Zusammenfassung
Am 2. Juni 2006 beschloss der Föderationsrat, das Oberhaus des russischen Parlaments, Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow auf Antrag Präsident Putins seines Postens zu entheben. Am 19. Juni schlug der Präsident dann den amtierenden Justizminister Jurij Tschajka als neuen Generalstaatsanwalt vor. Im System Putin ist der Posten des Generalstaatsanwalts kein unwichtiges Amt. Bei der Mehrzahl der politischen Veränderungen, die Putin seit seiner Amtseinführung im Jahre 2000 bewirkt hat, war er auf eine enge Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft angewiesen. Für die Disziplinierung der „Oligarchen“ und die Vertreibung der Magnaten Gusinskij und Beresowskij zu Beginn von Putins Regierungszeit waren die Strafverfolgungsbehörden das wichtigste Instrument. Auch bei der Zerschlagung des Jukos-Konzerns und der Vernichtung der bürgerlichen Existenz Chodorkowskijs, des reichsten Mannes Russlands, stand der Generalstaatsanwalt in der ersten Reihe. Die Strafverfolgungsbehörden sind in Putins Russland ein politisches Instrument. Derzeit stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, die Korruption im Staatsapparat zu beseitigen. Auch dies ist ein politischer Auftrag – Putin selbst hat Korruptionsbekämpfung immer wieder als zentrale Aufgabe formuliert, auch deshalb weil die Legitimität seines Regimes durch die fortwuchernde Korruption nachhaltig beschädigt wird. Bisher hat die Generalstaatsanwaltschaft auf diesem Feld keine entscheidenden Erfolge erzielen können. Mag sein, dass die Ablösung Ustinows durch Tschajka auch mit diesem Versagen zu tun hat.