gerade mal neun Tweets und wenig mehr als 230 Follower hatte. Sachartschenkos VKontakte account, der seit 2015 existiert, hat immerhin knapp 6.700 Abonnenten. Hier wurden aber bislang nur ausgewählte Texte gepostet, und das oft mit großer Verzögerung (z. B. die Ankündigung »Sachartschenko eröffnet Shopping-Center!« wurde am Montagmittag gepostet – zwei Tage nach dem Ereignis).

In Luhansk prangert Republikchef Igor Plotnizkij am Montag in einer polternden Rede vor dem »Parlament« den »blutigen Terror« der »faschistischen Junta« in Kiew an, die auf Geheiß von USA und NATO die russisch-ukrainische Bruderschaft zerstören wolle.

Plotnizkij, der in seiner »Volksrepublik« in den vergangenen Monaten einen Putschversuch vereitelt sowie ein Attentat überlebt haben will, ist offenbar mehr als Sachartschenko daran interessiert, den äußeren Feind zu thematisieren: »Versuche Kiews, die »LNR« zu destabilisieren, sind gescheitert,« wetterte er in seiner Rede. Gleichzeitig fügte er hinzu, dass die Republik notfalls bereit wäre, auf INNERE und äußere Bedrohungen entsprechend zu reagieren.«

In derselben Rede gibt sich Plotnizkij aber auch staatsmännisch, wenn er die Umsetzung der Minsker Abkommen als »Hauptinstrument einer politischen Lösung« bezeichnet. Einen anderen Weg gibt es nicht und kann es nicht geben, sagte er.

Dagegen scheint »LNR«-Parlamentschef Vladimir Degtarjow das Minsker Abkommen nicht gelesen zu haben, in dem eine politische Reintegration in die Ukraine vorgesehen ist. Am selben Tag erklärte er, dass die »Volksrepublik Luhansk« alle Möglichkeiten besitzt, um »ein blühender Staat zu werden und Anerkennung der Weltgemeinschaft zu erhalten.« Als Beleg nennt Degtarjow die Zahl der Plenarsitzungen (95) und der registrierten Gesetzesvorhaben (339).

Ganz ähnlich wie Sachartschenko macht sich Plotnizkij Sorgen um die Wirtschaft seiner »Volksrepublik«. In seiner Rede erklärte er 2017 zum Jahr der ökonomischen Transformation, in dem die Schattenwirtschaft (Betriebe, die keine Steuern zahlen) besiegt werden soll. Deren Umfang beziffert Plotnizkij auf 1 Milliarde Rubel (14 Millionen Euro, vermutlich jährlich): »Hauptziel ist, dieses Geld aus dem Dunklen zu holen,« sagte er. Dies soll nicht mit Gewalt, sondern in Zusammenarbeit mit den Unternehmern passieren.

Plotnizkij behauptete auch, dass der Kohlesektor in der »LNR« weitgehend wiederhergestellt sei: Alle sieben Minen der (staatlichen) Firma Donbassantrazit haben die Förderung wieder aufgenommen, bei »Zentrugol« förderten fünf von neun Minen.

Sowohl in Donezk als auch in Luhansk haben die Separatisten voriges Jahr begonnen, eigene Briefmarken zu drucken. Obwohl das Brief- und Paketaufkommen wegen des bewaffneten Konflikts wohl stark gefallen ist und man mit diesen Briefmarken keine internationalen Sendungen frankieren kann, ist man in der »DNR« stolz auf eine hohe Auflage. Am 5. November teilte »Kommunikationsminister« Viktor Jazenko mit, dass man bis dato 50 Briefmarken in einer Gesamtauflage von 600.000 Stück verkauft habe.

In der »LNR« sind es nicht so viel: Die dortige Post sagt auf ihrer Website, dass es elf Serien mit etwa 100.000 Auflage gibt. Viele Sendungen kann man damit nicht verschicken – auf ihrer Homepage schreibt die Post, dass der Versand mit den Briefmarken von »LNR» nur auf dem von der »LNR« kontrollierten Gebiet funktioniert.

[Auszüge aus Newsletter Nr. 6]

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Analyse

Föderalisierung versus Bosnisierung – Russlands Ukraine-Strategie

Von Stefan Meister
Russlands Provokationen in der Ostukraine und die Präsenz russischer Truppen an der östlichen Grenze der Ukraine zielen darauf, die ukrainische Übergangsregierung zu destabilisieren, die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai zu verhindern und die eigene Verhandlungsposition über den zukünftigen Status der Ukraine gegenüber der EU und den Vereinigten Staaten zu verbessern. Dabei ist das vorrangige Ziel Russlands nicht die Annexion des Ostens der Ukraine, sondern die EU und die USA dazu zu bringen, die begrenzte Souveränität der Ukraine als Teil der russischen Einflusssphäre anzuerkennen. Die Ostukraine zu annektieren, wäre für Russland mit hohen wirtschaftlichen und politischen Kosten verbunden, jeder Versuch, weiteres ukrainisches Territorium zu kontrollieren, würde zu Widerstand in der ukrainischen Gesellschaft führen und die Bereitschaft der EU-Mitgliedsstaaten erhöhen, härtere ökonomische Sanktionen gegen Russland zu erlassen. Für die russische Führung gibt es letztlich nur zwei Optionen für die Zukunft der Ukraine: Föderalisierung oder Bosnisierung. (…)
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Analyse

Die Referenden in Donezk und Luhansk

Von Heiko Pleines
Am 11. Mai 2014 haben die selbst-erklärten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk Referenden über ihre Unabhängigkeit abgehalten. Der vorliegende Text erläutert die verschiedenen Kritikpunkte an den Referenden, die sich auf Völkerrecht und demokratische Standards beziehen, und gibt eine kurze Einschätzung der Lage.
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