Kaltzeit in Zentralasien und die Folgen
Die Republiken Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan sind bis auf den heutigen Tag Geiseln ihrer sowjetischen Vergangenheit und durch ein ganzes Bündel ungelöster zwischenstaatlicher Probleme miteinander verbunden. Die Tatsache, dass diese Länder in ihrem Bestreben, Teil der internationalen Gemeinschaft zu werden, in der Lage waren, mit zahlreichen Staaten der Welt Beziehungen aufzubauen, während gleichzeitig ihre Kontakte zu den unmittelbaren Nachbarn unbefriedigend blieben, ist paradox. Von außen betrachtet sieht es so aus, als ob sich die zentralasiatischen Staaten untereinander einfach ignorieren. Schon ein flüchtiger Blick auf die zwischenstaatlichen Beziehungen seit der Unabhängigkeit zeigt, dass zwischen ihnen Misstrauen, Argwohn und Feindseligkeit herrschen. Diese Kälte, welche die Region gefangen hält, wurde fast nie von einer Erwärmung oder einem Tauwetter unterbrochen. Dafür sind sowjetische Erblasten in Territorialfragen verantwortlich, die zusätzlich durch aktuelle Entwicklungen belastet werden.
Die Lage wird dadurch erschwert, dass die Grenzverläufe zwischen den zentralasiatischen Staaten, im Gegensatz zu den Außengrenzen der Gesamtregion, bis heute nicht vollständig geklärt sind. Von den fünf Republiken Zentralasiens hat nur Turkmenistan seine gesamte Landgrenze durch entsprechende Abkommen mit Usbekistan und Kasachstan delimitiert. Kasachstan hat die wichtigsten Grenzfragen mit Usbekistan und Kirgistan geregelt. Doch die Grenzstreitigkeiten zwischen Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan sind bis heute nicht beigelegt. Außerdem sitzen genau diese drei Staaten im Ferganatal sozusagen in der Falle, denn alle haben Exklaven auf den Territorien ihrer Nachbarstaaten. Seit der Unabhängigkeit hat es an den Grenzen ständig Zwischenfälle (sogar mit tödlichem Ausgang) wegen des Zugangs zu Wasser, um Weidegründe oder als Ausdruck des Protests gegen die strengen Regelungen des Grenzübertritts gegeben. Das führte immer wieder zu Waffengebrauch bei Grenzschützern, und anschließend beschuldigten sich die Staaten gegenseitig der Aggression. So schickte beispielsweise Usbekistan 2010 während eines solchen Konflikts in seiner in Kirgistan gelegenen Exklave Soch Luftlandetruppen und Panzer an die Grenze. Für alle drei Staaten liegt der Gedanke nahe, dass der unmittelbare Anschluss ihrer Exklaven an das Hauptland auch andere Probleme lösen würde – zum Beispiel den Zugang zu Wasserressourcen oder wichtigen Transportwegen. Es ist bereits mehrfach zu Konflikten zwischen den Anliegerstaaten der Oberläufe der großen zentralasiatischen Flüsse (Kirgistan und Tadschikistan) und den Unterliegern (Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan) gekommen. Im Winter 2000 beispielsweise stellte Usbekistan seine Gaslieferungen an Kirgistan ein, während die kirgisische Seite zur Stromgewinnung Wasser aus dem Toktogul-Stausee abließ – das zu diesem Zeitpunkt aber nicht zur Bewässerung der usbekischen Baumwollfelder benötigt wurde, sondern Überschwemmungen verursachte. Als Antwort darauf zog Usbekistan an der Grenze Truppen zusammen, und der Konflikt wäre beinahe eskaliert, wurde aber zum Glück gelöst. Das Beispiel zeigt dennoch, dass die Bemerkung des damaligen usbekischen Präsidenten Islam Karimow, der Bau von Wasserkraftwerken in Tadschikistan und Kirgistan könne »nicht nur zu einem Zusammenstoß, sondern zu einem Krieg« führen, nicht nur eine Worthülse war.
