Libyen und Syrien
Die Ereignisse des »arabischen Frühlings« trafen die russische Außenpolitik ebenso unerwartet wie die der westlichen Staaten. Moskaus Haltung unterscheidet sich dabei von Land zu Land, je nachdem wie seine Interessen ausgeprägt sind und welche Einflussinstrumente ihm zur Verfügung stehen. War es während der Umstürze in Tunesien und Ägypten sowie der Massenproteste in Jemen und Bahrain lediglich passiver Zuschauer, spielte es in der Libyenkrise eine aktivere Rolle. Dabei versuchte es, sich in der Region als »responsible stakeholder« und »ehrlicher Makler« zu präsentieren und seine Beziehungen zu den westlichen Staaten nicht unnötig zu belasten.
Im Machtkampf zwischen Gaddafi und den Rebellen vermied Moskau lange Zeit eine klare Festlegung, verweigerte sich aber nicht den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, Druck auf den libyschen Machthaber auszuüben. So stimmte es im Februar 2011 einem Waffenembargo gegen Gaddafi zu und ermöglichte Mitte März 2011 mit seiner Enthaltung zur UN-Sicherheitsratsresolution 1973 erst die Militäraktion der westlichen Staaten. In Syrien dagegen, wo Moskau tatsächlich ein Schlüsselakteur ist und über die größten Einflusshebel verfügt, legt es sich von Beginn an klar fest – auf die Rolle als Schutzmacht der Regierung Assad. Zudem scheut es diesmal nicht die offene Konfrontation mit den westlichen Staaten. Wie lässt sich die harte Haltung Russlands erklären?
Ökonomische Interessen: Syrien als wichtiger Waffenimporteur
Im Vergleich zu den übrigen Ländern des »arabischen Frühlings« sind Moskaus Interessen in Syrien vielfältiger, ausgeprägter und vor allem enger mit dem Überleben des herrschenden Regimes verbunden. Betrug das russisch-libysche Handelsvolumen im Jahr 2010 198 Mio Euro, war es in Bezug auf Syrien mehr als viermal so hoch – 840 Mio Euro. Damit ist Syrien zwar allein vom Umfang des bilateralen Handels her weniger wichtig für Moskau als die Türkei (18,6 Mrd. Euro), Ägypten (1,5 Mrd. Euro) oder Israel (1,2 Mrd. Euro). Für manche Schlüsselbranchen Russlands – v. a. die Rüstungsindustrie, zum Teil auch die Energiebranche – wurde Damaskus aber zu einem bedeutenden Handelspartner. Nachdem Präsident Putin Syrien im Januar 2005 insgesamt 73 % der noch aus sowjetischer Zeit stammenden 10,5 Mrd. Euro an Schulden erlassen hatte, erhielten – wie in Libyen nach dem russischen Schuldenerlass 2008 – insbesondere Unternehmen aus diesen Bereichen lukrative Verträge. Beispielsweise baut Strojtransgaz eine gasverarbeitende Anlage nahe Homs und Tatneft fördert seit April 2010 in einem Joint Venture mit einer syrischen Firma Öl im Land.
Für die russische Rüstungsindustrie, die sich seit dem massiven Rückgang der chinesischen Aufträge seit einigen Jahren verstärkt um Ausgleich auf dem lateinamerikanischen und nahöstlichen Markt bemüht, ist Syrien besonders wichtig. Hinsichtlich der Lieferungen war Syrien 2010 nach Indien (41 %) und Algerien (12 %) der drittgrößte Rüstungsmarkt Russlands (7 %). Russland stattet die syrische Armee u. a. mit modernen Anti-Schiff-Lenkwaffen (Bastion, Jachont), Kampfflugzeugen (MiG-29, Jak-130), Boden–Luft-Raketen (Panzir), Luftabwehrartilleriesystemen und modernisierten Panzern (T-72) aus. Nach Presseberichten sind die laufenden Verträge mit Syrien zwischen 4 und 6 Mrd. US-Dollar wert. Nach dem möglichen Ausfall des libyschen Markts – der von der russischen Rüstungsexportagentur Rosoboronexport auf ca. 4 Mrd. US-Dollar taxiert wird – dürfte die Bedeutung Syriens für den russischen verteidigungs-industriellen Komplex zudem noch steigen. Dass Moskau einem Waffenembargo gegen Assad zustimmt, scheint aber nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus politischen Gründen wenig wahrscheinlich. In der russischen Rüstungsindustrie sind ca. 1,5 Millionen Menschen beschäftigt – zusammen mit deren Familienangehörigen ist das ein beträchtliches und zuverlässiges Wählerpotential für die im März 2012 anstehende Präsidentenwahl.