Die Unfähigkeit der politischen Eliten Zentralasiens, das zwischenstaatliche Wassermanagement der Region in den Griff zu bekommen, hat die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft geweckt. So war beispielsweise Berlin im Jahre 2015 Schauplatz von Diskussionen über die Wasserfrage in Zentralasien. Der Titel der internationalen Konferenz, »Wasser und gutnachbarschaftliche Beziehungen in Zentralasien«, spricht für sich. Doch die offiziellen Treffen der Staatsoberhäupter, Forschungsarbeiten von Experten und zahlreichen Empfehlungen internationaler Organisationen haben nicht zu einer Verbesserung der Situation im Bereich der Wasser- und Hydroenergieressourcen geführt. Es ist kein Geheimnis, dass die nationalen Gesetzgebungen in den betreffenden Ländern in dieser Frage recht einseitig nur die Interessen des eigenen Staates vertreten. Die Regierungen begreifen nicht, dass die mangelnde Koordinierung der Politik in diesem Bereich in einigen Ländern Zentralasiens zu höchst unliebsamen und gravierenden sozioökonomischen und ökologischen und letztlich destabilisierenden Folgeproblemen führen kann.
Die schwach entwickelten zwischenstaatlichen Beziehungen trugen zur weiteren Konservierung verschleppter grenzüberschreitender sozioökonomischer Probleme bei, während gleichzeitig schon ganz neue, globale Herausforderungen aufkamen. Die weltweit gesunkenen Preise für Öl, Gas sowie Metalle, welche die Exportgrundlage der zentralasiatischen Staaten bilden, nehmen ihnen alle Chancen auf sozioökonomische Verbesserungen.
Ein Beispiel für die fehlende staatliche Steuerungskapazität ist die massive Abwertung der nationalen Währungen im Jahr 2015. Der Wertverlust schwankte zwischen 25 % und 85 %. Die Abwertung war ein schwerer Schlag für das wirtschaftliche und soziale Leben, vor allem in Kirgistan und Tadschikistan, die von Warenimporten abhängig sind. Auch der Wertverfall des russischen Rubels drückt auf die Kurse der zentralasiatischen Währungen. Die Region ist aufgrund ihrer eng mit der Russländischen Föderation verflochtenen Wirtschafts- und Finanzsysteme auch negativ von den Folgen der westlichen Sanktionen gegen Russland betroffen. Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan haben zudem unter den sinkenden Rücküberweisungen ihrer nach Russland ausgereisten Arbeitsmigranten gelitten.
Das außerordentlich hohe Bevölkerungswachstum in Usbekistan und Tadschikistan wird noch für lange Zeit eine Herausforderung für die soziale und wirtschaftliche Sicherheit darstellen. Besonders hervorzuheben ist, dass 70 % der Bevölkerung Usbekistans unter 25 Jahre alt sind. Zwar sind die Kinderzahlen pro Familie (auf eine mittlere Größe) gefallen, doch die Zuwachsraten aufgrund der sehr jungen Bevölkerung (im heiratsfähigen Alter) insgesamt weiterhin hoch. Diese Tatsache verbunden mit den ungelösten sozioökonomischen Problemen können die Region mittelfristig in einen Strudel der Instabilität reißen. Und von dort ist es nicht weit bis zu jenem Grad der Islamisierung, bei dem ein zweiter »Balkan« und ein zweites Afghanistan ein gefährliches »zentralasiatisches« Konglomerat bilden. Angesichts solcher Bedrohungen könnte die Vertiefung zwischenstaatlicher Beziehungen und eine enge Kooperation zwischen den Staaten der Region die Destabilisierung Zentralasiens abwenden.
Temperaturanstieg dank äußerer Herausforderungen
Nach Ansicht vieler zentralasiatischer Experten ist in den letzten Jahren eine gewisse Erwärmung in den Beziehungen zwischen den zentralasiatischen Staaten zu beobachten. Es liegt nahe, diesen Trend in Beziehung zum Tod des usbekischen Präsidenten Islam Karimow (im September 2016) zu setzen, der mit seiner Ablehnung einer regionalen Zusammenarbeit den gedämpften Ton der innerregionalen Diplomatie vorgab. Der von dem jetzigen Präsidenten Usbekistans, Schawkat Mirsijojew, eingeleitete politische Neustart in den Beziehungen mit den Nachbarn zeigt, dass die Karimow-Epoche der Feindschaft mit Turkmenistan, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan der Vergangenheit angehört. Die Gesamtsituation wäre allerdings wesentlich unkomplizierter, wenn alles einzig vom Verhalten Usbekistans abhinge.