Militärische Interessen: Russlands Marinestützpunkt in Tartus
Im Gegensatz zu Libyen, Ägypten oder Tunesien ist Syrien für Moskau auch militärisch von Bedeutung. Denn es beheimatet in Tartus den einzigen noch aus sowjetischer Zeit (1971) verbliebenen Marinestützpunkt Russlands außerhalb des postsowjetischen Raums. Dieser wird seit 2009 modernisiert und soll bis 2012 auch für große Schiffe als Reparatur- und Versorgungsbasis dienen. Nach Presseberichten bemühte sich die russische Regierung in den vergangenen Jahren, logistische Versorgungsstützpunkte für die Marine auch in anderen Ländern wie Libyen oder Jemen einzurichten, hatte aber keinen Erfolg. Solange Moskau in der Region nicht über Alternativen verfügt, benötigt es daher die Basis in Tartus, um für längere Zeit an Einsätzen gegen Terroristen und Piraten im Mittelmeer bzw. am Horn von Afrika teilnehmen zu können. Dies wiederum ist wichtig, um Russlands Großmachtanspruch militärisch zu untermauern.
Geopolitische Interessen: Assad als »strategischer Partner« Russlands
Der entscheidende Unterschied zu den übrigen »Arabellion«-Ländern besteht jedoch darin, dass Syrien für Russland geopolitisch von Bedeutung ist. Von den einstigen Verbündeten aus Sowjetzeiten steht nur noch Damaskus Russland nahe. Zwar waren die bilateralen Beziehungen in den 1990er Jahren zunächst stark abgekühlt, da Syrien der neuen russischen Führung unter Präsident Jelzin einen »Betrug an der arabischen Sache« vorgeworfen hatte und die ungeklärte Frage der sowjetischen Altschulden Syriens die Beziehungen belastet hatten; seit der Jahrtausendwende, vor allem aber seit dem Schuldenerlass von 2005 verbesserte sich das Verhältnis zwischen Moskau und Damaskus jedoch wieder deutlich. Davon zeugen u. a. hochrangige Besuche beider Seiten: Drei Mal reiste das syrische Staatsoberhaupt nach Moskau (Januar 2005, Dezember 2006, August 2008), im Mai 2010 absolvierte Medwedew die erste Reise eines russischen Staatsoberhaupts nach Damaskus.
Beide Seiten bezeichnen ihr Verhältnis als »strategische Partnerschaft«. So unterstützte die syrische Regierung Moskau politisch im Tschetschenien- und Georgienkrieg. Demonstrativ reiste Präsident Assad im August 2008 nur wenige Tage nach Beendigung der Kriegshandlungen im Kaukasus nach Russland. Die engen Beziehungen zu Syrien erlauben es der russischen Führung zudem, ihren Anspruch auf eine Vermittlerrolle im Nahostkonflikt zu untermauern. Vor allem schätzt Moskau Damaskus – zusammen mit Teheran – als Gegengewicht gegen die amerikanische Dominanz in der Region. Die syrische Führung ist damit ein zentraler Pfeiler in Russlands Nahostpolitik und dem seit der Jahrtausendwende postulierten Wunsch, in der Region wieder eine größere Rolle zu spielen. Ein Sturz des syrischen Regimes hätte für Russland also nicht nur – wie in Libyen – ökonomische Verluste, sondern zugleich massive geopolitische Einbußen zur Folge.
Lehren aus dem Libyenkonflikt
Würde Moskau bereits aufgrund seiner ökonomischen, militärischen und geopolitischen Interessen als Schutzmacht des syrischen Regimes agieren, kommen seit 2011 noch zwei verschärfende Faktoren hinzu. Der erste besteht aus den Lehren, die die russische Führung aus dem Libyenkonflikt gezogen hat. Dass Moskau zunächst einem Waffenembargo zugestimmt hatte und sich dann bei der UN-Sicherheitsratsresolution 1973, die eine Flugverbotszone über Libyen verhängte und die Mitgliedstaaten ermächtigte, »alle notwendigen Maßnahmen« zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ergreifen, enthielt, war durchaus bemerkenswert. Schließlich zeigte sich Russland damit bereit, ökonomische Opfer zu bringen und eine Grundlinie seiner Außenpolitik aufzuweichen.