Einige Anzeichen für eine Klimaänderung in Zentralasien waren auch schon vor dem Tod Karimows zu beobachten. Die Gründe für die Erwärmung der zwischenstaatlichen Beziehungen muss man in grundsätzlicheren Aspekten der regionalen Entwicklung suchen. Die Betrachtung Zentralasiens als Randzone der Weltpolitik erfährt heute im Zusammenhang mit globalen geopolitischen Spannungen eine Veränderung. Es wäre aber kurzsichtig, Zentralasien nur im Schatten der Rivalität der großen »Player« der Weltpolitik zu sehen. Auch die Begriffe »natürliche Ressourcen«, »Transportkorridore« und »Pipelines« verleiten zu einer allzu simplen Sicht auf Zentralasien.
Der beste Weg zum Verständnis der aktuellen Lage der zentralasiatischen Republiken ist eine sorgfältige und pragmatische Analyse ihrer Entwicklung von innen heraus. Befürchtungen, dass sich Zentralasien in eine Zone dauerhafter Instabilität und Quelle diverser Bedrohungen verwandeln könnte, haben sich nicht bewahrheitet. Auch eine Islamisierung in der von einigen Experten prognostizierten, radikalen Variante ist nicht zu beobachten. Tatsächlich vollzieht sich ein langanhaltender Prozess der Herausbildung von Nationalstaaten. Es hat eine Elitenkonsolidierung stattgefunden, zwischen den sozialen und politischen Hauptgruppen wurde ein Konsens erreicht (in einigen Fällen mit nicht immer zivilisierten Methoden) und es wurden die Grundlagen für ein Wirtschaftssystem gelegt, das Elemente des früheren sowjetischen Systems mit Marktbeziehungen kombiniert. Es scheint, dass die Staaten Zentralasiens, nachdem sie den »Freudentaumel der Souveränität« durchlebt haben, nun in der Mitte des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts Kurs in Richtung einer nüchternen, pragmatischeren Regionalpolitik genommen haben.
Nach Ansicht einer Reihe von Experten haben auch die Ereignisse in der Ukraine einen Einfluss auf die geopolitische Klimaerwärmung zwischen den Staaten Zentralasiens gehabt. Der Kiewer Majdan 2014, der in eine Katastrophe für die gesamte Ukraine mündete, die Annexion der Krim und die einseitige Proklamierung von Republiken in der Ostukraine haben zu Ernüchterung in Zentralasien geführt. Die deutliche Zunahme diplomatischer Aktivitäten auf regionaler Ebene ist ein Indiz dafür. Ganz unerwartet machte z. B. der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew 2014 einen offiziellen Besuch in Turkmenistan, der in einer herzlichen und produktiven Atmosphäre verlief. Noch mehr Aufmerksamkeit rief der Besuch Islam Karimows in Astana im November des gleichen Jahres hervor. Aus den Verlautbarungen Karimows während seiner dortigen Auftritte wurde klar, dass die damaligen weltpolitischen Ereignisse ein Hauptgrund für seinen radikalen Sinneswandel waren. Der usbekische Führer war zu dem Schluss gelangt, dass sein Land angesichts der aktuellen problematischen Lage einen sicheren Rückhalt brauchte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Usbekistan seine Mitgliedschaft in der CSTO (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit) ausgesetzt, die amerikanische Militärbasis in Termes geschlossen und es befand sich in Konflikten mit Tadschikistan und Kirgistan um Wasserressourcen. Im Fall einer militärisch-politischen oder terroristischen Bedrohung hätte das Land weder bei Russland, noch bei den USA einschließlich der EU Unterstützung gefunden. In dieser Situation erinnerte sich Karimow an seine direkten Nachbarn und auch daran, dass zwischen Kasachstan und Usbekistan bereits ein Jahr zuvor ein Vertrag über strategische Partnerschaft unterzeichnet worden war. Wenn man das wortkarge Verhalten des usbekischen Führers bei früheren Besuchen Kasachstans mit seinem Auftreten Ende 2014 vergleicht, dann kann man sich voll und ganz der These von einer ganz neuen Etappe in den kasachisch-usbekischen Beziehungen noch unter Karimow anschließen. 2014 gab es ein weiteres Aufsehen erregendes Ereignis: Zum vierten Gipfeltreffen der Führer der Turkstaaten im türkischen Bodrum reiste erstmals der Präsident Turkmenistans, Gurbanguly Berdymuchamedow, an. Dabei ist im vorliegenden Kontext weniger von Bedeutung, dass das offiziell neutrale Land sich für ein Forum turksprachiger Länder öffnete, als dass sich darin ein neuer Trend zu wechselseitigen Beziehungen Turkmenistans mit seinen Nachbarn sowohl bilateral als auch im Rahmen multilateraler Foren zeigte.
Zweifellos haben auch die alle fünf Staaten betreffenden Bedrohungen aus dem Süden, insbesondere Afghanistan, und die Gefahren, die von aus Syrien zurückkehrenden zentralasiatischen Kämpfern ausgehen, einen Einfluss auf den Annäherungsprozess.
Ende der Kaltzeit nach Karimows Tod
Natürlich wird der Neustart der Beziehungen zwischen den zentralasiatischen Republiken auch direkt mit dem Machtantritt des neuen Präsidenten Usbekistans, Schawkat Mirsijojew, verknüpft. Seit seiner Amtsübernahme hat das Land Kurs auf Erneuerung und Reformen in allen Schlüsselbereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens genommen, auch wenn manche Experten vor der Illusion warnen, dass Mirsijojew eine revolutionäre Politik verfolgen wird. Nach ihrer Ansicht steht seine Politik in der Kontinuität seines Vorgängers. Wie der stellvertretende Außenminister Dschawlon Wachabow im Januar 2017 erklärte, sollen die Beziehungen mit den Nachbarstaaten nun Priorität in der Außenpolitik Usbekistans haben.
Als Beleg für die Aufrichtigkeit der Absichtserklärungen der neuen usbekischen Führung kann man den neuen Kurs bei den Verhandlungen zur Delimitierung und Demarkation der mit den Nachbarn strittigen Grenzen anführen. Seit Ende 2016 unternimmt Taschkent konkrete Schritte, um die Konflikte an der Grenze zu Kirgistan zu entschärfen. Parallel dazu werden Gespräche mit Kasachstan und Tadschikistan über unklare Grenzabschnitte geführt. Die usbekische Initiative hat bei den Nachbarn Unterstützung gefunden. Man darf jedoch keine sofortige Lösung von Problemen erwarten, die sich über Jahrzehnte angehäuft und das Leben mehrerer Generationen vergiftet haben. Doch besonders die neue Intensität und Dynamik der usbekisch-kirgisischen Beziehungen, die früher äußerst angespannt und oft konfrontativ waren, geben zu Hoffnungen Anlass. Die Erfolge, die bisher hinsichtlich der vertraglichen Ausgestaltung der Grenzziehung zwischen Usbekistan und Kirgistan erreicht wurden (49 Abschnitte wurden festgelegt), sind Indiz für das ernsthafte Engagement beider Seiten.
Auch die positiven Entwicklungen in den usbekisch-tadschikischen Beziehungen machen Hoffnung auf eine langfristige Stabilisierung der Region. Wenn man sich daran erinnert, dass die Konflikte zwischen diesen beiden Staaten ein solches Ausmaß erreicht hatten, dass es zu einem »Eisenbahnkrieg« kam, zur Sprengung einer Brücke auf usbekischem Territorium, die Tadschikistan mit anderen GUS-Staaten verband, und zur Verminung einer neutralen Zone an der usbekisch-tadschikischen Grenze, dann wird verständlich, wie wichtig und vielversprechend die jüngsten Versuche zur Verbesserung der Lage sind. Im vergangenen Jahr wurde der Eisenbahnverkehr zwischen Usbekistan und Tadschikistan neu geregelt und einige für beide Seiten problematische Grenzkontrollen abgeschafft. Auch die Flugverbindung zwischen den Hauptstädten wurde wieder in Betrieb genommen.