Bisher hatte Moskau Resolutionen, die eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staats aus humanitären Gründen vorsahen, zumeist blockiert. Dahinter stehen ein traditionelles Verständnis von Souveränität sowie die Sorge, dass auf diese Weise eine Rechtfertigung für den gewaltsamen regime change geschaffen wird. Dass Russland sich bei der UN-Resolution 1973 enthielt, war zum einen der Tatsache geschuldet, dass Gaddafi für Moskau niemals ein politischer Partner war, für den sich das Risiko der Selbstisolation gelohnt hätte. Zum anderen stand dahinter der Wunsch, die verbesserten Beziehungen zu den westlichen Staaten, allen voran den »Reset« mit den USA nicht zu gefährden. Letzteres geschah aber genau durch die breite Auslegung der UN-Resolution 1973 durch die an der Militäroperation beteiligten westlichen Staaten. Anstatt sich darauf zu beschränken, Zivilisten zu schützen, hätten diese Partei im Bürgerkrieg ergriffen und damit das Mandat der UN-Resolution verletzt, kritisierte Moskau. Dies wiederum befeuerte tief sitzende Ängste in Russlands Bevölkerung und Elite vor einem betrügerischen Westen, der konziliante Gesten nicht honoriert und humanitäre Motive lediglich als Deckmantel für politische und ökonomische Machtausweitung missbraucht. Bedenkt man zudem, dass die Entscheidung, sich bei der Resolution 1973 zu enthalten, nicht auf einem breiten Konsens des außenpolitischen Establishments Russland basierte, sondern sowohl von Teilen des Außenministeriums als auch von Ministerpräsident Putin teils heftig kritisiert wurde, erscheint eine Wiederholung im Falle Syriens kaum wahrscheinlich.
Der innenpolitische Kontext
Der zweite verschärfende Faktor besteht im innenpolitischen Kontext. Am 4. März 2012 finden in Russland Präsidentenwahlen statt – vor dem Hintergrund sinkender Popularitätswerte Putins und einer Legitimitätskrise seines Herrschaftsmodells. Diese äußerte sich in den größten Massendemonstrationen in postsowjetischer Zeit, die nach den manipulierten Parlamentswahlen im Dezember 2011 sowie im Februar 2012 in Moskau, aber auch in anderen Städten des Landes stattfanden. Zwar stellt Außenpolitik im Wahlkampf kein entscheidendes Thema dar; dennoch setzt Putin auf eine Kombination aus anti-westlicher Rhetorik und einem selbstbewussten Auftreten seines Landes, um sein traditionelles Elektorat zu mobilisieren. Ziel ist ein Sieg im ersten Wahlgang. Es ist daher nicht zu erwarten, dass Russland vor der Präsidentenwahl von seiner harten Haltung im Syrienkonflikt Abstand nehmen wird.
Auch in einer weiteren Hinsicht spielen innenpolitische Überlegungen eine Rolle bei Russlands Syrienpolitik. Anders als in vielen westlichen Ländern wurde der »arabische Frühling« von Russlands Führung von Beginn an negativ konnotiert – weniger als Chance für eine – von Moskaus Führung ohnehin nicht erwünschten – Demokratisierung der Region, sondern vielmehr als Brutstätte für Chaos, Unruhe und Islamismus. Damit ist auch die Sorge verbunden, dass die »Arabellionen« Russland und den postsowjetischen Raum destabilisieren könnten: entweder, indem sie als Blaupause für Protestbewegungen in Russland und anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion dienen könnten oder indem Extremismus und Terrorismus auf die ohnehin instabilen, mehrheitlich von Moslems bewohnten Regionen wie den Nordkaukasus oder Zentralasien übergreifen könnten. Dass Moskaus Führung stets fordert, dass in einer UN-Resolution auch die syrische Opposition für die Gewalt im Land mitverantwortlich gemacht und zum Gewaltverzicht aufgefordert wird, entspringt daher der Rechtfertigungslogik des eigenen autoritären Herrschaftssystems.
Russland als Schutzmacht des syrischen Regimes
Aus ökonomischen, militärischen und geopolitischen Interessen, einem traditionellen Souveränitätsverständnis heraus sowie verschärft durch innenpolitische Erwägungen und den Erfahrungen der Libyenkrise agiert Russland als Schutzmacht des syrischen Regimes. Dies geschieht auf vielfältige Art und Weise. Für das syrische Regime am wichtigsten ist, dass Moskau sein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat nutzt, um alle Resolutionsentwürfe zu blockieren, die Druck auf die Regierung Assad ausüben würden oder einmal als Rechtfertigung für eine »libysche Lösung« interpretiert werden könnten. So erteilt Moskau nicht nur jeglichem Hinweis auf eine mögliche Intervention von außen von vorneherein eine klare Absage, sondern verweigert sich auch der Androhung von Sanktionen sowie einer bloßen Verurteilung der Gewaltanwendung durch das syrische Regime, wenn nicht zugleich die Opposition ebenso verurteilt und zum Gewaltverzicht aufgerufen wird. Bereits am 5. Oktober 2011 hatte Russland sein Veto gegen einen von Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Portugal erarbeiteten Resolutionsentwurf eingelegt, der »gezielte Maßnahmen« gegen die syrische Führung vorgesehen hätte. Der am 4. Februar 2012 von Marokko eingebrachte und von den westlichen und arabischen Staaten unterstützte Resolutionsentwurf war im Vorfeld bereits deutlich verwässert worden, um Russlands Bedenken zu zerstreuen. So enthielt er keine Forderungen nach einem Waffenembargo oder einem Rücktritt Assads, ganz abgesehen von jeglichem Hinweis auf eine militärische Intervention. Er scheiterte aber an der russischen Forderung, auch die Opposition nachdrücklich zum Gewaltverzicht aufzufordern.
Neben dem diplomatischen Schutzschild unterstützt Russland das syrische Regime auch politisch-militärisch. So setzt Moskau trotz der Gewalteskalation seine Waffenlieferungen nach Damaskus weiter fort. Anfang Januar 2012 landete ein Schiff mit 60 Tonnen russischer Munition in Syrien und Ende Januar 2012 schloss Moskau nach Berichten der Zeitung »Kommersant« mit dem Land einen neuen Vertrag über die Lieferung von 36 Jak-130 Kampfflugzeugen im Wert von 550 Millionen US-Dollar. Desweiteren war eine Delegation des syrischen Verteidigungsministeriums im September 2011 als Beobachter zu einer russischen Militärübung eingeladen worden. Für die syrischen Teilnehmer dürfte dabei vor allem interessant gewesen sein, dass es dabei auch um die Abwehr eines feindlichen Luftschlags – also das libysche Szenario – mit Hilfe russischer Luftabwehrsysteme gegangen war, von denen Syriens Armee einige besitzt. Eher als symbolisches Zeichen von Solidarität – und russischer Großmacht – diente dagegen der Besuch des russischen Flugzeugträgers »Admiral Kusnezow« in Tartus Anfang Januar 2012.
Ein Drahtseilakt, dessen Schwierigkeit noch zunimmt
Die Abstimmung im UN-Sicherheitsrat am 4. Februar 2012 zeigte jedoch auch, wie sehr Russland mit seiner Syrienpolitik in eine Sackgasse zu geraten droht. Der Drahtseilakt Moskaus wird immer schwieriger: das Überleben des wichtigsten politischen Partners in der Region zu sichern, ohne selbst in den Sog der zunehmenden Isolation des Assad-Regimes zu geraten. Dies betrifft erstens die internationale Ebene. Dem Entwurf für eine UN-Resolution am 4. Februar 2012 hatten 13 der 15 Sicherheitsratsmitglieder zugestimmt, lediglich Peking unterstützte Moskaus Haltung. Mit der Blockade des UN-Sicherheitsrats riskiert es Russland, das wichtigstes Einflussinstrument in der internationalen Politik zu beschädigen und sich selbst damit ins Abseits zu manövrieren. Die Suche nach neuen Lösungswegen könnte in Zukunft stärker außerhalb dieses Gremiums stattfinden, z. B. wird bereits über die Einrichtung einer Kontaktgruppe diskutiert.