Das herausragende Ereignis war jedoch der Baubeginn des Wasserkraftwerks Rogun in Tadschikistan im Oktober 2016 bzw., genauer gesagt, nicht der Start der Bauarbeiten als solcher, sondern die Reaktion Usbekistans darauf. Noch vor ungefähr einem Jahr, im Juni 2016, als Karimow noch am Leben war, schickte der heutige Präsident Mirsijojew in seiner damaligen Eigenschaft als Premierminister einen Drohbrief an die tadschikische Regierung, in dem ernsthafte Konsequenzen im Falle eines Beginns der Bautätigkeit angedroht wurden. Als nun jedoch der tadschikische Präsident Emomali Rachmon im Oktober 2016 mit einem Bulldozer einen Erdwall zusammenschob und so symbolisch den Startschuss für die Errichtung des Kraftwerks gab, war von usbekischer Seite kein Sterbenswörtchen zu hören. Unmittelbar danach empfing der usbekische Außenminister Abdulasis Kamilow den stellvertretenden tadschikischen Minister für Energie und Wasserressourcen, Sultan Rachimsoda. Nach offiziellen Angaben diskutierten die Parteien Fragen der effektiven regionalen Nutzung von Hydroenergie, nach Meinung einer Reihe von Experten versuchten die Tadschiken aber vor allem ihre Kollegen davon zu überzeugen, dass der Bau des Wasserkraftwerks nicht zu Lasten Usbekistans gehen wird. Offensichtlich waren ihre Argumente überzeugend, zumindest kam bis heute keine negative Reaktion aus Taschkent. Für die usbekische Regierung haben jetzt wirtschaftliche Interessen Priorität, beispielsweise die Erschließung des tadschikischen Marktes für die usbekische Autoindustrie.
Auch in den usbekisch-turkmenischen Beziehungen lassen sich positive Entwicklungen beobachten. Im Januar 2017 wurde die gemeinsame Grenze, die vier Jahre zuvor geschlossen worden war, endlich wieder für den visafreien Übertritt (mit einer Aufenthaltsdauer von drei Tagen innerhalb eines Monats) für Bürger der Grenzgebiete beider Staaten geöffnet. Die Initiative dafür ging vom Präsidenten Usbekistans aus, der auch die Grenzkontrollpunkte medienwirksam einweihte. Der Besuch des usbekischen Präsidenten in Turkmenistan im März dieses Jahres hat jedoch alle völlig überrascht. Es handelte sich um den ersten auswärtigen Staatsbesuch Mirsijojews in seiner Eigenschaft als Präsident überhaupt – man hatte allgemein erwartet, dass er ihn in Russland oder Kasachstan absolvieren würde. Ergebnis des Treffens der beiden Präsidenten war die Unterzeichnung eines Vertrags über strategische Partnerschaft sowie anderer wichtiger Grundsatzdokumente über Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Transportfragen. Mit diesem Besuch hat der usbekische Führer eine gewisse Neutralität und seine Unabhängigkeit von den außenpolitischen Orientierungen anderer »Player« in der Region demonstriert. Aber natürlich ist die Bereinigung der Beziehungen mit Turkmenistan auch durch die Notwendigkeit motiviert, die Transportkorridore auszubauen, die beide Länder mit der Außenwelt verbinden.
Erwärmung oder Tauwetter?
Handelt es sich um eine langfristige und unumkehrbare Erwärmung des zwischenstaatlichen Klimas in Zentralasien oder nur um ein kurzfristiges Tauwetter? Manche Experten sind bezüglich der Dauerhaftigkeit dieses Prozesses skeptisch: Das Eis des Misstrauens und des Argwohns zwischen den Ländern sei inzwischen allzu dick. Natürlich vollziehen sich die Lösung aller strittigen Fragen und die Harmonisierung der Beziehungen nicht an einem Tag. Sowohl innen- wie außenpolitische Faktoren werden Einfluss auf die weitere Entwicklung der internationalen Prozesse in Zentralasien haben. Für eine Prognose über die weiteren Perspektiven der innerregionalen Diplomatie spielt die Tatsache, dass die politischen Regime in praktisch allen Staaten der Region übermäßig personenzentriert sind, eine große Rolle. Nicht nur Experten, sondern auch zentralasiatische Politiker glauben, dass Sym- oder Antipathien zwischen den Staatsoberhäuptern in starkem Maße die Richtung der Außenpolitik ihrer Länder beeinflussen. Es ist vorstellbar, dass dieser Umstand eine positive Rolle beim Neustart der Beziehungen in Zentralasien gespielt hat und dass die freundschaftliche Stimmung der Staatsoberhäupter auch in Zukunft zum endgültigen Abtauen des Eises des Misstrauens und der Feindseligkeit in der Region beitragen wird. Es gibt Grund zur Hoffnung, dass das Streben nach langfristigen Kontakten mit den Nachbarn zum beiderseitigen Nutzen, Pragmatismus sowie das Gefühl, unter den gegenwärtigen Bedingungen aufeinander angewiesen zu sein, sich gegen eine einzig auf den eigenen nationalen Interessen beruhende Politik durchsetzen.
Aus dem Russischen von Brigitte Heuer
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