Auch regional droht Moskau zunehmend, in die Isolation zu geraten. Nachdem die Arabische Liga bereits im November 2011 die Mitgliedschaft Damaskus ausgesetzt hatte und Ende Januar 2012 frustriert ihre Beobachtermission in Syrien abgebrochen hatte, hatte sie sich für die Annahme des UN-Resolutionsentwurfs Anfang Februar 2012 eingesetzt. Dementsprechend stark ist die Erbitterung gegenüber Russland. Dieses riskiert mit seiner Parteinahme für Assad, die Grundlagen seiner Nahostpolitik zu untergraben: nämlich gute Beziehungen zu allen Staaten der Region aufzubauen und damit sein Rollenbild als »ehrlicher Makler« zu festigen. Stürzt das Assad-Regime, wird Russland in Zukunft wohl gezwungen sein, seine Beziehungen zum Iran weiter auszubauen. Dies dürfte aber sicherlich nicht das Wunschszenario Russlands sein, da damit zugleich seine Versuche konterkariert würden, die politischen, vor allem aber ökonomischen Kontakte zu den Golfmonarchien zu vertiefen. Dass hieran deutliches russisches Interesse besteht, zeigte sich unter anderem daran, dass Moskau im November 2011 einen »strategischen Dialog« mit dem Golf-Kooperationsrat startete.
Auch in Bezug auf die Entwicklung in Syrien selbst scheint Moskau sich mit seiner Politik zunehmend in die Sackgasse zu manövrieren. Zwar argumentiert Moskaus Führung, dass sie im innersyrischen Konflikt keine Partei ergreife, sondern für einen ergebnisoffenen Dialogprozess zwischen Opposition und Regime ohne Einmischung von außen eintrete. Auch empfingen Vertreter der russischen Führung seit dem Beginn der gewaltsamen Auseinandersetzungen drei Mal Gesandte der syrischen Opposition, darunter Mitte November 2011 durch Außenminister Lawrow. Hofft Moskau damit, für den Fall eines Machtwechsels in Damaskus vorzusorgen, wird dies zunehmend schwieriger. Denn spätestens damit, dass Russland sich zeitgleich mit dem Massaker in Homs einer bloßen Verurteilung des Assad-Regimes im UN-Sicherheitsrat verwehrte, büßt es auf Seiten der Opposition jegliche Glaubwürdigkeit ein. In der Folge beschuldigte beispielsweise Nadschi Taijara vom oppositionellen Syrischen Nationalrat Moskau, mit seiner Haltung indirekt an der Gewalt im Land Schuld zu sein. Hatte die syrische Opposition bereits im September 2011 zu einem »Tag des Zorns« gegen Russland aufgerufen, demonstrierten nun erneut Menschen vor russischen Botschaften, z. B. in Kairo, Tripolis und Katar. Moskau droht mit seinem Verhalten eine Spirale in Gang zu setzen, die es immer mehr isoliert und damit nur noch mehr zu einer Verhärtung seiner Haltung zwingt.
Ein Ausweg aus der Sackgasse?
Was könnte Russlands Führung dazu bewegen, seine Blockadehaltung aufzugeben? Entscheidend wird sein, dass die westlichen Staaten in engem Schulterschluss mit den Ländern und Organisationen der Region, allen voran der Arabischen Liga agieren. Nur so lässt sich Moskau die Gefahr der Selbstisolation deutlich vor Augen führen. Zugleich gilt es, genau dieses Szenario, das in seiner eigenen Logik Russland ja gerade noch mehr zur harten Haltung zwingt, zu vermeiden. Eine gesichtswahrende Lösung für Russland zu finden, wird jedoch zunehmend schwierig. Hätte Moskau eventuell zu Beginn des Konflikts noch Chancen gehabt, sich als Vermittler zwischen syrischer Regierung und Opposition zu engagieren, scheitert dieses Szenario angesichts des anhaltenden Blutvergießens und dem Unwillen der Opposition, mit Assad zu verhandeln. Um Russlands ökonomische Verluste bei einem Machtwechsel in Syrien abzufedern, könnten die arabischen Staaten Moskau im Gegenzug für eine härtere Gangart gegen Assad den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen, v. a. den Zugang zu ihren Waffenmärkten anbieten. In diesem Zusammenhang wäre auch eine glaubhafte Erklärung der syrischen Opposition hilfreich, dass nach einem Machtwechsel die Verträge mit russischen Firmen geachtet werden. Zu all dem untergräbt Moskau aber zunehmend selbst seine eigenen Chancen. Am Ende riskiert es, erneut Verlierer zu sein.